
Autor: Markus OessMit rund 47.000 Unternehmen und einem Jahresumsatz von über 96 Milliarden Euro zählt die italienische Bekleidungsindustrie zu den größten Industriesektoren des Landes. Exportorientierung, wettbewerbsfähige Produktionskosten und regionale Netzwerke sichern ihre Bedeutung – auch für internationale Anbieter. Deutschland ist als größte Volkswirtschaft ein wichtiger Handelspartner. „Italien ist immer noch ein großes Textilland. Die Branche ist in dem südeuropäischen Land die Nummer drei hinter Maschinenbau und Lebensmitteln nach Umsatz und volkswirtschaftlicher Bedeutung. Damit steht die Branche noch vor den Autos“, sagt GTAI-Analyst Torsten Pauly.
Die italienische Bekleidungsindustrie zählt zu den wichtigsten Industriebranchen des Landes. Laut GTAI – GERMANY TRADE & INVEST waren im Jahr 2023 insgesamt 47.700 Unternehmen mit 461.000 Beschäftigten in der Branche tätig. Der Nettoumsatz betrug 96,1 Milliarden Euro. Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf Bekleidung, Lederwaren,,Textilien und Accessoires.
Laut dem Bericht „The Italian Textile Industry“ der Außenhandelsagentur ITA wurde 2023 ein Produktionswert von 54,6 Milliarden Euro im italienischen Textil- und Modesektor verzeichnet. Davon entfielen 41 Prozent auf den Bekleidungssektor. Die italienische Modeindustrie erzielte dabei ein Handelsplus von 12 Milliarden Euro. Die Bruttowertschöpfung der Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie lag bei rund 26,8 Milliarden Euro.
Der Sektor ist stark exportorientiert. Das Exportvolumen belief sich im Jahr 2024 auf 43,7 Milliarden Euro. Zu den wichtigsten Absatzmärkten zählen Frankreich (14,8 Prozent), Deutschland (9,5 Prozent), die USA (9,3 Prozent), China (6,6 Prozent), Spanien (5,5 Prozent) und die Schweiz (4,6 Prozent). Infolge möglicher Handelsbarrieren, etwa durch US-Zölle, prüfen Unternehmen eine stärkere Ausrichtung auf Märkte in Südostasien und im Mittleren Osten. „Im vergangenen Jahr hat die Bekleidungsindustrie 6 Prozent Umsatz verloren. Neben den globalen Krisen führt auch der Verlust der Kaufkraft der chinesischen Mittelschicht zu schmerzhaften Einschnitten. Also nehmen die Firmen im Export zunehmend den Nahen Osten, das restliche Asien und Lateinamerika ins Visier“, sagt Pauly.
„Italien bietet recht niedrige Löhne, aber immer noch reichlich Know-how und gut ausgebildete Arbeitende.“
Italien importierte 2024 Bekleidung im Wert von 28,9 Milliarden Euro, insbesondere aus China (13,9 Prozent), Spanien (10,2 Prozent), Frankreich (8,4 Prozent), den Niederlanden (7,5 Prozent) und Deutschland (7 Prozent). Frankreich fungiert zudem als wichtiger Produktionsstandort für italienische Marken internationaler Konzerne wie Kering (GUCCI, Brioni, BOTTEGA VENETA). „Nach China, das auch in Italien der größte Importeur ist, folgen mit Ländern wie Spanien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden (als Zielhafen internationaler Handelswege) Handelspartner, deren Produkte höherpreisiger sind als in Fernost. Umgekehrt stellen mit Frankreich und Deutschland zumindest zwei europäische Länder die größten Exportmärkte. Allerdings sorgen die USA, immerhin das drittgrößte Exportland, unter der Trump-Administration für viel Verunsicherung, und es ist nicht ganz klar, wohin da die Reise geht“, sagt Pauly.
Bei hohen Exportquoten bleibt Italien auch als Produktionsstandort wettbewerbsfähig. „Made in Italy“ ist ein etabliertes Qualitätsmerkmal, das international Anerkennung findet. Gleichzeitig liegen die Bruttostundenlöhne laut GTAI um rund 28 Prozent unter dem deutschen Niveau. Zu den zentralen Produktionsregionen zählen die Toskana, Venetien, die Marken und das Piemont. „Italien bietet recht niedrige Löhne, aber immer noch reichlich Know-how und gut ausgebildete Arbeitende. Außerdem steht Italien für Design wie kaum ein anderes Land: für edle Luxusautos, Yachten, Möbel und eben auch Mode“, erklärt Pauly.
Für die Jahre 2025 und 2026 prognostiziert das Institut Cerved ein reales Umsatzwachstum von 1,1 beziehungsweise 1,3 Prozent.
Dazu meldet CONFINDUSTRIA MODA für 2023 eine Umsatzsteigerung im Modedesign auf 111,7 Milliarden Euro (plus 3,2 Prozent), jedoch bei sinkenden Margen. Präsident Ercole Botto Poala spricht von der „Resilienz der Branche“ trotz globaler Unsicherheiten. Annarita Pilotti, Präsidentin 2024, warnt dagegen vor rückläufiger Nachfrage und fordert staatliche Unterstützung in Steuer- und Ausbildungsfragen sowie bei Nachhaltigkeit.
Branchenveranstaltungen wie die Pitti Uomo in Florenz und natürlich auch die Mailander Fashion Weeks sind wichtige Plattformen für Marken und Hersteller. Auch deutsche Unternehmen wie seidensticker nutzen diese Messe zur Präsentation ihrer Kollektionen. „Wir freuen uns sehr, zum mittlerweile vierten Mal Teil der Pitti Uomo sein zu dürfen“,sagt Marc Biggemann, Creative Director. „Besonders Marken mit einer klaren DNA haben in Italien aus unserer Sicht hervorragende Chancen.“ seidensticker stellte die Menswear Frühjahr/Sommer 2026 mit klassischen Silhouetten und funktionalen Elementen vor. Die Linie Studio seidensticker zeigt urbane Looks. Beide Kollektionen sind in Italien etabliert.
