Mädels, Musik und Mopeds

Klaus J. Behrendt

„Bergbau haben alle gemacht, also ich auch.“ Der Schauspieler Klaus J. Behrendt zu seiner ersten Berufswahl. Bild: Alex Trebus

Autor: Markus Oess

Aufgewachsen ist der Schauspieler Klaus J. Behrendt auf dem Land. Und weil eben alle in der Ecke unter Tage gingen, hat er es auch getan. Aber nach drei Jahren war Schluss und er riss das Ruder noch einmal rum. Zum Glück für Tatort-Kommissar Max Ballauf. Warum einer der beliebtesten Schauspieler der Republik noch keinen Gedanken daran verschwendet hat, Ballauf um die Ecke zu bringen, und warum Wohlstand verpflichtet.

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Herr Behrendt, wie wars auf der zurückliegenden Berlin Fashion Week oder sind Sie geflüchtet?
Klaus J. Behrendt: „Weder … noch. Ich war beruflich verreist.“

Haben Sie jetzt eine Walbusch-Kundenkarte?
„Nein. Das nun nicht.“

Welche Rolle spielt Mode für Sie?
„Ich bin kein Modeexperte. Ich werde 57 Jahre alt und klar ist, ich möchte mir gefallen, aber auf keinen Fall so aussehen wie meine Söhne. Ich habe drei leibliche und zwei ‚zugeflogene‘ Kinder, die alle zwischen Mitte und Ende 20 Jahre alt sind. Das ist modisch betrachtet nicht meine Welt. Ich mag bequeme, coole Kleidung. Jeans, Sweater oder Cardigan, Lederjacke oder Sakko, dazu Sneakers oder auch Chelsea Boots. Wenn es der Anlass hergibt, trage ich auch gerne mal einen Anzug.“

Wovon lassen Sie sich bei der Bekleidungswahl inspirieren?
„Das ist schwer zu sagen. Ich schaue mich jetzt nicht bewusst nach modischen Trends um oder folge irgendwelchen Vorbildern. Wenn ich losgehe und sage, ich kaufe mir eine Jacke, dann komme ich garantiert mit leeren Händen heim. Bloß mal in der Stadt shoppen liegt mir nicht. Mich muss etwas anspringen und dann will ich es auch in die Hand nehmen können und anprobieren.“

Haben Sie modisch schon mal so richtig danebengegriffen?
„Das passiert mir auch, dass ich etwas im Laden kaufe, weil die Verkäuferin mir mit großen Augen freudestrahlend erzählt, wie toll ich damit aussähe und ich genau der Typ dafür sei. Später dann kommt die Ernüchterung, wenn zu Hause meine Frau die Augen verdreht oder auch mal mitleidig lächelt. Das letzte Mal ist mir das mit einem Paar Schuhe und einer Jacke so ergangen. Ich will nicht ins Detail gehen, aber die Sachen wandern dann irgendwann in die Kleidertonne.“

Natürlich müssen wir auch kurz auf den Tatort-Kommissar Max Ballauf zu sprechen kommen. Kleidet er sich anders als Sie?
„Auf jeden Fall, Max Ballauf trägt immer die gleichen Sachen: Jeans, Strick und Lederjacke. Meist blau, braun oder schwarz. Die Figur hat ja eine Linie, die über die Jahre fortgeschrieben wird und den Wiedererkennungswert ausmacht. Da kleide ich mich schon etwas abwechslungsreicher.“

Wie viel Klaus J. Behrendt steckt denn in Max Ballauf?
„Über so viele Jahre, fast 20, bleibt das nicht aus. Sie können nicht so lange gegen Ihren Charakter arbeiten. Aber fragen Sie mich jetzt nicht, was genau das ist.“

Haben Sie schon mal daran gedacht, Ballauf umzubringen?
„Nee. Dafür ermöglicht er mir ein zu gutes Leben.“

