Neue Songs gegen altes Image – Rapper pushen Traditionsmarken

Luxusmarkt

Rap Star A$AP Rocky schlägt Brücken zwischen Luxusmode, Streetwear und Hip-Hop-Kultur. (© A$AP Rocky by Dexter Navy)

Autorin: Nina Peter

News über Kollaborationen aus Hip-Hop-Musikern und traditionellen High Fashion Brands haben sich in den letzten Jahren deutlich gehäuft. Rapper sind zu den einflussreichsten Markenbotschaftern geworden und das insbesondere für den Luxusmarkt.

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Erst vor wenigen Tagen wurde die Kooperation zwischen VERSACE und dem Rapper 2 Chainz bekannt. Der US-Amerikaner designte zwei Sneaker-Modelle unter dem Namen „Chain Reaction“ für das Luxushaus, die bei der aktuellen Modewoche in Mailand präsentiert wurden. News über derartige Kollaborationen aus Hip-Hop-Musikern und traditionellen High Fashion Brands haben sich in den letzten Jahren deutlich gehäuft. Rapper sind zu den einflussreichsten Markenbotschaftern geworden und das – neben den vielen bekannten Sportmarken-Kooperationen – insbesondere für den Luxusmarkt. 2016 produzierte Kanye West das Musikvideo für seinen Song „Wolves“ als Kampagne für BALMAIN – mit von der Partie waren Superstars wie seine Frau Kim Kardashian und Model Cindy Crawford. Der Track ging viral, auf YouTube wurde er rund 22 Millionen Mal aufgerufen. Zu den Pionieren auf dem Collabs-Gebiet gehört unbestritten auch Designer Alexander Wang, einer der jüngsten und innovativsten Modeschöpfer unserer Zeit.

Der neue Fashion-Liebling A$AP Rocky  

Als eine der aktuell gefragtesten Stilikonen auf diesem Terrain gilt der 29-jährige Rapper A$AP Rocky, der das erste schwarze Gesicht der Dior-Homme-Kampagne wurde. Der Musiker arbeitete bereits mit JW Anderson und GUESS zusammen, modelte für DKNY und bereichert bei zahlreichen Fashion Shows regelmäßig die Front Rows mit seinen neuesten, unkonventionellen Outfit-Kreationen. Welchen Status der Rapper als Modeleitbild hat, zeigte sich 2014, als er in seinem Song „Multiply“ kundtat, dass er kein Fan der Streetwear-Marke HOOD BY AIR mehr sei. Kurz nach dem Release verhökerten zahlreiche A$AP-Anhänger ihre Klamotten des Labels bei ebay. Eine persönliche Hommage an Designer Raf Simons ist sein 2017 erschienener Song „RAF“. Seine bekanntesten Style Images zeigen unverkennbar, dass er eine große Vorliebe für Kreationen aus dem Hause GUCCI hat. Das Magazin Forbes bezeichnete ihn 2016 als „Hip-Hop’s New Fashion Mogul“ und die Bilder seiner Looks überströmen zahlreiche Blogs und Magazine. Mit seinen sieben Millionen Fans hat er allein auf Instagram eine beachtliche Reichweite. Sein Stil, der lässige Streetwear mit High Fashion auf coole Weise vereint, klassische Grenzen zwischen Geschlechtern aufbricht und sich nahezu täglich neu erfindet, macht ihn zu einer modischen Kultfigur seiner Generation. Ihm gelingt es, eine unzertrennliche Partnerschaft zwischen Hip-Hop und Mode zu schaffen und diese authentisch zu leben.

Neben ihm ist als einer der stilistisch provokantesten Rapper unserer Zeit Young Thug zu nennen, dessen Styling sich sehr an den Ikonen Prince und Michael Jackson orientiert. 2016 modelte er für die CALVIN-KLEIN-Kampagne #mycalvins in einem Look der Womenswear-Kollektion und unterstrich sein Outfit mit dem progressiven Statement „There is no such thing as gender“. Näher am modischen Zeitgeist kann man kaum sein; denn der 1970er-Jahre-Trend, der unsere aktuelle Mode bestimmt, lebt vor allem vom Aufbrechen der Grenzen zwischen Mens- und Womenswear.

