
Autor: Markus OessZwischen Biografie und Interpretation: Alfons Kaiser und Simon Schwartz verdichten Lagerfelds Leben in grafischer Form mit Nähe, viel Symbolik und Reduktion. Karl Lagerfeld gilt als eine der prägenden Figuren der Modewelt. Seit seinem Tod 2019 ist eine Flut von Biografien, Dokumentationen und Ausstellungen erschienen. Mit „Lagerfeld“ liegt nun erstmals eine Graphic Novel vor, die sich dem Leben des Designers widmet. Autor ist FAZ-Redakteur Alfons Kaiser, der bereits 2020 eine Lagerfeld-Biografie veröffentlichte. Für die Illustrationen zeichnet Simon Schwartz verantwortlich, einer der etablierten Comiczeichner in Deutschland. Das bei C.H.Beck erschienene Werk umfasst knapp 100 Seiten und orientiert sich am Leben Lagerfelds von der Kindheit in Hamburg bis zu seinem Tod in Paris.
Die Graphic Novel, die das Leben und Wirken von Karl Lagerfeld im wahren Wortsinn nachzeichnet, ist chronologisch aufgebaut. Stationen sind die frühen Jahre in Hamburg, die Ausbildung in Paris, die ersten Wettbewerbe und die Karriereschritte bei BALMAIN, Chloé, FENDI und, natürlich, CHANEL. Auch seine große Liebe, Jacques de Bascher, und das Model Baptiste Giabiconi nehmen viel Raum ein. Ebenso der große Gegenspieler Yves Saint Laurent, der für Lagerfeld nun nicht eben zur positiven Leuchtfigur wurde. Und die Katze Choupette. Zwischendurch erleben wir, wie Lagerfeld selbst sein Leben kommentiert. Ein Dreh, der Nähe schafft und dem Buch eine autobiografische Note verleiht. Die Erzählweise bleibt knapp, wechselt zwischen szenischen Momenten und erklärenden Textpassagen. Schwartz arbeitet mit unterschiedlichen Panelgrößen, großflächigen Illustrationen und symbolischen Verdichtungen. Damit wird Lagerfelds Leben nicht nur nacherzählt, sondern in Stimmungen übersetzt.
Zentrale Themen sind Selbstinszenierung und Distanz. Kaiser beschreibt Lagerfeld als jemanden, der sein Leben konsequent in eine Rolle übersetzte und damit Nähe oft vermied. Freundschaften und Partnerschaften erscheinen im Schatten der Arbeit. Schwartz setzt dies visuell um, etwa in Darstellungen der dominanten Mutter oder in abstrahierten Bildern der Modewelt. Gleichzeitig thematisiert das Buch Lagerfelds Arbeitsweise: die Geschwindigkeit der Modeproduktion, den Druck der Kollektionen, die Fähigkeit, mehrere Marken parallel zu führen. Aber auch sein politisches Statement, etwa zu Altkanzlerin Merkel, wird erwähnt. Lagerfelds politische Haltung ist wie sein Leben durchaus widersprüchlich.
Schwartz arbeitet mit einer reduzierten, stilisierten Bildsprache. Realistische Details treten in den Hintergrund, die Bilder sind klar, teils schematisch. Farblich dominiert Schwarz-Weiß, ergänzt um gezielte Akzente, die emotionale oder historische Wendepunkte markieren. So wird die Unnahbarkeit der Modewelt sichtbar und durchlässig. Hervorzuheben sind handwerkliche Qualität und die Verdichtung auf wesentliche Momente des Buches. Lagerfeld ist auch einsamer Held und sein Genius schimmert in seinem Schaffen immer durch. Er erliegt auch einer gewissen Kontrollsucht, die zeigt, wie wenig Vertrauen im Grunde der Designer hatte. Die Graphic Novel richtet sich an ein breites Publikum. Modeinteressierte erhalten einen zugänglichen Überblick über Lagerfelds Leben. Es ist eine Graphic Novel, die keine knalligen Enthüllungen oder Tiefenpsychologie liefert, dafür aber ein prägnantes Porträt zwischen Nähe und Fremdheit und bewegende Bilder. Mein Urteil: lesenswert.
Hier geht es zur Leseprobe
VK: 22 Euro
ISBN 978-3-406-83772-2
Erschienen am 10. Juli 2025 im Verlag C.H.Beck GmbH & Co. KG
104 Seiten, durchgehend farbig illustriert
Hardcover