
Autor: Markus OessWechsel in der Geschäftsführung, neue Strukturen und definierte Wachstumsziele: scoretex richtet sich neu aus. Im Interview spricht Geschäftsführer Marco Hoffmeyer über den Abschied von Reiner Unkel, die Rolle der Muttergesellschaft Melchers, das Markenportfolio und die Strategie für die kommenden Jahre.
Bei scoretex hat sich in diesem Jahr einiges getan. Nach dem Ausscheiden von Bernhard Helfrich und Florian Weininger hat auch CEO und CSO Reiner Unkel das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Mit 67 Jahren stellte er die Weichen für einen Führungswechsel. Seit März verantwortet Marco Hoffmeyer als Geschäftsführer die Geschicke von scoretex. Unterstützt wird er formal von Dirk Sänger, Mitglied der Melchers-Geschäftsführung, der jedoch keine operative Verantwortung trägt. Das Unternehmen nennt keine Umsatzzahlen, spricht aber von einem niedrigen zweistelligen Volumen. Gesourct wird in Asien, Europa und der Türkei – je nach Kollektionsart in den jeweils geeigneten Märkten. Während NOS-Ware überwiegend aus Asien kommt, setzt man bei Trendartikeln und Flash-Programmen stärker auf Nearshoring. Der Fokus liegt auf einem kosteneffizienten, partnerschaftlichen und verlässlichen Geschäftsmodell.
Mit dem „Home of Brands“ hat Unkel ein Dach für die Marken geschaffen. Nun folgt die organisatorische Anpassung: Prozesse wurden gestrafft, externe Spezialisten wie SupplyX eingebunden. Jede Marke verantwortet ihre Ausrichtung, flankiert von einem bereichsübergreifenden Transformationsteam. Die Führungsphilosophie setzt auf Eigenverantwortung und Unterstützung der Teams. Im Interview erläutert Hoffmeyer, wie scoretex diese Transformation vorantreibt, welche Marken künftig im Fokus stehen und wo er die größten Chancen für Wachstum sieht.
FASHION TODAY: Herr Hoffmeyer, der Wechsel wurde zwar nicht angekündigt, war aber sicher geplant. Wo starten Sie jetzt als Geschäftsführer von scoretex?
Marco Hoffmeyer: „Mein Zugang als CFO/COO wurde kurz vor meinem Beginn Ende Februar verkündet. Seit 1. März bin ich im Unternehmen und wir haben seither rasche Veränderungen herbeigeführt. Ursprünglich war geplant, dass die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern geleitet werden soll. Nachdem nun bekannt wurde, dass Reiner Unkel, mit 67 Jahren, auf eigenen Wunsch ausscheidet, um sich anderen Aufgaben zu widmen, hat unser Mutterkonzern, die C. Melchers GmbH & Co. KG, mir mit Blick auf den binnen der ersten sechs Monate eingeschlagenen Weg das Vertrauen ausgesprochen, dass wir mit der aktuellen Unternehmensgröße auch sehr gut mit einem alleinigen Geschäftsführer weitergehen können. Ich möchte mich an der Stelle bei Reiner Unkel bedanken, der mir von Beginn an viel Gestaltungsfreiraum bei der strategischen und konzeptionellen Arbeit der letzten Monate gelassen hat.“
Wie meinen Sie das?
„Um sich an schnell verändernde Marktbedingungen anzupassen, ist ein gewisses Tempo erforderlich. Ich hatte mich in meiner Karriere sehr stark mit der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Prozessoptimierung auseinandergesetzt. Dazu hatte ich meist nur wenige Monate Zeit. Herr Unkel hat dies erkannt und mitgetragen. Um scoretex unter allgemeinem Kosten- und Preisdruck effizient aufzustellen, war es klug, die Wertschöpfungskette gesamtheitlich zu betrachten – von den Rohmaterialien bis zum Verkauf an die Konsumentinnen und Konsumenten. Der ‚Kuchen‘, der unter allen Teilnehmern der Wertschöpfungskette zur Überlebensfähigkeit aufgeteilt werden muss, ist kleiner geworden. Wir haben die Wertschöpfungskette daher effizienter gestaltet, Leistungen gebündelt und an Spezialisten ausgelagert, wo es sich angeboten hat, und uns partnerschaftlich mit allen Beteiligten zusammengesetzt, um eben dieses Überleben für alle zu gewährleisten. Ich bin in diesem Zusammenhang ein Anhänger von Shared Economy. Es kann nur funktionieren, wenn jedes Glied der Kette genug Luft zum Atmen hat.“
Bewegungsfreiheit gehört …
Wie läuft es aktuell?
