Die Branche sucht das Gleichgewicht

Sportartikelindustrie 2025

Nach Jahren hohen Wachstums, das durch die Pandemie und die darauffolgenden Verschiebungen im Konsumverhalten geprägt war, erwarten die Autoren des Reports „Sporting Goods 2025 – The New Balancing Act“ ein deutlich komplexeres Umfeld. ©pixabay fitness

Autor: Markus Oess
Der Branchenreport „Sporting Goods 2025 – The New Balancing Act“ von WFSGI und McKinsey zeigt: Das Wachstum flacht ab, Inaktivität wird zum größten Risiko, Challenger Brands holen Marktanteile und Live-Sport erlebt einen Aufschwung. Welche Entwicklungen der Sportbranche die Richtung vorgeben.

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Die weltweite Sportartikelindustrie steht vor einem Wendepunkt. Nach Jahren hohen Wachstums, das durch die Pandemie und die darauffolgenden Verschiebungen im Konsumverhalten geprägt war, erwarten die Autoren des Reports „Sporting Goods 2025 – The New Balancing Act“ ein deutlich komplexeres Umfeld. Während die Branche zwischen 2021 und 2024 im Schnitt um 7 Prozent pro Jahr wuchs, prognostiziert die Studie für den Zeitraum bis 2029 nur noch 6 Prozent. Damit bleibt der Markt zwar attraktiv, doch geopolitische Unsicherheiten, fragile Lieferketten und eine spürbare Kaufzurückhaltung dämpfen die Dynamik.

Hinzu kommt ein Risiko, das weit über ökonomische Kennzahlen hinausgeht: Bewegungsmangel. Bereits heute sind mehr als 30 Prozent der Erwachsenen weltweit inaktiv, Tendenz steigend. Damit bleibt ein Markt von über 1,8 Milliarden Menschen unerschlossen – mehr als die doppelte erwachsene Bevölkerung Indiens. Gleichzeitig wächst die Gruppe jener, die Sport als festen Bestandteil ihrer Identität begreifen. Marken, die Emotion und Funktion miteinander verbinden, können hier punkten.

Auch die Marktstruktur verschiebt sich. Herausforderer-Marken gewinnen kontinuierlich Marktanteile, während große Player wie adidas und Nike an Gewicht verlieren. Parallel wächst die Bedeutung von Live-Sport und Entertainment: Präsenzformate schlagen digitale Angebote deutlich und der Ticketmarkt für Sportevents könnte bis 2030 auf 150 Milliarden US-Dollar steigen. Der Report zeigt damit eine Branche im Spannungsfeld zwischen Unsicherheit und neuen Chancen – ein Balanceakt, der von den Akteuren strategische Anpassungen erfordert.

Wachstum mit angezogener Handbremse

Das zentrale Ergebnis des Reports: Der Sportartikelmarkt wächst weiter, allerdings langsamer. Während die Jahre 2021 bis 2024 von einem außergewöhnlich hohen Zuwachs geprägt waren, rechnet McKinsey nun mit einem jährlichen Plus von 6 Prozent bis 2029. Haupttreiber bleiben Asien und Nordamerika, doch auch dort schwächt sich die Dynamik ab. „Wir sehen eine Branche, die nach wie vor wächst, aber das Wachstum allein reicht nicht mehr aus. Entscheidend ist, wie Unternehmen ihre Profitabilität sichern und gleichzeitig in neue Felder investieren“, heißt es im Report. Tatsächlich zeigt die Analyse, dass nur drei von zehn börsennotierten Unternehmen zwischen 2018 und 2023 sowohl Umsatz- als auch Margensteigerungen erzielen konnten. Das verdeutlicht: Wachstum ist nicht mehr selbstverständlich. Der Druck, profitabel zu bleiben und gleichzeitig Transformationen zu finanzieren – von Nachhaltigkeit über Digitalisierung bis hin zu neuen Vertriebskanälen – steigt.

Vorsicht dominiert

Die Kaufzurückhaltung der Konsumenten bleibt ein zentrales Thema. Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und Unsicherheiten im Welthandel führen zu vorsichtigeren Kaufentscheidungen. „Die Konsumenten sind selektiver geworden. Sie geben weiterhin Geld für Sport und Gesundheit aus, aber bewusster und kritischer“, so die Autoren. Für Unternehmen bedeutet das: Produkte müssen klaren Mehrwert bieten – sei es über Funktion, Qualität oder emotionale Bindung. Vor allem in Europa zeigt sich die Konsumstimmung gedämpft. Während in den USA der Sportartikelmarkt stärker von Premium- und Lifestyle-Trends getrieben wird, ist in Europa die Preissensibilität höher.

