Alles Meta?

Social-Media-Kommunikation

„Social-Media-Kommunikation ist mit Sicherheit nicht das Allheilmittel, als das sie von Teilen unserer Branche verkauft wird. Sie ist jedoch ein immer gewichtiger werdender Teil des Marketingmixes, weil sie die Möglichkeit bietet, die Zielgruppe genau dort anzusprechen, wo sie im Netz unterwegs ist.“ Harald Oppelcz, CEO der Kölner Social Media Agentur capinio © capinio

Autor: Andreas Grüter
Immer am Puls der Zeit, immer nah dran am User – Marketing in den sozialen Netzwerken verspricht viel … und hält mitunter erstaunlich wenig. Wie man seine Kanäle passgenau auswählt und effektiv bespielt und welche Rolle Metaverse-Plattformen zukünftig im Social-Media-Game spielen können, hat uns Harald Oppelcz, seines Zeichens CEO der Kölner Social Media Agentur capinio, im Gespräch verraten.

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FT: Das Bespielen von Social-Media-Kanälen ist aus den Marketingplänen von Unternehmen längst nicht mehr wegzudenken. Zu Recht?
Harald Oppelcz: „Absolut zu Recht. Allerdings ist Social-Media-Kommunikation mit Sicherheit nicht das Allheilmittel, als das sie von Teilen unserer Branche verkauft wird. Sie ist jedoch ein immer gewichtiger werdender Teil des Marketingmixes, weil sie die Möglichkeit bietet, die Zielgruppe genau dort anzusprechen, wo sie im Netz unterwegs ist.“

Mitunter hat man den Eindruck, als würde unter der Devise ‚Dabeisein ist alles‘ gepostet. Was gilt es beim Bespielen von sozialen Netzwerken aus Expertensicht zu beachten?
„Die Wahl der richtigen Kanäle ist natürlich das A und O. Ist die Zielgruppe jung, kommt man an Snapchat, TikTok und Co wahrscheinlich nicht vorbei. Will man Ältere ansprechen, fällt die Wahl womöglich eher auf Facebook, und geht es um reine B2B-Kommunikation, bieten sich Kanäle wie LinkedIn an. Dabei stellt sich selbstverständlich aber auch die Frage, was man mit seinen Posts erreichen will. Für B2B-Unternehmen macht es beispielsweise aus Gründen der Eigenwerbung durchaus Sinn, auch auf Instagram vertreten zu sein, etwa um potenzielle Mitarbeiter anzusprechen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Interessenten nicht nur auf Unternehmenswebsites, sondern auch auf deren Social-Media-Kanälen über mögliche Arbeitgeber informieren, um einen konkreteren Eindruck davon zu bekommen, wie das Arbeiten dort aussieht.“

Wie individuell sollten Social-Media-Maßnahmen gestrickt sein? Gibt es unabhängig von Branchen Basic-Content, der dann mit maßgeschneiderten Inhalten verfeinert werden kann?
„Wir arbeiten für unsere Kunden mit verschiedenen Themenclustern. Ganz grob sind das Produktinformationen, Posts zu Neuigkeiten rund ums Unternehmen und das, was landläufig unter Infotainment läuft, also unterhaltsame Themen, die Persönlichkeit vermitteln. Das fängt dann bei den obligatorischen Weihnachtsgrüßen an und hört bei Memes häufig noch lange nicht auf. Wichtig ist, vorab genau festzulegen, wie sich ein Unternehmen nach außen hin präsentieren will. Sprich, wie lustig oder wie ernst dürfen Posts sein, wie viele und welche Informationen möchte man preisgeben, welches Wording ist adäquat und welche Bildsprache soll benutzt werden? Und diese Prämissen müssen sich dann natürlich wie ein roter Faden durch die gesamte Social-Media-Arbeit ziehen.“

„Es gibt Videokanäle, es gibt reine Businesskanäle wie LinkedIn oder Xing, es gibt Kanäle, die ausschließlich mit Bildern arbeiten, und es gibt Kanäle, die sehr textlastig sind. Hier muss man schauen, was am besten zum Produkt passt. Wir empfehlen die Fokussierung auf einen oder maximal zwei Kanäle.“

Wie weit sind Unternehmen anno 2022 in puncto Social-Media-Verständnis? Wie hoch ist der Beratungsbedarf?
„Viele Unternehmen, die frisch in die Social-Media-Kommunikation einsteigen, wissen nicht, was und wie kommuniziert werden soll. Also werden erst einmal Infos über die eigenen Produkte rausgehauen, was durchaus legitim ist und dem entspricht, was man als interessierter Laie in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten Social-Media-Kommunikation gelernt hat. Die erste Hürde ist dann die Produktdarstellung. Die Fotos müssen Social-Media-gerecht inszeniert sein, sprich, eine Schokolade sollte beispielsweise auf einem schön dekorierten Tisch liegen oder vielleicht aus einer Tasche herausschauen. Mit irgendwelchen Packshots kommt man da natürlich nicht weit. Was das Verständnis von Social Media über Unternehmens- und Produktpostings hinaus angeht, herrscht nach wie vor viel Beratungsbedarf.“