Die Industrie ist überwiegend mittelständisch geprägt. Viele Betriebe verfügen über langjährige Erfahrung und stabile Zulieferstrukturen. Produktionsverlagerungen sind selten, da Flexibilität und kurze Wege als Standortvorteile gelten. Regionale Cluster wie in Prato oder Treviso stärken die Wettbewerbsfähigkeit. Anders als in anderen Ländern konnten sich viele Betriebe behaupten. „Italien ist eines der wenigen westeuropäischen Länder, in denen die Bekleidung von so großer Bedeutung ist wie vor vielen Jahrzehnten“, sagt Pauly. „Das hat verschiedene Gründe. Einmal kommen viele Luxusmarken (Alta Moda) wie GUCCI oder Kiton aus dem Land, sind hier auf internationalem Top-Niveau unterwegs. Zum Zweiten punktet Italien mit Mailand und Florenz, zwei immer noch bedeutenden Hotspots in der Mode. Außerdem – das zeigt ein Blick auf die Importstatistik – geben die Italiener, ganz ähnlich wie beim Essen, auch einfach mehr Geld für Bekleidung aus.“
Laut dem Bericht „The Italian Textile Industry“ investieren italienische Unternehmen kontinuierlich in Produktentwicklung und Design. 68 Prozent der Hersteller sehen darin einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Erfolgsfaktoren sind Handwerkskompetenz, kurze Lieferzeiten und flexible Strukturen. Als Herausforderungen werden trotz noch vorhandenem Know-how Fachkräftemangel, Überalterung und die Umstellung auf nachhaltige Prozesse genannt. 72 Prozent der Unternehmen haben laut ITA bereits Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit implementiert. Zudem bezeichnen 85 Prozent der befragten Betriebe Innovation als Schlüsselfaktor ihrer Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere bei Materialien und Verarbeitungsmethoden.
Rund 60 Prozent der Firmen investieren laut Report gezielt in Digitalisierung und E-Commerce, um sich besser im internationalen Wettbewerb zu positionieren. Vor allem mittelständische Unternehmen sehen darin eine Chance, neue Kundengruppen zu erschließen und unabhängiger vom stationären Handel zu werden. Dabei nimmt der Anteil des Online-Handels an den Gesamterlösen weiter zu.
Zu den bekannten Mittelständlern zählen HERNO, MANAS oder PEUTEREY. HERNO erwirtschaftete 2022 rund 153 Millionen Euro Umsatz. Auch international aktive Familienunternehmen wie CALZEDONIA, MaxMara oder MONCLER prägen die Struktur.
Italien bleibt für internationale Anbieter relevant – sowohl als Absatzmarkt als auch als Produktionsstandort. Die Verbindung von Handwerk, Markenbewusstsein und Exportstärke ist nach wie vor das Fundament der italienischen Bekleidungsindustrie.
Zusammengefasst
Die italienische Bekleidungsindustrie zählt zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes. Laut Angaben von GTAI – GERMANY TRADE & INVEST umfasste die Branche im Jahr 2023 rund 47.700 Unternehmen mit insgesamt 461.000 Beschäftigten. Der Nettoumsatz belief sich auf 96,1 Milliarden Euro. Der gesamte Produktionswert des Textil- und Modesektors lag bei 54,6 Milliarden Euro. Davon entfielen 41 Prozent auf den Bereich Bekleidung. Die Bruttowertschöpfung der kombinierten Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie betrug 26,8 Milliarden Euro (The Italian Textile Industry, ITMA).
Die Branche ist stark exportorientiert: Im Jahr 2024 lag das Exportvolumen bei 43,7 Milliarden Euro. Wichtigste Absatzmärkte waren Frankreich mit einem Anteil von 14,8 Prozent, Deutschland mit 9,5 Prozent und die USA mit 9,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum wurden Bekleidungsimporte im Wert von 28,9 Milliarden Euro registriert. Hauptlieferländer waren China (13,9 Prozent), Spanien (10,2 Prozent), Frankreich (8,4 Prozent), die Niederlande (7,5 Prozent) und Deutschland (7 Prozent) (eurostat).
Für das Jahr 2023 weist die Modeindustrie ein Handelsplus von 12 Milliarden Euro aus. Für die Jahre 2025 und 2026 prognostiziert das Analyseinstitut Cerved ein reales Umsatzwachstum von 1,1 beziehungsweise 1,3 Prozent. Ein Standortvorteil Italiens sind die vergleichsweise niedrigen Bruttostundenlöhne: Diese lagen laut GTAI rund 28 Prozent unter dem deutschen Niveau.
Das durchschnittliche Pro-Kopf-Nettoeinkommen in Italien lag 2023 bei rund 29.431 US-Dollar beziehungsweise 26.400 Euro. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen wird von eurostat mit 3.529 Euro angegeben. Die Einwohnerzahl betrug Ende 2023 etwa 59 Millionen. Die Zahl der Haushalte liegt bei rund 25 Millionen, davon verfügen laut TRADING ECONOMICS 75,9 Prozent über Wohneigentum. Die regionale Einkommensverteilung zeigt erhebliche Unterschiede: Während in Mailand ein durchschnittliches Jahreseinkommen von etwa 34.885 Euro verzeichnet wird, liegt es in Foggia bei lediglich 14.554 Euro (Il Sole 24 ORE).