„Wir sind in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich gewachsen, hoch einstellig oder sogar zweistellig. Diesen Trend haben wir auch in der zurückliegenden Order bestätigt. Wir konnten zweistellig in der aktuellen Order zulegen. Der Aufbau des Home of Brands hat in der Vergangenheit Investitionen erfordert. Auch die jüngst eingeschlagene Transformation wird, in einer immer komplexer werdenden Geschäftswelt, weiterer Investitionen bedürfen, was kurzfristig Auswirkungen auf das Ergebnis haben wird. Wir haben das Glück, mit Melchers einen finanzstarken Gesellschafter zu haben, der langfristig denkt und vor allem auch so handelt.“
Wo sehen Sie generell Marktchancen für scoretex?
„Wir haben aktuell für den Fachhandel fünf Marken im Portfolio, welche sich in der Marktabdeckung gut ergänzen: VENICE BEACH, ursprünglich eine Marke, die bevorzugt für das Fitnessstudio gekauft wurde, aber sehr viel Potenzial bietet. Wir haben JOY und CANYON als Sportswear-Brands, zugeschnitten auf die jeweilige Zielgruppe. Zudem HOT im Segment Outdoor/Wander-Bekleidung und zu guter Letzt STRYVE als Marke für Fitness-Equipment, welche als eigene GmbH außerhalb des scoretex-Daches operiert. Jede Marke hat neben ihrem angestammten Segment und den bestehenden Vertriebswegen und -märkten zusätzliches Potenzial, national wie international, online wie stationär.“
Im Schwerpunkt, zumindest was die Marken angeht, sind Sie mehr in der Womenswear unterwegs. Wie hoch ist da der Umsatzanteil aller Marken?
„Tatsächlich haben wir mit JOY und HOT zurzeit zwei Marken, die auch Menswear bedienen. Stand heute verkaufen wir zu rund 85 Prozent Womenswear.“
Läuft Womenswear in Ihrem Segment besser als Menswear?
„Das kann ich so nicht sagen. Wir sind historisch in den Markt gewachsen. Die Entwicklung folgt eher dem Gesamtmarkt. Ich würde sagen, wir können beides. In beiden Segmenten haben wir einen hohen Stammkundenanteil und verzeichnen Umsatzwachstum, was die Annahme zu bestätigen scheint.“
2023 startete Be Gentle by JOY. Zwischenzeitlich wurde die Marke in JOY integriert, oder?
„Das war vor meiner Zeit. Die ursprüngliche Zielsetzung ist mir nicht bekannt. Die damaligen Begleitumstände im Markt haben den Launch von Be Gentle aber sicher nicht leichter gemacht.“
Können Sie uns den aktuellen Status durchgeben?
„Damals war Be Gentle – soweit mir bekannt – als Capsule gedacht. Inzwischen wurde die Entscheidung getroffen, diese nicht fortzuführen, was ich für eine gute Entscheidung halte. Mit der richtigen Konzentration sollte ein Kollektionskonzept aus meiner Sicht zunächst auch ohne Capsule überzeugen können. Wir wollen mit einem leistungsstarken ‚echten‘ NOS für ein Grundrauschen sorgen, ergänzt um flächenfähige kommerzielle sowie auch modische Styles in den Lieferthemen. Wenn wir dann mit Kapseln oder Flash-Programmen zusätzliche Chancen sehen, ergänzen wir das Sortiment natürlich strategisch.“
Wie wollen Sie gesamthaft aus diesem Jahr aussteigen?