Inwiefern?
„Da geht es darum, wie man den Grad der Interaktionen aus Kanälen erhöht, darum, wie man mit Posts Reaktionen durch die User triggert, und darum, wie man User zu Followern macht. Schließlich ist es alles andere als selbstverständlich, dass ein Konsument einem Unternehmen folgt. Man folgt Freunden, Bands und vielleicht noch dem ein oder anderen Sportverein. Um als Unternehmen User für sich zu begeistern, muss man inhaltlich und visuell herausstechen.“

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Wie wichtig ist der richtige Mix der Kanäle?
„Sehr wichtig. Noch bis vor ein paar Jahren wurden Social Media quasi mit Facebook und vielleicht noch Instagram gleichgesetzt, obwohl die Ursprünge genau genommen bis zu den Blogs, Foren und Newsboards der frühen 2000er-Jahre zurückreichen. Diese Gleichung geht bei der heutigen Vielfalt der Kanäle natürlich schon längst nicht mehr auf. Es gibt Videokanäle, es gibt reine Businesskanäle wie LinkedIn oder Xing, es gibt Kanäle, die ausschließlich mit Bildern arbeiten, und es gibt Kanäle, die sehr textlastig sind. Hier muss man schauen, was am besten zum Produkt passt. Wir empfehlen die Fokussierung auf einen oder maximal zwei Kanäle.“

Lassen Sie uns über Social Media und Fashion sprechen. Welche Kanäle würden Sie warum empfehlen?
„Instagram ist so etwas wie der Platzhirsch für Social-Media-Kommunikation in der Mode-Branche. Wenn man gute Bilder und gute Storys hat und zudem mit Influencern zusammenarbeitet, kann man sich dort gut positionieren. Richtig spannend für Modelabels ist allerdings Snapchat. Snapchat arbeitet mit Augmented-Reality-Technik und wenn man als Fashion Brand dort nicht unterwegs ist, lässt man meiner Meinung nach wirklich eine Menge Potenzial liegen. Hier findet man Brillenmarken, die ihre komplette Kollektion eingestellt haben und den Usern die Möglichkeit geben, per Live Selfie alle Gestelle zu testen, Beauty Labels, deren Make-up sich in Echtzeit virtuell auftragen lässt, und natürlich auch Fashion Brands, deren neue Styles man direkt live auf dem Screen anprobieren kann. Die Verlinkung zum Online-Shop macht die Angelegenheit dann wirklich rund. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt der virtuellen Umkleidekabine ist zudem die Reduktion von Retouren. Aber auch ein Kanal wie Pinterest ist für die Fashion interessant. Man kann beispielsweise Moodboards zu Themen wie Farben oder Mustern erstellen. Die einzelnen PINs können dann über Keywords so optimiert werden, dass die Inhalte bei den passenden Suchbegriffen entsprechend angezeigt und geklickt werden.“

Mix aus Metaverse-Plattformen und Social-Media-Kanälen

Metaverse ist aktuell in aller Munde, obwohl noch niemand so recht zu wissen scheint, wo die Reise hingeht. Wissen Sie schon mehr? Wie ist Ihre Einschätzung – Revolution oder Luftnummer?
„Das ist eine wirklich spannende Geschichte. Metaverse, also das Meta-Universum, das man per Virtual-Reality-Brille betreten kann, wird irrtümlich häufig mit der Facebook-Mutter Meta gleichgesetzt. Dabei existiert dieses eine Metaverse überhaupt nicht. Stattdessen gibt es ganz verschiedene Metaverse-Anbieter. Auf AltspaceVR oder Wave, um nur zwei Beispiele zu nennen, finden die verschiedensten virtuellen Events statt. Das fängt bei Community-Meet-ups an und hört bei Gaming und interaktiven Konzerten noch lange nicht auf. Natürlich ist das alles noch Nische und ziemliche Science-Fiction, aber es tut sich hier bereits wahnsinnig viel.“

Welche Chancen bietet diese Entwicklung der Modeindustrie?
„Nun, es gab bereits im März dieses Jahres eine Metaverse Fashion Week, die über die virtuelle Plattform Decentraland lief und auf der Brands wie TOMMY HILFIGER, ETRO und ELIE SAAB ihre Kollektionen zeigten. Ein Trend, der meiner Meinung nach in Zukunft noch zunimmt. Denken Sie etwa an virtuelle Showrooms. Wie und in welcher Geschwindigkeit sich das Thema Metaverse weiterentwickeln wird und ob wir wirklich am Beginn einer echten Revolution stehen, die unser gesamtes Leben umkrempelt, ist letztendlich schwer zu sagen. Ich bin ein hochinteressierter Beobachter, möchte aber nicht zu sehr spekulieren.“

Ein Blick in die Zukunft. Wohin bewegen sich die sozialen Netzwerke?
„Ich denke, die Zukunft der sozialen Netzwerke ist ein Mix aus Metaverse-Plattformen und Social-Media-Kanälen, wie wir sie heute schon kennen. Die ganze Thematik ist aber stets für eine Menge Überraschungen gut. Sicher lässt sich jedoch sagen, dass die Zeiten, in denen Unternehmen ohne Budget für Social Media Ads erfolgreich Kanäle bearbeiten und umsonst Reichweite bekommen konnten, endgültig vorbei sind.“