
Autor: Markus OessJens Beukema, Topmanager bei HIRMER, spricht im FASHION-TODAY-Interview über die Erfolgsfaktoren im Einkauf, den Mix aus Bauchgefühl und Erfahrung, den Wert von Messen – und warum er trotz aller Technik lieber auf menschliche Entscheidungen setzt.
FASHION TODAY: Wie wird man erfolgreicher Einkäufer?
Jens Beukema: „Zunächst braucht man echte Freude an Mode – an Materialien, Farben und Trends –, aber auch ein gutes Zahlenverständnis. Denn am Ende ist der Einkauf ein Balanceakt zwischen Kreativität und Wirtschaftlichkeit. Eine fundierte Ausbildung ist ebenfalls wichtig. Mir hat es sehr geholfen, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen: Ich habe bei engelhorn gelernt, war zwischenzeitlich über viele Jahre bei HIRMER, eine weitere Station bei WÖHRL – und nun bin ich seit rund fünf Jahren wieder bei HIRMER. Diese verschiedenen Perspektiven schärfen den Blick und erweitern den Horizont – heute bin ich genau da, wo ich hingehöre.“
Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, hatten Sie einen festen Plan in der Tasche?
„Mein Ziel war immer klar: erfolgreich in der Modebranche zu arbeiten. Durch meine Ausbildung bei engelhorn hatte ich früh eine Affinität zum Einkauf – das hat mich nie losgelassen.“
Haben Einkäufer von Natur aus immer ein zu kleines Budget?
„Absolut, das gehört fast schon zum Berufsbild. Wer als Einkäufer nicht für seine Themen, Ideen und Produkte kämpft, macht etwas falsch. Mit einem großen Budget einkaufen kann jeder. Entscheidend ist, mit einem begrenzten Rahmen das Beste herauszuholen – durch klare Prioritäten, Verhandlungsgeschick und ein gutes Gespür für die richtigen Produkte. Qualität statt Quantität ist hier das Stichwort.“
Wie lautet die Handlungsmaxime bei der Ausübung Ihres Berufes?
„Offen sein für Neues und sich nie auf dem Erreichten ausruhen. Die Branche ist so dynamisch, dass Stillstand automatisch Rückschritt bedeutet.“
Wie viel Bauchgefühl ist dabei und wie viel Erfahrung?
„Das ist ein Zusammenspiel. Man wächst mit jeder Saison, mit jeder Order. Anfangs verlässt man sich stärker auf Zahlen und Kollegen, später entwickelt man ein eigenes, sicheres Bauchgefühl. Aber auch das basiert auf Erfahrung – sie gibt dem Bauchgefühl erst Tiefe und Richtung.“
Lieber KI oder lieber Erfahrung plus Bauchgefühl?
„Mode lebt von Emotionen – sie muss berühren, überraschen, begeistern. Das kann KI aktuell noch nicht leisten. Die finale Entscheidung über ein Produkt sollte immer ein erfahrener Mensch mit Gespür für Trends und Zielgruppen treffen. Deshalb: ganz klar Erfahrung plus Bauchgefühl.“
Was war Ihr größter Flop, von dem Sie dachten, das Ding geht bestimmt durch die Decke?
„Das waren die ersten Stammartikel-Hemden von Stenströms. Mein damaliger Einkaufsleiter bestand auf Chambray – ich hatte Bauchschmerzen, habe mich aber nicht durchgesetzt. Rückblickend war das Material damals einfach nicht marktgängig. Kein kompletter Reinfall, aber definitiv eine lehrreiche Erfahrung.“
„Wir sollten in der Branche wieder stärker über Qualität und eine klare Preislagenstruktur nachdenken.“
Wie wichtig sind noch Messen für die Branche?
„Gerade in der HAKA ist die Pitti Uomo in Florenz ein wichtiger Gradmesser. Sie dient uns als Bestätigung für Themen, die wir vorher definiert haben. Gleichzeitig gewinnen Vorkollektionsreisen und der persönliche, enge Austausch mit unseren Lieferanten immer mehr an Bedeutung. Das schafft Tiefe und Vertrauen in der Zusammenarbeit.“
Wie sieht es mit der größten Gefahr aus, gibt es da etwas, das Sie kritisch sehen, und was ist das? Oder wenn die Frage zu weit geht, auf was können/konnten Sie leicht verzichten?
„Wir sollten in der Branche wieder stärker über Qualität und eine klare Preislagenstruktur nachdenken. Der Fokus liegt zu oft auf kurzfristigen Trends oder Events mit wenig Substanz, da ist mir ein gutes Gespräch mit dem Produzenten lieber als die zehnte Mottoparty auf einer Messe.“
Was ist die größte positive Veränderung/Innovation der zurückliegenden fünf Jahre für Ihren Beruf?
„Ganz persönlich war die größte Veränderung in den letzten Jahren die Geburt meiner Tochter. Sie ist jetzt zwei Jahre alt und schafft es jeden Tag, mich aufs Neue zu inspirieren und mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Diese Freude und Energie wirken sich auch auf meinen Beruf aus – ich sehe vieles mit frischem Blick, lasse mich schneller begeistern und nehme Herausforderungen gelassener. Das ist für mich die schönste ,Innovation‘ der letzten Jahre.“
Der Interviewpartner:
Jens Beukema ist seit Februar 2025 Prokurist bei HIRMER GROSSE GRÖSSEN und als Prokurist sowie Bereichsleiter Einkauf/Marketing bei der Hirmer GmbH & Co. KG tätig. Dort verantwortet er über mehrere Jahre Einkauf, Marketing und Eigenmarkenentwicklung. Weitere Stationen seiner Laufbahn führten ihn unter anderem zur Rudolf Wöhrl SE sowie zu engelhorn in Mannheim, wo er Einkauf, Import und Sortimentsgestaltung leitete. Beukema verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Modeeinzelhandel, davon den Großteil in leitenden Einkaufspositionen.