Raus aus der Nische

Parasport

„Ich merke leider auch im Verein, dass das Sponsoring von Parasportlern immer noch weit hinter dem von nicht behinderten Sportlern hinterherhinkt. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man als Verein zu Wettkämpfen fährt und die Para-Athleten dann in anderen Outfits als die ‚normalen‘ Athleten an den Start gehen, weil der Ausrüstervertrag die Para-Abteilung nicht berücksichtigt." Bilder © Ilya Höpping/ Stadt Duisburg

Autor: Andreas Grüter
2023 Weitsprung-Bronze bei der Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaft, 2024 Weitsprung-Silber bei den Paralympics – die gebürtige Duisburgerin Nele Moos hat sich längst vom sportlichen Geheimtipp zu einer festen Größe im internationalen Parasport gemausert. Wir unterhielten uns mit der 24-Jährigen, die seit ihrer Geburt an einer Hemiparese, sprich einer durch Sauerstoffmangel erlittenen teilweisen Lähmung der rechten Körperhälfte, leidet, über Sponsoring, Special Needs und Änderungsschneider.

WERBUNG
An die Leistungsgrenze gehen. ©Oliver Heuser

FASHION TODAY: Hallo Nele, bevor wir zum Thema Mode kommen: Wie und wann fing die Sportbegeisterung bei dir an, wann hast du aktiv mit dem Sport angefangen und warum ausgerechnet Leichtathletik?
Nele Moos: „Ich war schon als Kind sehr aktiv. Meine Mutter hat mich immer auf dem Schulhof herumturnen sehen und mich schließlich mit sieben Jahren in einem Leichtathletik-Verein angemeldet. Ich glaube, nicht zuletzt auch, um ein bisschen Ruhe vor ihrer superaktiven Tochter zu haben. Die Leichtathletik, und hier vor allem das Laufen und Springen, hat mich sofort gepackt und abgesehen von drei Jahren Ballett habe ich auch nie eine andere Sportart ausprobiert. Irgendwann wurde ein Trainer, der Verbindungen in den Parasport hatte, auf mich aufmerksam und fragte mich, ob ich Interesse hätte, neben den normalen Wettkämpfen, an denen ich teilnahm, auch für den Parasportverband zu starten. Darüber kam der Kontakt zum TSV Bayer 04 Leverkusen zustande. Ein großer Verein, in dem wahnsinnig viele Sportarten betrieben werden und der auch eine große Parasportabteilung hat. Ich wollte einfach mal ausprobieren, mit anderen Para-Athleten zu trainieren, weil ich das bis dahin nicht kannte.“  

Du hast vorher ausschließlich mit Sportlern und Sportlerinnen ohne Handicap trainiert …?
„Ja genau, weil es einfach auch nicht so ein großes Angebot für Parasportler gab.“

Hattest du Schwierigkeiten, dich mit deiner Hemiparese leistungsmäßig durchzusetzen?
„Meistens, aber nicht immer waren die anderen etwas besser als ich. Beim Krafttraining konnte ich beispielsweise nicht so viele Liegestütze machen und beim Staffeltraining hat die Stabübergabe manchmal nicht so gut geklappt. Mir selbst ist diese Diskrepanz aber lange Zeit gar nicht allzu sehr aufgefallen, wohl auch, weil mir dieses Competition-Ding nie wichtig war. Ich war nie die Schlechteste und nie die Beste, sondern hatte einfach Spaß am Sport. Als ich dann in den Parasport eingestiegen bin, war ich mit meinen Leistungen plötzlich ganz weit vorne, was sich anfangs ziemlich komisch anfühlte, gleichzeitig aber auch ein tolles Erfolgserlebnis war. Das Gefühl, trotz meiner Einschränkung als Athletin mit Talent wahr- und ernst genommen zu werden, hat mich letztendlich dazu bewogen, beim Parasport zu bleiben und meine Ziele höherzustecken.“

Hat dich dein Handicap beim Sport eher ausgebremst oder motiviert?
„Definitiv eher motiviert. Mein Anspruch ist es, jeden Tag mein Bestes zu geben und an die Grenzen dessen zu gehen, was mit einer Hemiparese möglich ist.“