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Die ungebrochene Faszination europäischer Traditionsmarken

Für den Durchbruch der Rapper in der Luxusmode ist kein Geringerer als das unglaublich geschätzte und allseits beliebte Multitalent Pharrell Williams verantwortlich. Seine Kooperationen mit LOUIS VUITTON (bereits im Jahr 2005) öffneten sehr lange verschlossene Türen. Die Hip-Hop-Szene und ihre Vertreter waren nicht immer beliebt bei den traditionellen und einflussreichen Marken. Viele von ihnen sahen diese potenziellen Markenbotschafter eher als Imagegefährdung an, wodurch sie teilweise auch den rechtzeitigen Sprung in die Moderne verpassten; denn Rap ist bereits in den 1990er-Jahren dank MTV und Co ein international relevantes Business mit großer Resonanz geworden. Gerade die ursprüngliche afroamerikanische Hip-Hop-Kultur hat von Beginn an eine sehr enge – zunächst nur einseitige – Bindung zur High Fashion, ganz anders als die Rap-Szene in Deutschland. Die Kreationen der traditionellen Luxusbrands wie beispielsweise LOUIS VUITTON, GUCCI oder CHANEL sind für erfolgreiche Rapper und ihre globale Anhängerschaft ein Statussymbol. Insbesondere die europäischen Traditionsmarken sind ein fester Bestandteil dieser Musikkultur. Wie in keinem anderen Musikgenre fließt in der Rap-Szene sehr viel Geld in teure Mode – und das haben die großen Häuser inzwischen verstanden. Rapper können durchaus für zahlreiche neue Kunden sorgen und – nicht nur das – sie leben ihre extreme Wertschätzung für Luxusmode einer ganzen Generation vor und schaffen so langfristige Begehrlichkeiten. Sie geben High Fashion ein cooles, lässiges und angesagtes Image, welches das Trendempfinden der aktuellen Generation auf den Punkt bringt und die konservative Staubwolke verpuffen lässt. Ihrer Liebe zu Logos haben wir auch die aktuelle Logomania im 90s-Stil zu verdanken.

Deutschland – Trendwende verpasst?

Ob in Texten, Musikvideos, Kampagnen, Design-Kooperationen usw. – das Marketing-Karussell ist ins Rollen gekommen und das nicht zuletzt, weil in den traditionellen Luxusbrands inzwischen sehr junge Designer aktiv sind, die mit Rap und Hip-Hop aufgewachsen sind und keine Berührungsängste mit der Szene haben. Ganz im Gegenteil, die Musikrichtung hat schon ihre eigene Jugend geprägt und zu den Berühmtheiten pflegt der ein oder andere auch ein durchaus freundschaftliches Verhältnis. Wählerisch bleibt man trotz alledem; denn nicht jeder Rapper hat diese Affinität zu Style und eine so fortschrittliche Art, mit Mode umzugehen, wie die oben genannten Künstler. Für beide Branchen ist diese derzeitige Harmonie verglichen mit der konfliktreichen Vergangenheit wahrlich ein Meilenstein. Und Deutschland? In Sachen Marketing sind die Amerikaner uns immer noch Längen voraus und es gibt hierzulande keine vergleichbaren Kooperationen. Es sind allenfalls – wenn überhaupt – zaghafte Ansätze im Sportmarkt zu erwähnen, welche allerdings eine nicht annähernd vergleichbare Relevanz und Reichweite haben. Eine verpasste Gelegenheit? Mit Sicherheit. Wer Vorreiter sein will, sollte sich dringend mit dem Thema progressive Kooperationen befassen – wird es doch über kurz oder lang auch vor Deutschland nicht haltmachen.