Ein Gespräch über Ware, Werte und den Weg zur Lifestyle-Marke
Was dem einen das Palomino-Pferd, ist dem andern die Jeans mit der Nummer. Die Marke PIONEER von ahlers ist jetzt seit 1977 am Markt und sie ist, wie die Manager in Herford gern betonen, eine Perle. Ein solides, rentables Geschäft, das heute zu den Kernaktivitäten des Konzerns gehört. FT sprach mit Markenchef Peter Kelzenberg und ahlers-Vorstand Götz Borchert über Ware, Werte und den Weg zur Lifestyle-Marke – und natürlich auch über die Nummer. PIONEER könne Jeans und Menswear, sagen die Manager. Wie PIONEER fast schon unbemerkt zur Ertragssäule der Ahlers AG wurde und was die Herforder mit der Marke planen.
FT: Herr Kelzenberg, haben Sie noch PADDOCK’S oder EDWIN Jeans im Schrank?
Peter Kelzenberg: „Bis auf ein paar Sammlerexemplare von EDWIN nicht. Ich bin ein Produktmann und mein Produkt heißt PIONEER.“
Hat die Jeans mit der Nummer eine Zukunft? Andere Unternehmen beleben ja immer wieder mal alte Kampagnen beziehungsweise Werbe-Ideen.
Kelzenberg: „Wir haben die Nummer nie ganz aufgegeben. Sie finden sie zum Beispiel noch in der Produktausstattung wie Hangtags, Backcard und Etiketten. Aber marketingtechnisch steht die Nummer nicht im Fokus.“
Götz Borchert: „Wenn wir die Nummer wieder auspacken, dann richtig. Im Augenblick sehen wir das aber nicht.“
Was hat denn Zukunft bei PIONEER?
Borchert: „Das Produkt. Klingt einfach, ist aber genau so gemeint. Seit 40 Jahren gibt es jetzt die Marke schon und sie gehört zu den margenstärksten Labels im Konzern. Gerade in den zurückliegenden drei Jahren sind wir stark gewachsen und das in einem Wettbewerbsumfeld, das stark preisgetrieben ist. Heute zählt PIONEER zu den Kernaktivitäten der Ahlers AG.“
Kelzenberg: „Wir haben inzwischen auch das Sortiment deutlich erweitert. Denim bleibt der Kern der Marke, aber Flachgewebe war seit jeher auch ein wesentlicher Bestandteil der Marke. Wir haben die Produktpalette bei den Oberteilen stark erweitert und vollziehen ein schrittweises Trading-up.“
Sie sind jetzt seit November 2007 an der Spitze der Marke. In welchem Zustand haben Sie die Marke vorgefunden?
Kelzenberg: „PIONEER war immer schon sehr rentabel. Die Markenbekanntheit war da. Allerdings wurden andere Preislagen bedient. Früher bewegten wir und bei 49 bis 59 Euro in der Stammabteilung. Heute liegen wir eher zwischen 69 Euro und 89 Euro. Dafür haben wir auch sehr viel ins Produkt investiert.“
Borchert: „PIONEER war auch unter dem damaligen Geschäftsführer Bruno Leder sehr solide. Sein Amt als Vorstand Beschaffung und Logistik verlangte aber volle Aufmerksamkeit, sodass wir für PIONEER einen neuen Geschäftsführer suchen mussten. Unter Herrn Kelzenberg hat sich PIONEER von einer Industrie- zu einer Lifestyle-Marke entwickelt.“
Herr Kelzenberg, was war Ihre erste Amtshandlung damals?
Kelzenberg: „Ich habe die Produktpalette neu in die drei Linien, Basic, Authentic und Selected strukturiert. Heute haben wir fünf Linien und Handcrafted sowie TAILOR MADE neu eingeführt.“
Wo steht PIONEER heute?
Borchert: „PIONEER bewegt sich zwischen zwei Welten und schlägt die Brücke von einem klassischen Jeanser zur Menswear. Wir können neben Wrangler und MUSTANG genauso gut bestehen wie neben BRAX oder GARDEUR.“
Kelzenberg: „Wir haben eine eigene PIONEER-Produktfamilie aufgebaut, die flächenfähig ist. Firmen wie KAUFHOF, KARSTADT oder ADLER und MODEPARK RÖTHER setzen unsere Flächenkonzepte mit gutem Erfolg ein. Wir sind vielleicht nicht die ‚Sexiest Brand Alive‘, aber die Marke, mit der der Handel gutes Geld verdient.“
Borchert: „Und das langfristig, PIONEER ist keine Eintagsfliege.“
PIONEER steht nun nicht an der Spitze der modischen Bewegung. Wie würden Sie den typischen Käufer einer PIONEER-Jeans beschreiben?
