„Investoren suchen Marken mit Substanz“

Übernahmen

„Es sollte nicht unterschätzt werden, dass der Erfolg in der Modebranche nicht immer nur aus der Stärke der Marke und einer einzigartigen Positionierung entsteht, sondern auch aus operativer Exzellenz.“ Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter der h + p hachmeister + partner GmbH & Co. KG ©h + p hachmeister + partner GmbH & Co. KG

Autor: Markus Oess
Die Modebranche steht unter Druck: Inflation, Konsumzurückhaltung und Überangebote haben die Marktbedingungen deutlich verschärft. Dennoch bleibt das Geschäft für Investoren interessant – vor allem dort, wo Marken eine klare Identität, treue Kundschaft und internationales Wachstumspotenzial haben. Im Gespräch mit FASHION TODAY erläutert Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter der h + p hachmeister + partner GmbH & Co. KG in Düsseldorf, wie sich die Investmentlogik in der Mode verändert hat, welche Chancen bestehen und wo die größten Risiken liegen. Er spricht über den Balanceakt zwischen Renditeerwartung und Markenpflege, über kulturelle Passung als unterschätzten Erfolgsfaktor und darüber, warum operative Exzellenz oft entscheidender ist als der Markenname.

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FASHION TODAY: Herr Humpert, wie attraktiv ist die Modebranche derzeit für Investoren – vor allem für Finanzinvestoren wie im Fall HILTL/SWAROVSKI oder BOGNER/Katjes?
Tobias Humpert:
Wir sehen derzeit eine selektive Attraktivität. Die Branche steht zwar durch Inflation, Überangebot, Strukturwandel und verändertes Konsumverhalten unter Druck, bleibt aber interessant, wenn Marken Substanz haben. Besonders Heritage- und Premiumlabels mit klarer Identität, loyaler Kundschaft und internationalem Potenzial ziehen Investoren an. Dort lassen sich durch Professionalisierung und Expansion echte Wertsteigerungspotenziale heben. Das mittlere Marktsegment ohne klare Differenzierung tut sich dagegen schwer.“

Welche Rolle spielt dabei die Rentabilität? Geht es Investoren vorrangig um schnelle Rendite oder um langfristige Markenentwicklung?
„Rentabilität ist meist die Eintrittskarte, aber nicht das Ziel an sich. Die Branche befindet sich in einem Strukturwandel, in dem genau hingeschaut wird, inwieweit die Rentabilität in den nächsten Jahren weiter unter Druck gerät. Vor allem, wenn das Gros der Gewinne, die in den nächsten Jahren rückläufig sein könnten, in Kanälen oder mit Kunden erwirtschaftet wird, gibt sie wenig Auskunft über zukünftige Stabilität. Ein einseitiger Fokus auf das langfristige Potenzial ist allerdings auch riskant, denn kurzfristige Rentabilität ist gerade in turbulenten Zeiten die Voraussetzung, Transformation aus eigener Kraft gestalten zu können.“

Wann kippt ein Engagement vom reinen Finanz- zum strategischen Investment?
„Das geschieht, wenn ein Invest zunächst unter rein finanziellen Gesichtspunkten in isolierter Perspektive getätigt wird und man erst später entscheidet, stärker in die Unternehmensentwicklung einzugreifen oder eigene Ressourcen einzubringen, etwa durch Zukäufe, gemeinsame Vertriebsstrukturen oder Management-Know-how. Wenn dabei ein zu hoher Fokus auf mögliche Synergien eingenommen wird, ist das oft sehr riskant. Natürlich bestehen dort oft naheliegende Chancen, aber es muss kulturell passen und darf nicht zulasten der Einzigartigkeit der Marken gehen. Oft wird unter dem Begriff des strategischen Investments aber auch einfach eine langfristigere Perspektive verstanden, was ja grundsätzlich etwas Gutes ist, da insbesondere die Markenentwicklung selten durch Quick Wins geprägt ist.“