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Inaktivität als Risiko

Ein alarmierender Befund betrifft die Bewegungsgewohnheiten. Der Anteil inaktiver Erwachsener stieg von 26 Prozent im Jahr 2010 auf 31 Prozent 2022 und könnte bis 2030 auf 35 Prozent anwachsen. Damit wäre mehr als ein Drittel der erwachsenen Weltbevölkerung von regelmäßiger Bewegung ausgeschlossen. „Die wachsende Inaktivität ist nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein wirtschaftliches Risiko. Sie bedeutet, dass der Sportartikelmarkt auf ein enormes, aber ungenutztes Potenzial stößt“, schreiben die Autoren. Der unerschlossene Markt von 1,8 Milliarden Menschen bietet theoretisch riesige Wachstumschancen. Doch die Aktivierung dieser Zielgruppe erfordert andere Strategien: niedrigschwellige Angebote, breitere Ansprache und die Integration von Sport in den Alltag.

Marktanteile verschieben sich

Eine weitere Kernaussage betrifft die Verschiebung der Marktanteile. Seit 2019 haben Challenger Brands – kleinere, oft spezialisierte Anbieter – adidas und Nike 3 Prozentpunkte abgenommen. Diese Marken punkten mit klarem Profil, Nähe zur Zielgruppe und einer authentischen Ansprache. „Es sind nicht immer die größten Budgets, die entscheiden, sondern Relevanz und Glaubwürdigkeit in der Community“, heißt es im Report. Für etablierte Anbieter bedeutet das: Sie müssen ihr Markenprofil schärfen, Innovation vorantreiben und gleichzeitig ihre Strukturen anpassen, um mit den agilen Herausforderern Schritt zu halten.

Entertainment: Präsenz schlägt digital

Obgleich während der Pandemie digitale Formate einen Boom erlebten, zeigt sich nun eine deutliche Rückkehr zu physischen Angeboten. 81 Prozent der Konsumenten nahmen 2024 an Präsenz-Fitnesskursen teil – fast zweieinhalbmal so viele wie online. Der globale Ticketmarkt für Sportevents und Live-Erlebnisse wird von 100 Milliarden US-Dollar 2023 auf voraussichtlich 150 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 wachsen. „Menschen suchen nach authentischen, kollektiven Erfahrungen. Live-Sport erfüllt dieses Bedürfnis wie kaum ein anderes Format“, so die Analyse. Für Marken bedeutet das, dass Sponsoring, Event-Partnerschaften und direkte Interaktion mit Konsumenten an Bedeutung gewinnen.

Innovation, Nachhaltigkeit und Technologie

Der Report zeigt auch, dass die großen Trends der vergangenen Jahre nicht an Bedeutung verlieren – im Gegenteil. Nachhaltigkeit bleibt ein zentrales Thema, ebenso wie die Integration neuer Technologien. Digitale Tools, künstliche Intelligenz und datenbasierte Geschäftsmodelle verändern die Art, wie Unternehmen ihre Kunden ansprechen. Gleichzeitig wächst der Druck, Lieferketten transparenter zu gestalten und nachhaltige Materialien einzusetzen. „Die Zukunft der Branche wird davon abhängen, wie gut Unternehmen wirtschaftliche Effizienz mit ökologischer Verantwortung verbinden“, heißt es abschließend.

Zur Methodik

Die Studie „Sporting Goods 2025 – The New Balancing Act“ wurde vom Weltverband der Sportartikelindustrie (WFSGI) gemeinsam mit McKinsey & Company erstellt. Sie basiert auf einer Kombination aus quantitativer Marktanalyse, qualitativen Interviews mit Branchenexperten und Auswertungen von Unternehmenskennzahlen. Berücksichtigt wurden börsennotierte und private Unternehmen aus allen relevanten Märkten. Ergänzend flossen Konsumentenbefragungen in mehreren Ländern sowie Analysen zu Handels- und Lieferkettenstrukturen ein. Die Studie erscheint jährlich und gilt als Referenzbericht für die globale Sportartikelindustrie.

Einblicke im Eiltempo

  • Wachstumsprognose Sportartikelmarkt – Rückgang des jährlichen Wachstums von 7 Prozent (2021–2024) auf 6 Prozent (2024–2029).