Kelzenberg: „Das stimmt natürlich. Unser Endkunde ist der Mann, der bevorzugt im mittelmodischen Segment zu Hause ist, der sich qualitätsbewusst und stilsicher kleiden will. Ein typischer Wiederkäufer. Wir haben uns auf wenige wichtige Modelle konzentriert. Sie müssen wissen, dass wir mit Rando sogar größtenteils nur ein Hosenmodell verkaufen. KAUFHOF zum Beispiel setzt ausschließlich auf dieses Modell. Und wir machen mit KAUFHOF wirklich hohe Umsätze. Wir produzieren überwiegend selbst und haben uns produktseitig eine hohe Kompetenz aufgebaut. Das zahlt sich aus.“
Kaufen Sie auch zu?
Kelzenberg: „Wenig, das bewegt sich gemessen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich des Programms.“
Wie wird denn PIONEER werblich strategisch aufgebaut?
Borchert: „Wir setzen in erster Linie auf den PoS und die Präsenz der Marke auf der Fläche. Wir geben lieber Geld für Handelsaktionen aus als für Endverbraucherwerbung, denn wenn Sie bei der Endverbraucherwerbung sichtbare Erfolge haben wollen, müssen Sie viel Geld in die Hand nehmen und das dauerhaft.“
Kelzenberg: „Das Produkt muss stimmen wie auch die Leistungsfähigkeit auf der Fläche. Hierauf konzentrieren wir uns auch künftig. PIONEER soll als Lifestyle-Marke mit Schwerpunkt Denim auf der Fläche erlebbar bleiben. Wir bauen das Programm kontinuierlich aus. So werden wir zur kommenden Herbst/Winter-Saison erstmals auch mit Sakkos und Kurzmänteln starten und integrieren die Jacken in ein Outdoorprogramm.“
Wie sieht das Programm aus?
Kelzenberg: „Wir starten mit fünf bis sechs Sakkos und ein, zwei Mänteln, dazu eben Jacken und Westen. Preislich wird sich die Kollektion an dem bestehenden Sortiment orientieren.“
Im vergangenen Jahr wurden im Zuge der Einstellung von Gin Tonic die Segmente „Jeans & Workwear“ und „Men’s & Sportswear“ zu „Jeans, Casual & Workwear“ zusammengefasst. Bezogen auf die fortgeführten Aktivitäten stieg dagegen der Umsatz des Segments um 4,3 Prozent. Wesentliche Ursache für das Umsatzplus war die gute Entwicklung von PIONEER Jeans mit einem Umsatzwachstum von 8 Prozent bei Hosen und Oberteilen. Was haben Sie hier verändert?
Borchert: „Wie gesagt, wir haben uns kontinuierlich in höhere Preislagen hineingearbeitet und das Sortiment ausgebaut. Heute können wir problemlos Preislagen von sogar 89 Euro aufrufen. Seit drei Saisons machen wir das mit unserer Linie Handcrafted und wir werden schon in Kürze den nächsten Schritt gehen. Mehr möchte ich dazu aber noch nicht sagen.“
Haben Sie eigentlich viele Gin-Tonic-Kunden rüberziehen können?
Kelzenberg: „Sicher haben wir viele Kunden, die PIONEER und Gin Tonic geführt hatten, insbesondere in Ostdeutschland. Aber letztlich sehen wir PIONEER als eigenständige Marke.“
Inwiefern hat sich die Aufgabe von Gin Tonic auf das Sortiment ausgewirkt? Sie haben den Bereich der Oberteile ja ausgebaut.
Borchert: „Der Ausbau des Programms ist im Grunde unabhängig davon erfolgt. Gin Tonic war Gin Tonic und PIONEER sauber definiert PIONEER. Der Impuls kam aus der Marke PIONEER selbst.“
Mit den Veränderungen ist das Team auch größer geworden?
Kelzenberg: „Ja, wir haben für den Bereich das Team von zwei auf jetzt fünf neue Mitarbeiter aufgestockt. Heute haben die Oberteile ein anderes Gewicht im Sortiment, wir produzieren auch T-Shirts, Hemden und Strick. Und wir haben den Modegrad erhöht.“
Wie ist das Label distribuiert?