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Auch modisch ist der Schauspieler Dietmar Bär, den Sie als Partner selbst ausgesucht haben, ein Kontrast zu Ihnen. Aber da passt noch alles?
„Dietmar Bär ist ein wundervoller Schauspieler und als Freddy Schenk der ideale Partner für Max Ballauf. Ohne Kontrast und Reibung lässt sich ein Kriminalfall im Team nicht lösen. Die beiden sind nicht immer einer Meinung, streiten sich auch, aber sie ziehen an einem Strang, um die Nuss zu knacken. Menschlich passt es trotzdem. Auch optisch finde ich den Kontrast gelungen. Freddy trägt immer einen Anzug, Dreiteiler, und einen langen Mantel. Das ist seine Linie. Wir werden noch eine ganze Weile in Köln auf Mörderjagd gehen.“

Sie haben eine Lehre im Bergbau gemacht. Im Nachrichtenmagazin Spiegel sprachen Sie Ende 2014 vom Meer, das 1.600 Meter unter der Erde liegt. War es nur die Abenteuerlust, die Sie zum Bergbau gebracht hatte?
„Mit 17 Jahren haben Sie noch keine klaren Vorstellungen darüber, was Sie Ihr Leben lang machen wollen, um finanziell über die Runden zu kommen. Es braucht seine Zeit, um sich zu festigen. Ich komme aus einer Bergbaugegend. Bergbau haben alle gemacht, also ich auch. Das ist sicher aus einer gewissen Unwissenheit passiert, aber der Job hat mir echt Spaß gemacht. Ich war drei Jahre unter Tage und dann stellte sich die Frage, ob ich die Steigerschule besuchen sollte, was vergleichbar ist mit dem Meistertitel im Handwerk. Damals hatte ich nur die Verantwortung für mich allein und ich hatte mich entschlossen, das Ruder noch einmal herumzureißen und etwas völlig anderes zu machen. Ich besuchte die Schauspielschule. Viele aus meinem damaligen Umfeld hatten mich belächelt. Bereut habe ich es nie.“

Wieso Schauspieler?
„Ich schaue heute noch sehr gerne Filme. Ich habe irres Gefallen am Geschichtenerzählen. Damals war mir gar nicht klar, in was für ein Haifischbecken ich geraten würde. Heute weiß ich, 96 Prozent meiner Kollegen geht es, wirtschaftlich gesehen, dreckig. Es ist ein Hauen und Stechen. Und gerade für Frauen ist es in diesem Job noch deutlich schwerer, sich zu behaupten.“

Wie gehen Sie mit dem Erfolg um?
„Ich habe die Bodenhaftung nicht verloren. Wenn heute ein 20-jähriger Schauspieler für eine einzige Filmrolle gehypt wird und alle Welt ihm plötzlich den Hof macht, wer will es ihm verdenken, wenn er plötzlich abhebt? Wenn heute die Leute die Straßenseite wechseln, um mit Ihnen ein Selfie zu machen, muss Ihnen klar sein, wenn die das Foto am nächsten Tag zeigen, geht es nicht um Sie, sondern um den Promifaktor, um ein wenig Glamour, der auf die anderen abfärbt. Ich bin ein Fan davon, in den Schauspielberuf mit jeder Rolle hineinzuwachsen und besser zu werden. So bleiben Sie geerdet. Das Komische an der Schauspielschule ist, dass die Lehrer dort Ihnen alles beibringen können, nur den Umgang mit dem Berühmtsein nicht, eben weil sie es nie waren.“