Du bist dann 2024 das erste Mal bei den Paralympics gestartet …
„Ja, ich hatte die für die Teilnahme nötige Norm erfüllt und war dann dabei. Durch meinen Wechsel von Duisburg zum TSV Bayer 04 Leverkusen im Jahr 2018 trainierte ich plötzlich mit Leuten wie Irmgard Bensusan, Markus Rehm und Johannes Floors, also den ganz Großen im deutschen Parasport. Das hat mich sehr inspiriert und definitiv geholfen, meine sportlichen Ziele nach oben zu schrauben und mich ganz darauf zu konzentrieren.“

WERBUNG

Wie sieht das Sponsoring im Parasport aus? Läuft das komplett über den Verein oder wirst du auch direkt angesprochen?
„Ich merke leider auch im Verein, dass das Sponsoring von Parasportlern immer noch weit hinter dem von nicht behinderten Sportlern hinterherhinkt. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man als Verein zu Wettkämpfen fährt und die Para-Athleten dann in anderen Outfits als die ‚normalen‘ Athleten an den Start gehen, weil der Ausrüstervertrag die Para-Abteilung nicht berücksichtigt. Aktuell werden wir daher von Newline, einem Label, das zu Hummel gehört, unterstützt. Wie wir zukünftig ausgestattet werden, steht noch nicht fest, aber es gibt wohl Gespräche mit mehreren potentiellen Ausrüstern. Als Vereinsathleten, wie auch in der Nationalmannschaft, sind wir verpflichtet, bei Wettkämpfen oder offiziellen Anlässen die Kleidung des jeweiligen Ausrüsters mit den entsprechenden Sponsorenlogos zu tragen. Sponsorings, die direkt mit meiner Person zu tun haben, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Aber wir arbeiten daran.“

Für dein Handicap benötigst du wahrscheinlich keine Special-Needs-Bekleidung. Bei vielen Parasportlern sieht das jedoch anders aus …
„Tatsächlich bin ich in der glücklichen Lage, dass bei mir nur das Thema Footwear schwierig ist, da ich aufgrund meiner Hemiparese eine Arthrose im Zehengelenk habe und daher im vorderen Schuhbereich relativ viel Platz benötige. Bei der Einkleidung für die Paralympics war aber selbst das ein Problem, da ich von mehreren zur Verfügung gestellten Schuhen nur ein Paar wirklich nutzen konnte. Andere Parasportler haben ganz andere Probleme mit ihrer Ausrüstung. Sei es, weil sie kleinwüchsig sind und ihre Proportionen nicht zur Kleidung passen, sei es, weil sie im Rollstuhl sitzen und Nähte an der Hose stören, oder sei es, weil ihnen Gliedmaßen fehlen und Hemden oder Hosen entsprechend angepasst werden müssen. Damit das Outfit dann wirklich passt, bleibt eigentlich nur der Gang zur Schneiderei. Das gehört zum Alltag im Parasport.“

Sponsoren stellen Parasportlern demnach also keine auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnittene Kleidung zur Verfügung?
„Nein, wie ich schon sagte, ist hier immer noch der Schneider gefragt. Das scheint sich aber langsam zu ändern. Zumindest wagen sich erste Brand jetzt an das Thema heran. PUMA, adidas und Zalando haben zum Beispiel nun auch ein paar adaptive Kleidungsstücke im Sortiment. Aber das ist natürlich nur ein kleiner Schritt. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.“

Was würdest du dir für den Parasport wünschen?
„Dass er endlich aus der Nische der Randsportarten herauskommt. Klar, die Paralympics werden jetzt mehr wahrgenommen, aber wer bekommt schon eine Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaft mit? Aber auch bei den Paralympics gab es viele Probleme. Wir bekamen unsere Wettkampf-Kits erst kurz vor Beginn der Spiele und konnten sie nicht mehr richtig testen, es gab zu wenig Teile, sodass wir teilweise untereinander tauschen mussten, und der Umfang der Ausrüstung entsprach nicht dem der regulären Olympia-Teilnehmer. Aber ich will nicht auf hohem Niveau meckern …“

Wie sieht dein persönlicher Modestil aus? Was geht und was geht nicht?
„Ich kleide mich gerne sowohl sportlich als auch elegant und fühle mich wohl, wenn ich gut angezogen bin. Sneakers gehen immer, vor allem Nike Air Force, weil die vorne so schön breit sind. Gar nicht gehen enge Lederhosen und Kleidung in grellen Farben.“