„Erlebnis pro Quadratmeter“

KATAG-Cheftagung

„2024 war ein ordentliches Jahr für uns. Wir hatten aber auch realistische Erwartungen daran geknüpft. Auch die KATAG-Häuser hatten eine gute Chance, Geld zu verdienen." Dr. Daniel Terberger, KATAG Alle Bilder ©BrauerPhotos O.Walterscheid

Autor: Markus Oess
KATAG-Vorstand Dr. Daniel Terberger sieht den mittelständischen Handel in der Pflicht, seine Stärken neu auszuspielen. Im FASHION-TODAY-Interview spricht er über Zuversicht in schwierigen Zeiten, Erwartungen an die neue Bundesregierung und die strategische Ausrichtung der KATAG in einem herausfordernden Marktumfeld.

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KATAG-Chef Dr. Daniel Terberger nutzte die 70. Cheftagung der Verbundgruppe einmal mehr, um über Perspektiven und Herausforderungen der kommenden Monate zu sprechen. Für ihn steht fest: „Die alten Zeiten sind vorbei.“ Es brauche neue Wege, klare Haltung und den Willen, Veränderung aktiv zu gestalten. Trotz geopolitischer Krisen und wirtschaftlicher Unsicherheit gebe es Anlass zur Zuversicht. Europa wachse zusammen und auch in Deutschland könne es mit der neuen Regierung vorangehen – vorausgesetzt, die angekündigten Entlastungen für die Wirtschaft und Investitionen in die Infrastruktur werden konsequent umgesetzt.

Der mittelständische Handel müsse flexibel bleiben, aber es gebe kein allgemeingültiges Rezept. Entscheidend sei, was vor Ort passiere. „Erlebnis pro Quadratmeter“ statt „Umsatz pro Quadratmeter“ sei die neue Zielgröße. Kundennähe, persönliche Beratung und ein gutes Sortiment seien die Stärken des stationären Handels – und daran müsse man anknüpfen. Das gelte auch für die KATAG selbst im Verhältnis zu ihren Mitgliedern. „Ich glaube an den Aufschwung in den nächsten Monaten“, sagt Terberger.

FASHION TODAY: Herr Dr. Terberger, bei unserem letzten Gespräch zur Cheftagung hatten Sie mehr Vertrauen und Freiheit von der Politik eingefordert. Das war noch unter der Ampelregierung. Jetzt haben wir eine Neuauflage der GroKo. Kommen jetzt mehr Vertrauen und Freiheiten?
Dr. Daniel Terberger: „Ich bin da optimistisch. Die neue Bundesregierung hat sich Ziele gesetzt, die Wirtschaft zu stärken und diesem Land wieder zu Wachstum zu verhelfen. Die Handlungsfelder sind klar: mehr Vertrauen, mehr Freiheit und weniger Bürokratie. Wir brauchen starke Wachstumsimpulse durch Förderung und steuerliche Entlastung. Klar ist, wir können unseren Wohlstand nur halten, wenn wir wirtschaftlich prosperieren, wenn vor allem der Mittelstand als die zentrale Stütze unserer Volkswirtschaft gestärkt wird. Und da rede ich natürlich nicht nur von unserer Branche. Verlieren wir aber Wohlstand, gefährdet das die Verfasstheit unserer Demokratie. Wir erleben ja seit vielen Monaten, wie eine mittlerweile vom Bundesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zusehends Zuspruch findet. Ich bin überzeugt, das hat die neue Regierung verstanden.“

Was ist realistisch drin, etwa beim Lieferkettengesetz und der Unternehmensentlastung? Viele Stimmen halten die Ankündigungen, die Wirtschaft zu stärken, für schwammig und alle Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt.
„Wir können nicht alles den Folgegenerationen aufbürden. Wenn wir kein Geld haben für alle Maßnahmen, müssen Prioritäten gesetzt werden. Aber zum einen ist jetzt Geld nach den Beschlüssen des Bundestages unter alter Mehrheit weniger das Problem als die Frage, wofür es ausgegeben wird. Wir können uns nicht alles leisten, müssen aber alles Notwendige tun, um uns aus der Krise zu befreien. Nehmen wir das Lieferkettengesetz als Beispiel. Natürlich ist Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen für alle. Aber wir müssen die Wirtschaft stärken, sie ist der Garant unseres Wohlstands. Gefährden wir aber unseren Wohlstand, gefährden wir am Ende auch unsere Demokratie, da Wohlstand das Fundament für sozialen Frieden und gesellschaftliche Stabilität ist.“

Wie sieht es umgekehrt aus? Wie viel Freiheit und Vertrauen bringen Sie der neuen Regierung entgegen?
„Wir sollten nicht schon wieder alles zerreden und dem neuen Bundeskanzler mit seinem Kabinett die nötige Zeit geben. Die Demokratie lebt vom guten Kompromiss und der Kooperation. Zwar besteht die Union genau genommen aus zwei Parteien, aber die weltanschaulichen Unterschiede der handelnden Personen in der neuen Regierung von Union und SPD liegen nicht so weit auseinander wie bei der Ampel. Die angekündigten Maßnahmen der neuen Regierung gehen in die richtige Richtung. Nur müssen sie auch konsequent umgesetzt werden. Ich habe Geduld und Vertrauen, auch wenn beides endlich ist. Nach den ersten 100 Tagen können wir eine Bestandsaufnahme machen, um zu sehen, wo wir stehen.“