Sie haben ein ausgeprägtes Interesse für die 1930er- und 1940er-Jahre und bezeichnen Ihren Vater als Mensch, der nie über diese Zeit erzählt hat. Was haben Sie Ihren Söhnen über die 1970er- und 1980er-Jahre erzählt?
„Ich erzähle meinen Söhnen alles aus dieser Zeit, was sie wissen möchten. Wie ich die Zeit damals erlebt habe, von meinen Erfolgen und von meinen Niederlagen. Ich hatte eine klassische Jugend auf dem Land. Damals ging es um Mopeds, um Musik, um Partys und natürlich um Mädels. Zu dieser Zeit hatte ich nicht verstanden, wie die RAF und der Terrorismus überhaupt entstehen konnten. Ich wusste nicht, was sich hinter den Anfängen der Kaufhausbrände in Berlin verbirgt und wie diese in die Geschehnisse des Deutschen Herbstes münden konnten. Das alles habe ich erst später kapiert. Klar ist: Kaltblütiger Mord und Terrorismus sind durch nichts zu rechtfertigen. Damals nicht und heute nicht. Meine Eltern gehörten zu einer Generation, die durch die Schrecken und Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges über sechs Jahre hinweg traumatisiert wurden, aber später nie darüber sprechen konnten. Die Welt war in unsägliches Leid versunken. Und wie Sie wissen, haben wir mehr als 60 Jahre später Krieg und Elend in der Welt immer noch nicht überwunden.“

Leben wir heute dennoch in einer besseren Welt als in der Zeit der RAF und des Kalten Krieges?
„Nein. Die Probleme haben sich verlagert und sind vielschichtiger geworden. Wir haben immer noch Krieg und Vertreibung, Armut und Hunger auf der Welt. Nur wächst die Welt enger zusammen und die globalen Abhängigkeiten nehmen zu. Wir können gar nicht mehr wegsehen, wenn am anderen Ende der Welt Unrecht geschieht, denn es trifft auch uns. Keine Mauer dieser Welt hilft, die Flüchtlingskrise und ihre Ursachen wirksam zu bekämpfen.“

Sie engagieren sich sozial in zwei Vereinen, um Kindern zu helfen?
„Genau. Gemeinsam mit anderen Tatort-Kollegen habe ich den „Tatort – Straßen der Welt e.V.“ zum Schutz philippinischer Straßenkinder gegründet. Wir realisieren unter anderem ein Projekt in Swasiland. In dem Nachbarstaat zu Südafrika hat das HIV-Virus eine ganze Generation ausgelöscht. Dort leben nur noch Kinder und Alte. Es gibt praktisch niemanden mehr, der die Kinder Landwirtschaft und Ackerbau lehren könnte. Wir wollen den Aidswaisen mit einem Landwirtschaftsprojekt eine neue Perspektive geben. Die Initiative ‚Wir starten gleich‘ verschenkt an Erstklässler finanziell schwacher Familien in Deutschland zum Schulstart Ranzen. Wir wollen verhindern, dass die Kinder schon am Schulstart ausgelacht werden, weil sie sich keinen Ranzen leisten können. Wir alle haben die moralische Pflicht, ein Stück unseres Wohlstandes mit anderen Menschen zu teilen. Wenn Sie helfen möchten, schauen Sie auf unsere Seite: www.tatort-verein.org!“

Klaus J. Behrendt:

Nach dem Besuch der Hamburger Schauspielschule erhielt Klaus J. Behrendt ein Engagement am Bremer Theater. 1989 startete der Schauspieler mit einer Rolle in der Fernsehserie „Rote Erde II“ seine TV-Karriere. 1992 bis 1994 war Behrendt in der WDR-Krimireihe „Tatort“ als Assistent von Kommissar Flemming in Düsseldorf zu sehen. Seit 1997 bildet er als Kommissariatsleiter Max Ballauf gemeinsam mit seinem Kollegen Freddy Schenk (Dietmar Bär) das altgediente Kölner Ermittlerteam. Daneben war Klaus J. Behrendt in vielen weiteren Fernsehrollen zu sehen, so auch in der Rolle des Bergmanns in „Das Wunder von Lengede“. Er erhielt unter anderem den Deutschen Fernsehpreis, den International Emmy Award und die 1Live-Krone. 2015 wurde Behrendt gemeinsam mit Dietmar Bär für sein soziales Engagement mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Gemeinsam mit Mitgliedern des Tatort-Teams gründete er die Initiative ‚Tatort – Straßen der Welt e.V.’ zum Schutz philippinischer Straßenkinder. Sein Verein ‚Wir starten gleich e.V.’ ist in mehreren deutschen Städten aktiv und stattet angehende Schulkinder, deren Familien es sich nicht leisten können, mit neuen Schulranzen aus.