
Wann hatten Sie das letzte Mal Angst? Ich meine jetzt nicht die Furcht vor Krankheit, Schmerz oder Verlust. Ich meine Angst ums Überleben. Die Angst, die hilft, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. In Deutschland müssen wir uns nicht mehr vor wilden Raubtieren schützen und auch nicht vor dem Hungertod. Bei Gott nicht. Aber wir sind verborgenen Gefahren ausgesetzt, die drohen, den sozialen Frieden zu zerstören, uns zu entsolidarisieren und schleichend ins Extreme zu rutschen.
Wenn Lügen von der AfD und in den sozialen Medien, wie die angebliche Überforderung unseres Landes durch Migration, oft genug wiederholt werden, bis sie dann doch als wahr gelten, ist das beängstigend – und wir müssen uns dagegen wehren. Deutschland befindet sich durchaus nicht in einer Notlage. Und Innenminister Alexander Dobrindt bricht geltendes Recht, wenn er die Polizei anweist, Grenzkontrollen durchzuführen und Asylsuchende abzuweisen. Mehr noch: Er weist Polizisten zum Rechtsbruch an. Und er weiß das vermutlich auch. Diese Art von Politik, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen und eigene Interessen mit einem Spiel auf Zeit durchzuboxen, macht mir Angst. Das hier ist Berlin und nicht Washington.
Auch wenn Verteilungsgerechtigkeit mit Neiddebatten gleichgesetzt wird und Steuern als Gift für unsere Volkswirtschaft verkauft werden, macht mir das Angst. Angst, dass das System der sozialen Marktwirtschaft von innen heraus zersetzt wird. Wir erleben Jahr für Jahr, dass dem Staat durch Steuerbetrug konservativ gerechnet ein Schaden in Höhe von 100 Milliarden Euro entsteht. Zum Vergleich: Der Schaden durch Sozialhilfebetrug liegt hochgegriffen bei unter 500 Millionen Euro. Betrug und Bereicherung sind zu verurteilen. Nur: Wo liegen die Quick Wins und warum passiert da eigentlich nichts – wohingegen laut über die Kürzung des Bürgergeldes fabuliert wird? Und nebenbei: Das Existenzminimum ist verfassungsrechtlich geschützt. Viel ist mit Kürzungen ohnehin nicht zu holen.
Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die verhinderte Wahl der Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin des Bundesverfassungsgerichtes. Der Thinktank Polisphere hat in einer Social-Media-Analyse Zehntausende Posts auf der Plattform X ausgewertet. Geschäftsführer Philipp Sälhoff kommt zu einem erschreckenden Ergebnis. Er schreibt auf Linkedin von einer Kampagne gegen die Juristin: „Es war ein schmerzhafter Sieg der rechten Netzwerke aus „Alternativmedien“, Influencern und ihren politischen Verbündeten, der AfD. Innerhalb weniger Tage wurde eine Kampagne durchgeführt, die ihren erfolgreichen Abschluss im Plenarsaal des Bundestags fand.“ Es macht mir Angst, dass rechte Hetze inzwischen nicht nur kritiklos hingenommen wird, sondern obendrein noch zum Erfolg führt. Und auch hier glänzt die Bundesregierung mit Ignoranz und Versagen. Es ist an der Zeit, sich gegen die ständigen Angriffe des rechten Mob zu wehren und nicht immer gleich zu rufen, das linke Spektrum sei doch genauso schlimm. Nein, ist es nicht. Und nebenbei gesagt steht die Linke auf dem Boden der Verfassung, anders als die AFD, die erkanntermaßen auch auf Bundesebene rechtsradikal verankert ist.
Wie aber umgehen in der Gesellschaft mit der Angst und der widersprüchlichen Sehnsucht, Grenzen zu durchbrechen? Márton Liszka, Berater, Keynote Speaker und ehemaliger COO des Zukunftsinstituts, gibt in einem lesenswerten Interview Antworten. Wir haben auch Luca Strehle – in der Branche bekannt durch seinen Posten als CEO von STRENESSE – gefragt, wie er es mit Grenzen hält und wie mit Mut und Risiko.
Natürlich kümmern wir uns mitten in der Order auch um die Mode selbst. Wir berichten wieder über die Trends der zurückliegenden Pitti. Wir haben mit hajo-Chef Wolfgang Müller gesprochen. Wir haben bei LES HOMMES nachgehört, was sie in Deutschland und Österreich planen. Wir haben das Führungsduo von BENVENUTO, Tristan Bolwin und Christoph Sangmeister, zu den kommenden Monaten befragt. Marco Tomasi, Designchef bei STRELLSON, gibt einen Ausblick auf die neue Kollektion. Und wir interviewen Sascha Blick zum Thema Krawatten.
Schließlich gibt Ulrike Kähler von der IGEDO einen Einblick, was Düsseldorf von ihrem neuen Format TWODAYS erwarten kann. Mit einer besonderen Modeform beschäftigt sich Filippo Sorcinelli. Er betreibt ein Atelier in Rom und fertigt seit einigen Jahren unter anderem Gewänder für Bischöfe, Kardinäle, Priester – und kleidet mit Leo XIV. bereits den dritten Papst ein. Wir haben ihn zu einem Gespräch eingeladen.
Wir schauen auch über die Grenze in die Schweiz, wo h + p hachmeister + partner ein neues Benchmark-Projekt gestartet hat. Wir blicken nach Luxemburg und auf die dortige Handelsszene – und wir stellen vier internationale Hotspots vor. Klar, der Plattentipp und das vertrauliche Gespräch beim Kaltgetränk dürfen auch diesmal nicht fehlen.
Ich wünsche Ihnen erfolgreiche Ordertage.
Ihr
Markus Oess