
Autorin: Katja VadersMitten in Rom liegt Vatikanstadt, das mit nur 0,44 Quadratkilometern kleinste Land der Welt. Der Stadtstaat ist Sitz des Papstes und Zentrum der römisch-katholischen Kirche, die Amtssprachen der 882 Einwohner sind Italienisch, aber auch Latein. Im Vatikan gibt es eine Tankstelle, eine Apotheke, einen Supermarkt und ein Bekleidungsgeschäft – aber was gibt es dort zu kaufen? Gehen Geistliche mit der Mode? Gibt es einen speziellen Freizeitlook für Kardinäle? Und trägt der neue Papst Leo XIV. die Gewänder seines Vorgängers Franziskus auf? FASHION TODAY fragte Dr. Mario Galgano, Historiker, Buchautor, Journalist und Redakteur für Vatican News sowie Hörfunkmoderator und Nachrichtensprecher bei Radio Vatikan, nach seiner Einschätzung.
FASHION TODAY: Signore Galgano, Sie arbeiten für Vatican News und Radio Vatikan. Was steckt hinter diesen Medien und wie läuft die Berichterstattung?
Dr. Mario Galgano: „Vatican News ist das Online-Portal von Radio Vatikan, das seit 1931 auf Sendung ist und seit den 1930er-Jahren auch auf Deutsch sendet. Wir sind der öffentlich-rechtliche Sender des Vatikanstaates und unser Schwerpunkt liegt auf den News aus dem Vatikan und der Welt aus vatikanischer Perspektive. Wir erläutern und erklären, was der Papst sagt, wen er trifft und welche Pläne er verfolgt.“
Ich würde gerne mit Ihnen über die Bekleidung der Geistlichen im Vatikan und überhaupt in der katholischen Kirche sprechen. Welches Konzept steht hinter klerikaler Kleidung?
„Die kirchliche Kleidung ist symbolträchtig und spiegelt die Rolle und den Status innerhalb der kirchlichen Hierarchie wider. Bischöfe und Kardinäle tragen häufig eine Mozzetta, das ist ein Schulterumhang, und einen Hut namens Zucchetto. Die Priester tragen meist eine Soutane, ein langes, schwarzes Gewand, mit weißem Chorhemd und Stola. Auch Diakone und Nonnen haben spezifische Gewänder, meist als Zeichen ihrer Weihe und Hingabe. Die Kleidung dient also sowohl der Kennzeichnung ihrer Stellung als auch als Zeichen von Demut und Distanz zur materiellen Welt.“
Ist klerikale Mode dennoch zumindest zu einem gewissen Grad auch dem Zeitgeist unterworfen?
„Die kirchliche Kleidung folgt traditionellen und strengen Regeln, kann aber auch durch zeitliche Entwicklungen beeinflusst werden. Die klerikale Mode wird weniger direkt vom Zeitgeist beeinflusst als vielmehr von traditionellen kirchlichen Vorgaben. Allerdings gibt es Anpassungen, die von Schneidern wie Filippo Sorcinelli (er hat sein Geschäft in Rom und fertigt Gewänder für Päpste, Kardinäle und Priester, Anm. der Autorin) geprägt werden. In einem Interview betonte er, dass ein liturgisches Gewand eine ,Fortsetzung des Glaubens‘ sei: ,Vor allem meines persönlichen Glaubens. Das vergessen viele meiner Kollegen und schaffen am Ende theatralische Kostüme. Die sind wunderschön, aber unangemessen.‘ Diese Aussage verdeutlicht, dass die Mode innerhalb der Kirche eine tiefe spirituelle Bedeutung hat, auch wenn sie vereinzelt ästhetisch modernisiert wird.“
Ich nehme an, dass diese aufwendigen Gewänder vor allem zu den Messen und zu offiziellen Anlässen getragen werden. Was ziehen hohe Geistliche in ihrer Freizeit an?
