Kruzifix trifft Kopftuch trifft Veganismus

Kommentar

Tays Jennifer Köper-Kelemen

Autor: Tays Jennifer Köper-Kelemen

Mode und Religion – geht das eigentlich legitim zusammen? Eine Frage, die sich in unseren politisch sehr bewegten und von extremistischen Anschlägen geprägten Zeiten geradezu aufdrängt. Ob man sich Catwalk-Bilder der jüngst vergangenen Schauen ansieht oder ein Hochglanzmagazin mit kunstvoll inszenierten Motiven von Werbekampagnen durchblättert – nicht selten springen dem Betrachter religiöse Elemente und Darstellungen entgegen. So schickte Rick Owens seine Models bereits als Nonnen auf den Laufsteg. Bei DOLCE & GABBANA gehören Kruzifixe quasi zur DNA des Labels, nichtsdestotrotz erregte das Label auch mit einer Kollektion für muslimische Frauen viel Aufsehen. Auch VERSACE integrierte das christliche Symbol recht plakativ in die Kollektion Frühling/Sommer 2018. Der nepalesische Modeschöpfer Prabal Gurung ließ gar schon buddhistische Mönche in seiner Show singen. Apropos Musik: Was in der Mode Gemüter erregt, hat auch in der Musikindustrie „Tradition“.

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Unvergessen ist wohl Madonnas Musikclip zum Song „Like a Prayer“, in welchem sie mit einem Priester in Aktion tritt. Ebenso in Erinnerung sind George Michael, The Cranberries und Guns N’ Roses mit ihren Videos zu den Hits „Jesus to a Child“, „Zombie“ sowie „November Rain“, die in Kirchen abgedreht wurden. Als eines der jüngsten Beispiele darf wohl die Sängerin Beyoncé herhalten, die sich während ihrer Schwangerschaft für ihre Fangemeinde in einem Social-Media-Posting als Marien-Ikone präsentierte. Sinn und Zweck dahinter? Vielleicht wollen Designer sowie Künstler ernst gemeint eine Message vermitteln, vielleicht aber auch einfach nur für Medienaufmerksamkeit sorgen. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. So genau erschließt sich dies oftmals nicht.

Fest steht: Von grenzüberschreitenden Inszenierungen geht eine außergewöhnliche Strahlkraft aus. Religion ist ein sehr persönliches, auch heute teils noch von Tabus besetztes Sujet. Es scheint nur natürlich, dass sich Menschen damit auseinandersetzen, diskutieren und provozieren. Zumal der Begriff Religion heutzutage wohl weiter gefasst werden kann, als man eingangs denken würde. Unlängst ging es nicht nur einfach um Weltreligionen wie das Christentum, den Islam oder Buddhismus. Es macht nicht selten den Anschein, als hätten selbst bestimmte Lebensweisen den Stellenwert einer Religion erreicht. Ob vegane Ernährung oder Low-Carb-Fitness – es haben sich regelrechte „Gemeinden“ um Lifestyle-Themen gebildet.

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Das Leben einer Religion, einer expliziten Gesinnung oder Lebensorientierung, liegt offenbar ganz am Puls der Zeit. Sinnfragen und ihre Antworten beschränken sich nicht mehr allein auf die geistliche Welt, sondern fokussieren zunehmend das Hier und Jetzt, der Mensch begreift sich mehr und mehr als selbstverantwortliches Wesen. So ist es schlussendlich unumgänglich, dass sich Mode so sehr mit dem Thema beschäftigt – aus welchen Gründen auch immer. Denn wenn sich nicht Mode mit Zeitgeist auskennt, wer dann?