Borchert: „Wir beliefern mehr als 1.000 Verkaufspunkte in Deutschland. Insgesamt kommen wir auf mehr als 500 Flächenkonzepte vom Soft Shop bis hin zu Gesamtkonzepten. Wir sind gerade dabei, ein neues Flächenkonzept auszurollen. Wir wissen, 80 Prozent der Männer im Laden haben sich noch nicht entschieden, welche Marke sie kaufen werden. Das müssen wir für uns ausnutzen: Verlässlichkeit im Produkt und ein richtiges Infotainment auf der Fläche. Inklusive einer ehrlichen Flächenleistung. Das ist eben das zukünftige ‚Feel Good‘-Erlebnis.“
Wie sieht ihr Sales Concept aus?
Kelzenberg: „PIONEER bietet über das Sales Concept eine große Anzahl an NOS und Seasonal NOS Artikeln an. Beide Bereiche bieten auch das Thema Megaflex in großer Auswahl an und der Modegrad der Lagerware ist in den letzten Saisons deutlich gestiegen. PIONEER geht hier stark ins Risiko, um den Ansprüchen seiner Kunden gerecht zu werden. Wir leben Partnerschaft und übernehmen über verschiedene Vertriebskonzepte Verantwortung für den partnerschaftlichen Erfolg. Austauschrechte, Abschriftenbeteiligungen, Merchandising und Ladenbau sind nur einige Punkte die PIONEER zum gemeinsamen Erfolg beisteuert.“
Seit Jahren haben Sie kontinuierlich an der Verbreiterung der vertrieblichen Präsenz im deutschen Fachhandel gearbeitet. Sehen Sie denn noch Potenzial für Neukunden? Schließlich ist die Marke nun seit 1977 auf dem Markt.
Borchert: „Sicher wollen wir vor allem mit Bestandskunden wachsen, das tun wir auch, aber wir haben natürlich noch den einen oder anderen Händler auf der Liste, den wir gewinnen wollen. Ich freue mich über jeden Kunden, der mit PIONEER seine Hosenkompetenz im Allgemeinen erweitern will.“
Wie sieht es mit dem Ausland aus?
Kelzenberg: „Aus der Position eines starken Heimmarktes sehen wir im Ausland natürlich große Wachstumschancen. Wir bewegen uns hier noch in ruhigem Fahrwasser, vor allem in Süd- und Osteuropa. Auch Österreich und die Schweiz sind in dem Zusammenhang ein Thema. Speziell im Ausland ist es ein People-Business. Wir brauchen auch die richtigen Leute.“
Borchert: „In Deutschland setzen wir auf den Fachhandel, aber im Ausland sieht das etwas anders aus. Neben dem Wholesale denken wir in Polen ganz konkret über ein eigenes Retailkonzept nach. Die Marke ist inzwischen so weit, diesen Weg zu gehen. Aktuell entwickeln wir ein Franchise-Konzept für Polen, wo wir mit Ahlers-Poland Marktführer im Segment Menswear sind. Bis 2020 haben wir uns dort mindestens fünf Stores vorgenommen.“
Das Marktsegment ist ja nun nicht ganz einfach, im ersten Halbjahr steht aber ein Umsatzplus von 3 Prozent. Wie läuft es derzeit?
Kelzenberg: „Aus der zurückliegenden Order kommen wir wahrscheinlich mit einem Pari oder kleinem Plus heraus. Aus dem Gesamtjahr werden wir erneut mit einem Umsatzplus herausgehen.“
Woher kommt das Wachstum aktuell?
Kelzenberg: „Die höheren Durchschnittspreise helfen. Aber auch die Oberteile. Gut gehen hochelastische Produkte, also Megaflex. Stark abverkauft wird außerdem unser saisonales NOS, das inzwischen 20 bis 25 Prozent vom Umsatz ausmacht. Außerdem hat die Linie Handcrafted zusätzliche Umsätze gebracht.“
Ist PIONEER auch eine digitale Marke?
Borchert: „In der digitalen Welt haben wir noch einen gewissen Nachholbedarf. Aber erst in einem zweiten oder dritten Schritt. Wir arbeiten behutsam und lassen uns nicht treiben. Gerade aktuell sollte man seine eigentlichen Kernkompetenzen kennen und diese konsequent verbessern, also Produkt und Flächenfähigkeit haben weiterhin absoluten Vorrang. Aber wir sehen auch, dass wir die Marke noch stärker emotional aufladen müssen. Wir sind hier auf der Suche nach wirklich engagierten 360-Grad-Agenturen. Auch hier suchen wir den richtigen Partner, der solide und klar definiert Inhalt und Technik verbindet. Besonders im Agenturbereich gibt es eine riesige Blase, deren Platzen wir abwarten, um endlich mit Machern zu sprechen.“