PANORAMA BERLIN – die zehnte!

Messe

Autor: Markus Oess

Mit dem Bus-Shuttle zu den ersten Ausgaben der PANORAMA BERLIN ging es vorbei an Feldern, auf denen friedlich Kühe grasten. Nicht eben das Sinnbild für Mode, Action und einen Blick in das kommende Jahr. Inzwischen hat sich die Berliner Messe als feste Anlaufstelle zum Saisonauftakt international etabliert und unter dem Funkturm bei der Berliner Messe eine Heimat gefunden. Im FT-Interview zur zehnten PANORAMA BERLIN sieht Messe-Chef Jörg Wichmann zwischen Wandel und Bestand auch ein Gleichgewicht der Kräfte – und ein besonderes Nutztier:

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Messe-Chef Jörg Wichmann

FT: Herr Wichmann, warum die Biene als neues Key Visual?
Jörg Wichmann:
„Wir denken bewusst verbindend. Die Biene ist ein Symbol für Fruchtbarkeit. Ohne sie sähe es in der Natur ziemlich karg aus. Die Biene hält unser Ökosystem intakt. Ich finde, sie ist ein sehr passendes Bild für die PANORAMA BERLIN. Unsere Aufgabe besteht darin, Mode und Lifestyle symbiotisch zu verbinden und so Neues zu schaffen. Außerdem ist die Biene ein höchst soziales Wesen, lebt in einer Community und symbolisiert die Stärke der Gemeinschaft.“

Sie tauschen fortwährend im Ausstellerportfolio durch. Das gilt für Marken wie für Themen gleichermaßen. Welche Bedeutung hat der Wandel für das Messegeschäft? Wandel ist ja kein Selbstzweck.
„Wir verändern bewusst auf bestehender Fläche das Portfolio, um zusätzlich zu den bestehenden Ankermarken, die unsere DNA ausmachen, neue Impulse zu geben. Wir schauen uns bewusst mit der Brille des Endverbrauchers um, um herauszufinden, was in der kommenden Saison relevant sein wird und den Händlern neue Profilierungs-Chancen bietet. Wir schauen in die Geschäfte, auf die Straßen, sprechen mit Influencern, sondieren den Markt. Uns geht es um Perspektive und Abgrenzung für die Händler. In diesem Sinne würde ich eher von Weiterentwicklung statt von Wandel sprechen.“

Aber am Messeauftritt selbst hat sich diesmal nichts Grundlegendes geändert, oder?
„Wir haben diesmal am Konzept festgehalten, nachdem wir von Handel und Industrie das Feedback erhalten haben, dass die Hallenaufteilung in der Wintersaison optimal war. Während also die Hallenaufteilung im Wesentlichen unberührt bleibt, haben wir wieder inhaltlich gearbeitet.“

Welche Trends werden im Sommer 2018 auf der Straße zu sehen sein?
„Sportswear und Athleisure bleiben weiterhin stark. Zu Street-Style-Einflüssen gesellen sich Retro-Einflüsse – späte 1980er/Anfang 1990er – wir werden wieder mehr Farbe sehen. Sneaker und Prints bleiben. Die Formal Wear kommt scharf geschnitten und sexy – definitiv mehr Bond als Banker.“

Viele Marken entwickeln sich modisch in die gleiche Richtung, setzen aber in der Interpretation eigene Schwerpunkte. Welche besonderen Highlights sehen Sie?
„Ich muss den deutschen Herstellern ein Kompliment machen. Wir haben in den zurückliegenden Jahren besonders bei der Formal Wear regelrechte Entwicklungssprünge erlebt. Zum Beispiel ROY ROBSON, die innerhalb ihrer Kollektion ihre Modernität interpretieren, oder CG Club of Gents, jetzt neu mit der Savile-Row-Linie. Mit Casual- und sportiven Elementen haben Labels wie DIGEL mit Move, Benvenuto mit Purple oder bugatti ihre eigene modische Handschrift entwickelt. Wir müssen beim Schnitt, beim Style, aber auch in den Qualitäten den internationalen Vergleich nicht scheuen. Im Gegenteil – diese Labels sind nicht ohne Grund auch im Ausland so erfolgreich. Heute bekommen Sie für 290 bis 390 Euro Produkte, die sonst dem Premium- oder Luxussegment vorbehalten waren, auch was das modische Statement angeht. Heute treffen genau diese Marken auf einen Wettbewerb, der in der Vergangenheit nicht so leistungsfähig war, und manche bekommen das auch zu spüren.“

