Auf das Gleichgewicht kommt es an

Kommentar

© Vitali Diller

Autor: Maximilian Fuchs

Wir alle kennen den Stress zu den Messen, jede Saison aufs Neue. Zwischen Reiseplanung und Terminkoordination nehmen die Tage auswärts Zeit und Ressourcen in Anspruch, während sich die Arbeit am Schreibtisch oder im Office stapelt. Aber würde ich rückblickend, in Anbetracht der gewonnenen Erkenntnisse, auf meinen Besuch in Berlin verzichten wollen? Meine Antwort lautet klar nein, denn ich konnte neben der Sichtung neuer Trends auch Menschen und Business-Partner wiedertreffen, die ich im Regelfall eben nur auf Messen und Veranstaltungen zu Gesicht bekomme.

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Natürlich ist die Situation auch im Handel nicht einfach und so ein Messebesuch ist ein Investment. Abgesehen von etwaigen Reisekosten bedeuten der Zeitverlust und das möglicherweise zusätzliche Personal Extraausgaben – die wohlüberlegt sein müssen. Trotzdem ist mein Appell, genau zu bedenken, welche Konsequenz das „Mal-eine-Saison-Aussetzen“ haben kann. Das Messewesen braucht den Handel und die Einkäufer, umgekehrt muss von der Veranstalter- und Ausstellerseite der Inhalt stimmen.

Berlin, Berlin

Ich finde, das Angebot der Hauptstadt ist im idealen Gleichgewicht. Die Messen und Events sind gut organisiert und segmentiert, das Angebot ist stimmig und die Side-Events der Fashion Week runden den Gesamteindruck ab. Beim Nachhorchen in der Branche ist die Stimmung aber durchwachsen. Zwar gibt es einige Aussteller, die mit der Qualität und Frequenz vollends zufrieden waren, aber es sind eben nicht alle. Bei einigen scheint die Teilnahme nicht die Anzahl von Besuchern gebracht zu haben, die sie sich erhofft hatten.

Auch wenn die Gesamtbilanz positiv ist, stellt sich mir die Frage: Wie zerbrechlich ist das ganze Messekonstrukt? Schauen wir die letzten zehn Jahre zurück, so hat sich hierzulande doch einiges getan – gleich, ob man nach Düsseldorf oder Berlin blickt. Global Player und Messegesellschaften, deren Wegfall man für undenkbar gehalten hat, sind inzwischen von der Bildfläche verschwunden oder nur noch als Markenname ein Schatten ihrer selbst. Große Aussteller und Zugpferde, die aufgrund von zu wenigen Besuchern oder aus strategischen Gründen ihre Teilnahme absagten, verursachten damit eine Kettenreaktion.

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Bei den Berliner Messen sehe ich aktuell keine Gefahr, sowohl die PREMIUM Group wie auch die PANORAMA sind als Leadmessen gut etabliert und überzeugen durch Konzept und Fokus. Auch die anderen Veranstaltungen entwickeln sich mit einer guten Dynamik und stärken den Standort. Zum Ende der Berliner Modewoche im Juli ist es ausgerechnet Mercedes-Benz, die verkünden, dass sie die in Zusammenarbeit mit IMG ausgerichtete Fashion Week Berlin nicht mehr als Hauptsponsor begleiten. Es ist schade, denn schließlich hat sich die „Mercedes-Benz Fashion Week Berlin“ als Sinnbild für den Berliner Glamour etabliert. Aber auch hier ist es der Wegfall großer Brands, der es für die Initiatoren schwierig macht, dem Anspruch gerecht zu werden. Es bleibt abzuwarten, wer die Lücke füllt und wie IMG zukünftig auftritt.

Messebesuch von der Couch?

Das Düsseldorfer Fashion Net stellt am 17. Juli das Thema „360 Grad Orderstandort – Düsseldorf implementiert neue Digitalstrategie“ vor. Eine virtuelle Lösung mittels VR-Brille und 360-Grad-Technik ist sicher ein gutes Tool, um zu rekapitulieren und die vielen Eindrücke der Standbesuche zu sortieren. Die PANORAMA DIGITAL oder e-PITTI sind bereits gut gemachte Angebote; die Messen sind allgemein bereits auf einem guten Weg. Aber diese virtuelle Lösung ist in meinen Augen kein Ersatz, da sich die menschliche Komponente, die Haptik und Anmutung der Textilien sowie der Spirit vor Ort nicht digitalisieren lassen.