„Wir trauen uns wieder mehr Mode zu“

pierre cardin

pierre cardin erfindet sich modisch neu. (Foto: Ahlers Group)

Autor: Markus Oess

Eine Designermarke, die Mut zu Experimenten und Innovationen hat – der perfekte Anzug und ein lässiger Look. Götz Borchert, im Vorstand der Ahlers Group verantwortlich für Marketing, Retail/E-Commerce, Design/Produkt und Unternehmenskommunikation, hat eine klare Vorstellung, wie pierre cardin aufzutreten hat. Das Label wächst stetig und das ist kein Zufall. Vor drei Jahren hat Karl-Friedrich Schielmann als Cardin-Chef neben Jürgen Beckmeier in Herford angeheuert, um der Premium-Marke neue Impulse zu verleihen. Jetzt ist das Label dort, wo es nach Meinung des Managements hingehört. Was das Franco-Label heute auszeichnet und womit die Herforder Ihr Geschäft weiter ausbauen wollen, erklären Borchert und Schielmann exklusiv im Interview mit FT.

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Karl-Friedrich Schielmann (Bild: Ahlers Group)

FT: Herr Schielmann, waren Sie auch auf der Pitti unterwegs?
Karl-Friedrich Schielmann: „Ein Besuch der Pitti ist immer lohnenswert. Diesmal hat es aber der straffe Zeitplan mit der Kollektionsübergabe nicht zugelassen.“

Herr Borchert, pierre cardin gehört zu den bekanntesten Labels überhaupt. Seit 1992 arbeitet Ahlers mit dem Label. Wie hat sich im Vergleich zu den 1990ern das Label heute positioniert?
Borchert: „In der Tat kommt pierre cardin weltweit auf einen Bekanntheitsgrad von 70 bis 80 Prozent. Früher wurde die Marke speziell im deutschen Handel stark in der Jeanswear verortet. Heute haben wir einen Komplettlook, und zwar für alle Trageanlässe. Das ist der wesentliche Unterschied.“

Götz Borchert (Bild: Ahlers Group)

Herr Borchert, frankophil und kosmopolitisch – klingt erst mal gut, aber was heißt das für die Marke konkret?
Borchert: „Natürlich ist pierre cardin untrennbar mit Frankreich verbunden. Frankophil und kosmopolitisch drückt auch einen bestimmten Lebensstil aus. pierre cardin ist eine Designermarke, die Mut zu Experimenten und Innovationen hat. Dazu kommen der perfekte Anzug auf der einen Seite und ein lässiger Look auf der anderen Seite – aber immer gut gekleidet. Das haben wir vielleicht in der Vergangenheit etwas vernachlässigt. Unsere neue Imagekampagne für den Businessbereich ist eine deutliche Ansage an den Markt: Wir trauen uns wieder mehr Mode zu.“
Schielmann: „Heute besetzen wir mit unserer Kollektion in allen Warengruppen starke Preislagen, die wir produktseitig, also bezüglich Qualität und Design, absolut rechtfertigen.“
Borchert: „Letztlich zahlt jedes Produkt auf die Markenkraft ein. Das ist auch eine Art von Marketing.“

Herr Schielmann, wie wollen Sie verhindern, dass pierre cardin nicht mit den Endkunden altert?
Schielmann: Beispiele, wie man es nicht machen sollte, gibt es genug. Wir werden uns natürlich niemals von unseren angestammten Kunden abwenden. Unsere Zielgruppe sind gut verdienende Männer ab 45 Jahren. Aber wir sprechen heute mit den Kollektionen auch deutlich jüngere Käuferschichten an, zum Beispiel mit der Denim Academy. Zudem fühlen sich die 45-Jährigen heute sowieso viel jünger. Es geht mehr um Stil, weniger um Alter.“

Die Marke wächst stetig

Herr Borchert, unlängst ist ein Prozess zu Markenrechtsverletzungen in Stuttgart zu Ende gegangen, mit hohen Strafen für die Beschuldigten. Angeklagt waren übrigens Manager eines Unternehmens, das es heute nicht mehr gibt. Haben Sie das Thema inzwischen im Griff?
Borchert: „Weltweit bekannte Marken werden nun mal gern kopiert. Selbstverständlich freuen wir uns, wenn wir mit pierre cardin Begehrlichkeit wecken, aber bitte nicht auf diese Art und Weise. Das Haus Cardin und wir beobachten genau, was mit pierre cardin im Markt geschieht, und gehen mit aller Konsequenz gegen Markenrechtsverletzungen vor, wie der Prozess, den Sie eben angesprochen haben, zeigt.“

