Alles hat seinen Preis, oder?

Editorial

Markus Oess, ©FT

Umsatz um jeden Preis? Der Textilhandel lebt von Emotionen. Die Klamotte soll ansprechen und bestenfalls mit der klaren Botschaft „Kauf mich“ den Kunden ins Herz treffen. So weit, so gut. Doch leider sieht die Realität anders aus. Langweilige Sortimente, Angebotsüberhänge und aggressive Wettbewerber kennen nur eine Sprache: Der Preis sendet diese Botschaft und nicht das Produkt selbst. Und da schwingen oft Misstöne mit. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber wann ist ein Preis fair?

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Dass Handel und Industrie darüber im Zweifel unterschiedlicher Meinung sind, liegt in der Natur der Sache. Aber ganz so einfach ist es dann nicht, denn abseits von Kartellfragen ist klar, dass nicht nur Handel und Industrie die Wertschöpfungskette bestimmen, sondern auch Rohstoffe und die Produktion. Und da sind sich beide Parteien wiederum einig, dass im Grunde der Verbraucher die höheren Kosten zu bezahlen hätte.

Allerdings ist auch dann nicht gewährleistet, dass es in den Produktions- beziehungsweise Erzeugerländern fair zugeht. Wenn windige Agenten oder raffgierige Fabrikanten vor Ort das meiste Geld abfischen, kann der Verbraucher das nicht direkt verhindern, aber er kann für grundsätzliche, langfristige Veränderungen sorgen, wenn er sich bewusst für nachhaltige Mode entscheidet. Anders sieht es bei den Herstellern aus, die schließlich Ihre Verantwortung nicht am Fabriktor abgeben können. Es ist Zeit, über eine gerechtere Verteilung der Margen nachzudenken. ARMEDANGELS als Hersteller geht diesen Weg auf Industrieseite ziemlich konsequent. Sicher wären Veränderungen im großen Stil gut, aber wenn es nicht anders geht, müssen kleine Schritte eben genügen. Greenality aufseiten des Handels (nicht alle Internetanbieter sind marktschädigend). Und die Zahl der Männer, die hinterfragen, woher ihre Kleidung kommt, nimmt zu.

Der Markt regelt dann doch nicht alles, besonders dann, wenn die Akteure mit Modellen arbeiten, die ihre Blütezeit hinter sich haben. GALERIA KAUFHOF wackelt und es ist nur schwerlich vorstellbar, dass ein Konzern in dieser Größe im Blindflug in die Illiquidität segelt. Plötzlich ist die Kreditversicherung weg und alle schauen verdutzt. Ausgerechnet der vermeintlich kräftigere der beiden verbleibenden Warenhauskonzerne in Deutschland offenbart Schwächen in der Umsetzung seiner Zukunftsstrategie und es beschleicht einen das Gefühl, dass nicht immer für alle Beteiligten der Fortbestand des Unternehmens die oberste Handlungsmaxime postuliert.

Die Anfänge von KAUFHOF reichen bis ins Jahr 1879 zurück, als Leonhard Tietz in Stralsund einen Laden für Garne, Knöpfe, Stoffe und Wollwaren eröffnete. Deutlich jünger ist die Geschichte von bubeundkönig aus Nürnberg. Die drei Betreiber haben ihren Store im Oktober 2013 aufgemacht, mit dem Vorhaben, jeden Kunden modisch zum Edelmann zu machen. Mit zeitloser Kleidung, die durchaus nicht günstig ist, aber preiswert. Ein sehenswerter Laden.

Aber hier und da überholt die Zeit den Markt und plötzlich finden sich Akteure im Mainstream wieder, die ausgerechnet da nicht hinwollten. Die Streetwear wird vom Kommerz vereinnahmt. Werden jetzt die Subkulturen der vergangenen Jahrzehnte ihrer Identität beraubt? Manche glauben das, andere lassen diese Diskussion nicht gelten. Zu Recht. Was zählt, ist die eigene Verantwortung. Und die beginnt im eigenen Kopf, nicht mit dem Handeln Dritter. Man muss nicht um jeden Preis Umsatz machen.

Ihr

Markus Oess