Was verändert sich für ein Unternehmen, wenn plötzlich Externe mitreden oder gar entscheiden – strategisch wie im Tagesgeschäft?
„Das ist ein entscheidender Punkt. Grundsätzlich kann die Zusammenarbeit mit Investoren sehr produktiv sein, wenn sie auf Augenhöhe erfolgt. Externe bringen Struktur, Kapital und Professionalität ein. Gleichzeitig muss die kreative und kulturelle Eigenständigkeit der Marke gewahrt bleiben. Wenn das Gleichgewicht stimmt, kann daraus viel entstehen. Wenn nicht, droht die Marke ihre Seele zu verlieren. Entscheidend sind eine klare Rollenverteilung und gegenseitiges Vertrauen.“

Wo sehen Sie aktuell die größten Chancen für Investoren in der Modebranche?
„Die größten Chancen liegen dort, wo Marken über ein starkes Profil verfügen und bei ihren Konsumentinnen und Communitys tief verankert sind, aber operativ oder strukturell Nachholbedarf haben. Viele Traditionsmarken haben enorme Markenstärke, aber es fehlt an Skalierung, Digitalisierung oder internationaler Präsenz. Allerdings sollte auch nicht unterschätzt werden, dass der Erfolg in der Modebranche nicht immer nur aus der Stärke der Marke und einer einzigartigen Positionierung entsteht, sondern auch aus operativer Exzellenz. Schließlich ist es eine Branche, in der die Karten immer wieder neu gemischt werden und eine schwache Kollektion einer Industrie-Marke oder ein verfehlter Einkauf eines Händlers einen enormen Unterschied machen können. Entsprechend ist es auch entscheidend, ob das Unternehmen so aufgestellt ist, Trends immer wieder früh zu erkennen, auf die eigene Zielgruppe zu übersetzen und passende Produkte schnell an den Point of Sale zu bringen. Es gibt viele Erfolgsbeispiele, wo dies am Ende erfolgsentscheidender war als die Marke.“

Worauf achten Investoren bei der Bewertung eines Modeunternehmens – und was übersehen sie häufig?
„Neben Finanzkennzahlen und bereits genannten Faktoren wie Markenstärke und Positionierung wird immer auch bewertet, wie sicher der Zugang zu den Konsumentinnen für die Marke oder den Händler ist. Muss der Zugang etwa immer wieder neu bezahlt werden, da zum Beispiel Plattformen dazwischenliegen, oder ist die Relevanz bei den Konsumentinnen so hoch, dass ein möglichst häufiger direkter Kontakt stattfindet? Und ist die Marke respektive der Händler in der Lage, aus diesen Kontakten sein Wissen über seine Zielgruppe weiter auszubauen, sodass sich ein Kreislauf ergibt? Häufig wird jedoch die kulturelle Passung unterschätzt beziehungsweise man tut sich schwer, diese im Prozess stabil zu bewerten, etwa ob die Marke ihr kreatives Profil unter dem neuen Eigentümer halten kann oder ob das Managementteam die ambitionierten Pläne umsetzen kann. In unserer Erfahrung ist die langfristige Attraktivität stark davon abhängig, wie sich Kreativität, Strategie und operative Umsetzung verbinden lassen.“

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„Die größten Chancen liegen dort, wo Marken über ein starkes Profil verfügen und bei ihren Konsumentinnen und Communitys tief verankert sind, aber operativ oder strukturell Nachholbedarf haben. Viele Traditionsmarken haben enorme Markenstärke, aber es fehlt an Skalierung, Digitalisierung oder internationaler Präsenz.“

Welche Fehler passieren typischerweise bei Übernahmen in der Branche?
„Typische Fehler, die aber wohl für fast alle Branchen gelten, sind unrealistische Umsatzprognosen, Überschätzung von Synergien oder das Ignorieren der Marken-DNA. Zudem beobachten wir, dass die Positionierung der Marke oft nicht gut genug verstanden wurde. Zwar sind die Makrotrends der Branche klar, aber es wird unterschätzt, wie unterschiedlich diese sich in verschiedenen Marktsegmenten auswirken. Wenn dann zu früh Maßnahmen aus generischen Playbooks umgesetzt werden, geht das oft erst mal schief.“