Herr Schielmann, pierre cardin ist im ersten Halbjahr um 4,2 Prozent nach Umsatz gewachsen. Hierzulande wollen Sie mit der Marke vor allem im Wholesale wachsen. Wie läuft es aktuell?
Schielmann: „Wir sind wirklich zufrieden. Wir arbeiten in der Kollektion mit drei Kompetenzfeldern: Future Flex – urban und sehr modern, Le Bleu als hochwertige Spitze und Denim Academy – ein junger Casual Look. Wir sind kombifähig und transportieren Total Looks zu einem stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Allein bei den Polos und Sweats wachsen wir in diesem Jahr um mindestens 10 Prozent. Und wir sprechen mit den schmaleren Größen auch jüngere Kunden an. Der Wholesale honoriert das.“

Einmal soll das Markenprofil geschärft, zum anderen der NOS-Bereich ausgebaut werden. Wie viel des Umsatzes läuft aktuell über NOS?
Schielmann: „Wir liegen zwischen 35 bis 40 Prozent vom Umsatz. Das hängt vom einzelnen Segment ab. In der Konfektion ist der NOS-Anteil natürlich am höchsten.“

Wo wollen Sie damit hin?
Schielmann: „An den Anteiligkeiten soll sich nichts Wesentliches ändern. Allerdings wollen wir mit dem NOS beziehungsweise dem Seasonal NOS spürbar modischer werden. Wir haben Future Flex bereits als NOS in der Hose und in allen Kollektionen als saisonalen NOS. Uns bringt es herzlich wenig, den zehnten grauen Basic-Pulli gegen unsere Mitbewerber zu setzen.“

Wholesale bleibt im Fokus

Sie werden modischer. Hat sich etwas an den Preisen geändert?
Borchert: „Nein, die Eckpreislagen bleiben: Jacken 199 Euro, Hosen 99 Euro, Hemden 59 Euro und Anzüge 299 Euro. Allerdings haben sich die Anteiligkeiten etwas nach oben verschoben.“

Future Flex ist ein Thema, das Sie auch mit Pop-up-Flächen im Handel bespielen. Wie geht es da weiter?
Borchert: „Wir haben in der jetzigen Saison rund 30 Pop-up-Flächen realisiert. Die Resonanz war extrem positiv. Wir werden in der kommenden Herbst/Winter-Saison mit rund 50 Flächen die Schlagzahl noch mal deutlich erhöhen. Für die Saison Frühjahr/Sommer 2018 werden wir speziell entwickelte Pop-ups auch für die Damenhose anbieten. Generell entwickeln wir uns auf der Fläche weiter, auch im Appartement Français, wo immer wieder neue ‚Mieter‘ für neue Looks sorgen.“

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Herr Borchert, auf der einen Seite fordern Händler als Marke die Sortimentshoheit zurück, auf der anderen Seite fordern leistungsstarke Marken, dass sich der Handel fokussiert und die Flächen den Marken überlässt. Wie passt das überein?
Borchert: „Wir setzen weiterhin auf den Wholesale. In Deutschland ist eigener Retail für uns keine echte Wachstumsoption. Wir werden auch in Zukunft den Löwenanteil unseres Umsatzes mit unseren Handelspartnern erzielen. Das gilt aber vor allem für Deutschland, in Osteuropa sieht die Situation anders aus. Der Handel kuratiert sein Sortiment für seine Kunden. Er stellt die Marken zusammen und schafft im optimalen Fall seine eigene Lifestyle-Welt. Dazu benötigt er starke und leistungsfähige Marken mit einem klaren Profil wie unsere. Unprofilierte, margenschwache Labels helfen nicht – im Gegenteil. Wenn wir auf der Fläche unsere Stärken voll ausspielen sollen, müssen wir auch den Raum dafür bekommen. Am Ende des Tages wollen wir alle Geld verdienen.“

