Kennen Sie eigentlich Michael Holm? Ein Schlagersänger der 1970er-Jahre, jenes Jahrzehnts, in dem schreiende Farben, wilde Muster, Koteletten und Milei-Frisuren – die Haarpracht des argentinischen Kettensägen-Fetischisten – das optische Geschehen der Republik dominierten. Sinnfrei waren auch viele Schlager dieser Zeit, die mit Zeilen wie „Sie gab mir alles und noch so viel mehr“ (Roberto Blanco, „In El Paso“) wahre Mysterien erzeugten. Denn was ist „mehr als alles“? Das Über-Alles? Auch Christian Anders war ein großer Interpret mit eigenem Charisma, der der Schlagerwelt ein weiteres Rätsel schenkte: „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, den es noch gestern gar nicht gab.“ Irre, oder? Nehmen wir diesen Zug als Allegorie für eine Veränderung, der einige eine Wirkmacht wie der industriellen Revolution zuschreiben – die künstliche Intelligenz, kurz KI.
Wir stehen vor einer Zukunft, die naturgemäß unsicher ist, weil niemand weiß, wie sie in der Gegenwart endet. Auch dieser Satz hätte Schlagerpotenzial. Die Möglichkeiten der KI und die Konsequenzen ihrer Anwendungen sind kaum fassbar. Man kann eher nur erahnen, auf welche Welle der Veränderung wir zusteuern, in diesem Zug nach Nirgendwo, den es gestern noch nicht gab. So weit wollen – oder können – wir uns nicht aus dem Fenster lehnen, um zu beschreiben, was die KI uns bringen mag. Aber wir werfen ein Schlaglicht auf die Branche und beleuchten, wie KI heute genutzt wird und welche Erwartungen sich daran knüpfen.
Dazu gehört eine kurze, nicht repräsentative FASHION-TODAY-Umfrage unter ausgewählten Firmenvertretern. Gefragt wurde, wie sie KI einsetzen, wo sie investieren wollen und welche Effizienzgewinne sie erwarten. Das Ergebnis: KI wird perspektivisch in allen Unternehmensbereichen eine Rolle spielen, ist aber noch weit davon entfernt, ein Gamechanger zu sein. Der Einsatz konzentriert sich auf Marketing und Vertrieb, wo Prozesse beschleunigt werden sollen. Gleichzeitig kritisieren fast alle Befragten die digitale Infrastruktur. Auch Frank Ganzasch, geschäftsführender Gesellschafter der Beratung h + p hachmeister + partner, sieht in KI vielfältige Möglichkeiten – doch es hakt an der Datenaufbereitung. Das deckt sich mit den Aussagen von Prof. Dr. Ingo Rollwagen. Der KI-Experte spricht über Chancen und Risiken einer Branche, die sich zwischen Daten, Design und Digitalisierung neu sortiert. Warum der Mensch unverzichtbar bleibt, wie sich Kompetenzen verschieben und weshalb offene Daten entscheidend sein könnten.
Wir zeigen praktische Anwendungsbeispiele im Handel und haben mit Axel Frey gesprochen. Er ist CEO der Seifert Logistics GmbH, eines Logistikunternehmens mit rund 350 Millionen Euro geplantem Umsatz für 2025, und arbeitet seit elf Monaten an einem digitalen Wissens-Zwilling des Managements. Außerdem haben wir Prof. Dr. Martin Manhembué nach Einsatzmöglichkeiten von KI auf Führungsebene gefragt. Er ist Professor für Data Science Management an der Digital Business University of Applied Sciences (DBU) in Berlin und Gründer von kaleidemoskop, einem Unternehmen für datenbasierte Strategie- und Entscheidungsberatung.
Wir waren zudem bei Dr. Martens – allerdings nicht im UK, sondern in Düsseldorf bei Christian Werner. Er hat vor zehn Jahren PICK-UP vom Gründer Henry Hoppe übernommen, der 1970 als einer der ersten Dr.-Martens-Händler der Republik einen Laden eröffnete.
Außerdem haben wir uns mit Michael Kaiser getroffen, der gemeinsam mit seinem Bruder Stefan die Kaiser Bekleidungs-Werke zu einem global agierenden Player entwickelt hat. Im Gespräch mit FASHION TODAY spricht er über die Entwicklung vom Auftragsproduzenten zum integrierten Dienstleister, über internationale Beschaffungsmärkte und die wachsende Bedeutung strategischer Partnerschaften. Kaiser erklärt, warum Flexibilität und Skalierbarkeit entscheidend sind, welche Rolle KI künftig in der Unternehmensführung spielt – und was BENVENUTO. mit Vertikalisierung zu tun hat.
In dieser Ausgabe gibt es auch wieder ein Treffen bei einem Kaltgetränk – diesmal mit Tristan Bolwin, Head of Brandmanagement bei BENVENUTO. Und damit Sie im Zug nach Nirgendwo nicht allein im musikalischen Off sitzen, gibt es wieder unseren traditionellen Plattentipp. Wir geben eben alles. Mehr geht nicht.
Ihr
Markus Oess