„Das variiert, aber Standard ist ein schwarzes Hemd mit weißem Kollar.“
Kommen wir zurück zur klerikalen „Dienstkleidung“. Ist diese immer eine individuelle Maßanfertigung? Oder trägt Leo XIV. die Gewänder von Franziskus auf?
„Die liturgische Kleidung von Papst Leo XIV. wird überwiegend von Filippo Sorcinelli gefertigt. Sie wird also individuell angefertigt. Bereits in der Priester-Ausbildung wird die Bedeutung der Kleidung betont. Papst Leo XIV. ist zudem Ordensmann, daher trägt er den Habit, die typische Kleidung von Ordensleuten.“
Tragen Päpste denn auch Accessoires, die sie sich selbst aussuchen und die keinen klerikalen Hintergrund haben? Als Beispiel fallen mir hier natürlich sofort die roten Schuhe von Papst Benedikt ein, die ja so etwas wie sein Markenzeichen waren. Hatten andere Päpste ähnliche modische Vorlieben? Und was ist in diesem Zusammenhang erlaubt und wo sind die Grenzen für den Klerus, was Individualität in der Mode angeht?
„Wie ich in meinem Buch ,100 Irrtümer über Papst Benedikt XVI.‘ schrieb, waren seine roten Schuhe nicht von PRADA, sondern von einem chilenischen Schuhmacher, der übrigens mein Nachbar ist. Benedikt trug sie, weil sie ihm geschenkt wurden, nicht, weil er sie gezielt auswählte. Papst Franziskus hingegen hielt seine schwarzen, zum Teil geflickten Lederschuhe bis zum Schluss bei, weil er sie als passend für sich empfand. Grundsätzlich tragen Päpste und Kardinäle meist das, was ihnen zur Verfügung gestellt wird, und nicht unbedingt, was sie aktiv auswählen.“
Im Juli erscheint Ihr neues Buch, das Sie über den neuen Papst geschrieben haben. Wer ist Leo XIV., was macht ihn aus und was erwartet uns in seiner Amtszeit?
„Er ist der erste in den USA geborene Papst der Geschichte, mit tiefen Wurzeln in Lateinamerika. Robert Francis Prevost, Ordensmann, Missionar, Bischof und Kurienleiter, wurde zum Nachfolger Petri gewählt. In meinem Buch zeichne ich ein facettenreiches Porträt dieses außergewöhnlichen Kirchenmannes, der nach zwei Jahrzehnten pastoraler Arbeit in Peru, einer Leitungsfunktion im Augustinerorden und zuletzt als Präfekt des Bischofsdikasteriums auf den Stuhl Petri gelangte.
Mit journalistischem Gespür und spirituellem Tiefgang beleuchte ich seine Herkunft, theologischen Überzeugungen und ersten Gesten als Papst. Er wird wohl die sozialen und innerkirchlichen Herausforderungen aufgreifen, die seine Wahl in dieser Zeit des Umbruchs besonders bedeutend machen. Leo XIV. wird nicht nur Brücken zwischen Nord und Süd schlagen, sondern auch die Kirche neu für die Zeichen der Zeit öffnen. Und vor allem wird er versuchen, als Friedenspapst zu agieren.“
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Mario Galgano ist seit 2006 Redakteur bei der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan und Vatikan-Berichterstatter der Katholischen SonntagsZeitung. Er studierte Geschichte, Journalismus und Romanistikan der Universität Fribourg, wo er auch promovierte. Von 2004 bis 2006 war er Pressesprecher der Schweizer Bischofskonferenz. Zudem ist er Autor von „100 Irrtümer über Papst Benedikt XVI.“ (2008) und „Franziskus. Der Papst vom anderen Ende der Welt“ (2013). Sein neues Buch über Papst Leo XIV. bietet ein spannendes Porträt über den neuen Pontifex und seine Mission für die Kirche. Mario Galgano ist verheiratet und hat zwei Töchter.