Wie läuft der Online-Shop, den Sie im vergangenen Jahr aufgeschaltet haben?
Borchert: Die Entwicklung ist ordentlich. Wir werden nochmals ein paar technische Dinge feiner abstimmen und auch die DOB in den Shop integrieren. Wir müssen Flagge im Internet zeigen. Aber auch digital bevorzugen wir das zweistufige Vertriebsmodell, also die Kooperation mit dem E-Commerce des Fachhandels.“

Funktioniert das digitale Geschäft anders als im stationären Handel?
Borchert: „In der Menswear geht es im Vergleich zu den Frauen doch etwas beschaulicher zu, insbesondere was die Retouren betrifft. Wir sehen im Grunde aber keinen großen Unterschied zum stationären Handel.“

Digital ist nicht alles

Im Augenblick wird viel darüber diskutiert, wie der stationäre Handel durch den Einsatz von digitaler Technologie mehr über seine Kunden erfahren und sie eins zu eins ansprechen kann. Wie bewerten Sie die aktuelle Diskussion?
Borchert: „Ich denke, die Diskussion ist, sagen wir, ein wenig überhitzt. Bei Tageslicht betrachtet, geht es um Profit und da sollte man schon genau hinschauen, womit man sein Geld verdient.“
Schielmann: „Wenn Sie nur noch digital kommunizieren, schließen Sie außerdem wieder andere Kunden aus. Kunden, die Geld ausgeben wollen, aber eben nicht sonderlich digitalaffin sind. Und deren Zahl sollte man auch nicht unterschätzen.“
Borchert: „360 Grad bedeutet eben nicht, nur noch durch die digitale Brille zu schauen. Wir unterstützen unsere Wholesale-Kunden im realen Leben und digital. Einseitigkeit ist selten gut.“

Herr Schielmann, was wissen Sie über den typischen pierre-cardin-Kunden?
Schielmann: „Natürlich betreiben wir auch intensive Marktanalysen, um mehr über unsere Kunden zu erfahren. Ich denke, wir sind da recht gut informiert. Wir greifen aber nicht nur digitale Daten ab, denn das zeigt nur einen Teil der Konsumwelt.“

Herr Borchert, welche Erkenntnisse liefert hierbei der eigene Retail, vor allem der Online-Shop?
Borchert:Wir analysieren die Abverkaufszahlen, sehen, was digital geht und wo Unterschiede zum stationären Geschäft bestehen. Vor allem aber sehen wir unsere eigenen Aktivitäten im direkten Kontakt zu den Endverbrauchern hierzulande eher als Testlabor. Man sollte nicht vergessen, dass wir über Menschen sprechen, nicht über Naturgesetze.“

Zweiter Heimatmarkt

Sie wollen den Ausbau der Märkte Frankreich, Spanien, Belgien und Polen sowie den europaweiten Flächenausbau forcieren. Kommen Sie voran?
Schielmann: „Wir sind in Frankreich dabei, unsere Marktposition auszubauen und zu festigen. Frankreich ist ein extrem wichtiger Markt für pierre cardin. Wir müssen Frankreich bildhaft gesprochen zu unserem zweiten Heimatmarkt machen. Nach dem Erwerb der Lizenz können wir seit zweieinhalb, drei Jahren Gas geben. Bis sich das im Markt widerspiegelt, dauert es eben etwas. Das Volumen legt stetig zu. In Spanien sind wir inzwischen bei El Corte Inglés gelistet. Wir haben die Chance, uns mittelfristig in rund 80 Häusern zu präsentieren. Russland hat sich mittlerweile wieder stabilisiert, ist aber von dem Niveau von vor zwei, drei Jahren noch weit entfernt.“

Was sind die Highlights der aktuellen Kollektion?
Schielmann: Ganz klar Future Flex und Le Bleu. Gerade bei Future Flex verzeichnen wir eine starke Nachfrage. Der Handel sucht Marken, die Abwechslung und Überraschendes auf der Fläche bieten. Gerade in Frankreich kommt das Programm richtig gut an. Generell sprechen wir über Themen wie Leichtigkeit, Funktionalität und Kombifähigkeit. Diese Kollektion ist für mich wirklich die beste, die wir seit langer Zeit hatten.“

Herr Borchert, mit welchen Erwartungen starten Sie in die bevorstehende Order?
„Wir haben eine tolle Marke und wir haben eine herausragende Kollektion. Aber draußen weht zurzeit ein rauer Wind. Die Saison wird anspruchsvoll. Dennoch blicken wir zuversichtlich in die kommenden Wochen.“