„Wie gesagt, halten wir an dem genannten Wachstumspfad fest. Das gilt natürlich auch für 2025. Unser Vertriebsteam, geleitet von Marcel Fleer, macht einen hervorragenden Job und agiert dabei persönlich und partnerschaftlich mit dem Handel. Beim Ergebnis werden sich die Investitionen ins Wachstum und die Transformation natürlich auswirken.“
… zur Unternehmens-DNA
Was ist für das nächste Jahr geplant?
„Wir haben in den letzten sechs Monaten massiv daran gearbeitet, weitere Wachstumspotenziale ausschöpfen zu können. Mit Blick auf die Effizienzsteigerungen entlang der Wertschöpfungskette und die Markenprofilierung, die wir für dieses Jahr für alle Marken als kontinuierlichen Prozess geplant haben, planen wir wieder mit einem deutlichen Plus im genannten Spektrum. Wir wollen im zweistelligen Prozentbereich zulegen und auch das Ergebnis dürfte sich weiter verbessern. Umsatzqualität steht für mich aber vor Umsatzquantität.“
Wenn Sie auf den Vertrieb Ihrer Marken schauen, würden Sie scoretex als Bekleidungsanbieter oder Sportartikler bezeichnen?
„Wir kommen klar von den Sportartikeln mit einem Anteil Fashion. Andererseits werden die Grenzen heute fließender mit einer sportlicheren Ausrichtung der Fashion. Ich würde sagen, wir bedienen somit beide Welten.“
Wie viele Händler beliefern Sie aktuell?
„Wir arbeiten mit rund 700 Händlern mit unterschiedlichen Kooperationsmodellen.“
Wo sehen Sie die größten Wachstumspotenziale?
„Wie gesagt, hat jede Marke Potenzial. Wie viel wir davon wie schnell realisieren können, hängt von vielen, teilweise auch externen Faktoren außerhalb unserer Kontrolle ab. Generell wollen wir weiterhin im Heimatmarkt mit bestehenden Handelspartnern und einer effizienteren Aussteuerung unserer Prozesse wachsen. Großes Potenzial sehe ich zudem im digitalen Handel und in der sukzessiven Internationalisierung.“
Der Interviewpartner
Marco Hoffmeyer ist seit März 2025 Geschäftsführer der Scoretex GmbH. Zuvor war er bei HALLHUBER tätig, wo er zuletzt als Director Business Development & Strategy die strategische Ausrichtung verantwortete. Davor leitete er als Head of Project Management & Corporate Sourcing die Bereiche Projektsteuerung und Beschaffung. Erste Erfahrungen im Modehandel sammelte Hoffmeyer bereits zwischen 2016 und 2019 bei hachmeister + partner als Consultant, ehe er 2019 zu HALLHUBER wechselte. Seine berufliche Laufbahn begann er 2014 als Mitgründer der StorkFox GmbH in Mannheim, wo er als Managing Partner tätig war.
Das Unternehmen
Die Scoretex GmbH mit Sitz in Alzenau ist ein Anbieter von Sport- und Outdoor-Bekleidung sowie Fitness-Equipment. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der C. Melchers GmbH & Co. KG aus Bremen, die seit über 200 Jahren im internationalen Handel aktiv ist. scoretex betreut unter dem Dach „Home of Brands“ mehrere Marken, die unterschiedliche Marktsegmente abdecken. Dazu gehören VENICE BEACH, JOY, CANYON, HOT und die separat geführte STRYVE GmbH für Fitness-Equipment. Das Unternehmen spricht beim Umsatz von einem niedrigen zweistelligen Millionenvolumen. Gesourct wird in Asien, Europa und der Türkei, abhängig von Produktart und Bedarf: NOS-Programme kommen überwiegend aus Asien, saisonale Trendartikel und Flash-Programme stärker aus Nearshoring-Märkten.