Wie stark bremsen Inflation, Konsumzurückhaltung oder steigende Kosten die Investmentlust?
„Solche Faktoren wirken natürlich durchaus dämpfend und machen manche Unternehmen der Branche schwer verkäuflich. Doch Marken mit Substanz und Verankerung bei den Konsumentinnen haben oft eine Preissetzungsmacht, die zumindest teilweise vor diesen Einflussfaktoren absichert. Aber nicht jede starke Marke hat automatisch auch diese Macht. Hierfür muss sie das Geschäftsmodell und insbesondere den Vertriebskanalmix wirklich unter Kontrolle haben.“

Wie wichtig ist das bestehende Managementteam bei einer Beteiligung – kann es den Ausschlag geben?
„Sehr wichtig. Das Managementteam ist oft der Schlüssel zum Erfolg, mindestens in der Übergangsphase. Erfahrung, Branchenwissen und Markenverständnis sind entscheidend, um Strategie umzusetzen und Wachstum zu realisieren. Investoren, die das vorhandene Team ernst nehmen und in die Weiterentwicklung einbinden, erzielen erfahrungsgemäß die besten Ergebnisse. Fehlt diese Zusammenarbeit, sinkt die Erfolgschance erheblich. Gleichzeitig darf der Wert eines Unternehmens auch nicht zu stark an einzelnen Personen hängen, denn irgendwann kommt immer der Zeitpunkt, zu dem es ohne gehen muss.“

Inwiefern verändern Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder neue Vertriebskanäle die Bewertungslogik?
„Sie verändern sie massiv. Marken, die digitale Chancen effektiv nutzen oder nachhaltige Konzepte glaubwürdig implementieren, werden auch höher bewertet. Im Kontext von KI wird außerdem darauf geachtet, inwieweit die Unternehmen in der Lage sind, datengestützte Insights zu generieren, oder zumindest Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Wenn hier erste vielversprechende Schritte erkennbar sind, ist die Chance auf Effizienz- und Effektivitätspotenziale entlang der Wertschöpfungskette hoch. Natürlich spielen auch Kennzahlen und Markenwahrnehmung im Thema Nachhaltigkeit eine Rolle, aber dieses Thema nimmt im Vergleich zu vor drei Jahren in den meisten Bewertungen weniger Raum ein. Das liegt sicherlich auch an der unklaren Gesetzeslage, die nicht nur in den Unternehmen, sondern auch bei Investoren und sonstigen Geldgebern zu viel Verunsicherung beigetragen hat.“

Worauf sollten Investoren achten, wenn sie ein Modeunternehmen wirklich erfolgreich weiterentwickeln wollen?
„Zunächst sollten sie die Positionierung und die Konsumentinnen der Unternehmen wirklich tief verstanden haben. Danach hängt der Erfolg vom Gleichgewicht zwischen finanzieller Steuerung und Markenpflege ab. Operative Strukturen, Internationalisierung, Digitalisierung und talentiertes Management sind entscheidend, aber sie müssen immer im Einklang mit der Marken-DNA stehen. Wer das schafft, kann nachhaltige Wertsteigerung erzielen und die Marke langfristig stärken.“

Der Gesprächspartner

Tobias Humpert ist geschäftsführender Gesellschafter der h + p hachmeister + partner GmbH & Co. KG in Düsseldorf. Der Diplom-Kaufmann arbeitet seit fast 19 Jahren für die Unternehmensberatung, die auf Strategie, Restrukturierung und Transformationsprozesse in der Mode- und Lifestylebranche spezialisiert ist. Nach Stationen als Consultant, Manager und Partner übernahm Humpert 2019 die Rolle des Managing Partners. Zwischenzeitlich war er als Omni-Channel Retail Director bei ECCO Sko A/S in Amsterdam tätig.