Kommen wir zur KATAG – wie läuft es aktuell für die Verbundgruppe, aber auch für die Mitgliedshäuser?
„2024 war ein ordentliches Jahr für uns. Wir hatten aber auch realistische Erwartungen daran geknüpft. Auch die KATAG-Häuser hatten eine gute Chance, Geld zu verdienen. Viele von ihnen haben diese Chance genutzt. Auch dieses Jahr wird besser, als die meisten angesichts der vielen globalen Krisen und Kriege erwarten. Wir dürfen nicht vergessen: Auch wenn Deutschland seit drei Jahren auf der Stelle tritt, können wir uns mit eigener Kraft aus dieser Lage befreien. Deutschland ist ein stabiles Land und es ist ja nicht so, dass unsere Produktivität erloschen ist – im Gegenteil. Wir sollten unsere Zukunft energisch und kraftvoll anpacken. Viele Konflikte in dieser Welt lassen sich lösen und werden gelöst werden. Wir brauchen auch wieder ein Stück Zuversicht.“

Seit September 2024 ist Henning Gerbaulet im Vorstand. Was ist bisher passiert in Bielefeld?
„Wir haben seither viele Themen angepackt, vor allem im Kernbereich der KATAG, also Ware, Produkt, Qualität, Modegrad und Preis/Leistung. Auch das Thema Daten und die darauf basierende Hochrechnung zur Bedarfsermittlung (Forecast) haben wir auf die nächste Stufe gehoben. Ich bin optimistisch für unsere Entwicklung. Henning ist aber auch auf der menschlichen Ebene ein großartiger Kollege, der auf höchstem Niveau arbeitet und uns alle im Vorstand merklich entlastet – gegenüber den Kunden, den Mitarbeitenden und den Lieferanten.“

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Wir durchleben herausfordernde Zeiten, keine Frage. Und auch die kommende Order, das Gesamtjahr werden uns vieles abverlangen. Aber ich bin mir sicher, es wird deutlich besser, als von vielen schon befürchtet.“

Gab es weitere strukturelle Veränderungen im Unternehmen, um den neuen Marktgegebenheiten zu begegnen?
„Strukturell gab es jetzt keine größeren Veränderungen. Wir sind aktuell gut aufgestellt.“

Sie wollten die Angebote der KATAG an die Mitgliedshäuser stärken. Was war damit gemeint?
„In erster Linie Ware. Wir müssen das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt und den richtigen Preisen liefern. In Zeiten, in denen generell die Profitabilität unter einem stark gewachsenen Kostendruck leidet, ist es unsere Aufgabe, die Margen wieder nach oben zu bringen und für mehr Kosteneffizienz zu sorgen.“

Neue Mitglieder zu gewinnen, dürfte aber mangels Masse nicht oben auf der Prio-Liste stehen, oder?
„Es gibt immer Wunschpartner, sei es im Handel, sei es in der Industrie.“

Sie thematisieren auch die Unternehmensnachfolge, wie ein guter Übergang auf die Nachfolgegeneration gelingen kann. Wie sieht es denn überhaupt mit den Nachfolgern aus? Viele Unternehmen bleiben in Familienhand, aber eben nicht alle. Haben wir ein Nachfolgeproblem? Und wie sieht das generell mit Führungskräften aus? Die Firmen konkurrieren ja nicht nur innerhalb der Branchen, sondern auch mit anderen Branchen, die im Kurs höher stehen als der Modehandel.
„Das Nachfolgeproblem ist natürlich auch in unserer Branche ein Thema. Aber wir haben zumindest gegenüber anderen Branchen Vorteile. Wir haben die Strukturbrüche schon hinter uns. Das hilft uns, zumindest gegenüber PORSCHE und Co Kräfte zu sammeln und uns auch gegen diese Probleme zu wappnen. Unsere Branche übt eine Faszination auf Menschen aus, die das Schöne, die Kreativität lieben und Lebensfreude genießen. Und wir sind resilienter als noch vor einigen Jahren. Gerade die jüngste Vergangenheit hat uns widerstandsfähiger gemacht, weil wir diese Krisen überstanden haben.“

Welche Lösungen haben Sie in der KATAG parat?
„Wir haben in unserem Dienstleistungsportfolio auch hierauf Antworten, etwa zur Vermittlung von potenziellen Nachfolgern und zur Unternehmensfinanzierung. Es gilt auch bei solchen Fragen, dicke Bretter zu bohren, und nicht alle Träume gehen in Erfüllung. Unser Job ist es, im Sinne unserer mittelständischen Mitgliedshäuser die Zukunft zu gestalten und so neue Wachstumsperspektiven zu eröffnen.“

Zuletzt, mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die kommende Order?
„Wir durchleben herausfordernde Zeiten, keine Frage. Und auch die kommende Order, das Gesamtjahr werden uns vieles abverlangen. Aber ich bin mir sicher, es wird deutlich besser, als von vielen schon befürchtet.“

Nummer 70 

Zur 70. KATAG-Cheftagung kamen am 27. Mai mehr als 500 Führungskräfte aus Handel, Politik und Wirtschaft im KATAG-Hauptsitz in Bielefeld zusammen. Zu den Gästen zählten Dorothee Bär, Dr. Wladimir Klitschko, Christian Lindner, Sandro Wagner, Palina Rojinski, Boris Herrmann und Barbara Meier. Die Moderation übernahm Andrea Kaiser.