Partylaune? Bedingt, denn die Branche ist weiter unter Druck. Vertikale und die Digitalisierung sind ständige Begleiter und spucken dem klassischen Handle zu gern mal in die Suppe. Dazu hat sich das Verbraucherverhalten verändert. Informiert, stilbewusst springt er zwischen On- und Offline. Marken bleiben wichtig. Aber sie entscheiden nicht mehr allein über die Kaufentscheidung. Will der stationäre Handel im Wettbewerb bestehen, reicht es nicht mehr, einfach Mode zu verkaufen. Es geht um Kundenverständnis, um die Inszenierung von Stilwelten. Das könne man von den guten Vertikalen lernen, sagt Wichmann. Um so wichtiger sei es für die Händler, wieder selbst zur Marke zu werden und ihre Stärken wie Vorauswahl und Stilberatung auszuspielen. Genau hier will die PANORAMA neue Akzente setzen. Frei nach dem Motto, „Das Produkt, der Style“ zählen. Damit wird der Laden zur Erlebnis-Welt, in der Lifestyle und Mode eins werden. Eine Entwicklung, auf die die PANORAMA reagieren wird.

Erlebnis und Lifestyle auf der Fläche werden zu kritischen Faktoren im Handel. Was macht das mit der PANORAMA?
„Die klassischen Systemmöbel haben ausgedient. Die Konzentration auf Fashion reicht nicht mehr, es geht vielmehr darum, den Lifestyle der Kunden zu begreifen bzw. zu inszenieren. Das hat auch Konsequenzen für uns. Wir werden uns von einer reinen Fashion-Messe zu einer Messe entwickeln, die Mode und Lifestyle kombiniert. Es geht darum, für den Endkunden ein stimmiges Lebensbild auf der Fläche zu schaffen, das seinen Wünschen entspricht und neue Saiten in ihm zum Klingen bringt. Wir werden in wenigen Saisons zu gut 40 Prozent Lifestyle-Produkte zeigen. Dazu bauen wir uns personell und über Kooperationen die entsprechenden Kompetenzen auf.“

Lifestyle und Mode werden inzwischen in einem Atemzug genannt, zumindest als Sortimentsbaustein mit neuen Produktgruppen wird diese Kombination wichtiger.
Was läuft in diesem Sinne auf der Messe gut?

„Aktuell zeigen wir Produkte der Segmente Düfte und Pflege, Mobilität, Gadgets, Bücher/Papeterie und Food. Aber wir dürfen nicht Gefahr laufen, beim Verkauf von fair gehandelten Bio-Kaffee oder Craft-Bieren aufzuhören. Abseits der Frage, ob das nun in den Laden passt oder nicht, muss der Kunde mit guten Produkten aus dem Laden kommen. Und er muss zufrieden sein, damit er wiederkommt. Es ist das Gesamtbild, das den Kunden bindet und dafür muss der Händler ihn kennen.“

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Wie weit lassen sich Lifestyle-Produkte mit Mode kombinieren. Anders gefragt müssen Händler bald auch auf Möbel- oder Fahrradmessen?
„Nein, denn das übernehmen wir für ihn. Wir werden aus jedem der genannten Bereiche die geeigneten Toplieferanten zusammenstellen und mit der Präsentation integrativer Ladenkonzepte den nächsten Schritt gehen. Wenn es im stationären Handel gelingt, Erlebniswelten und Produktwelten zu einer Einheit zu verschmelzen, wird er gegenüber dem digitalen Handel immer einen Vorteil haben, denn selbst ein virtuelles Erlebnis bleibt virtuell.“

Sie kommen ja auch im Ausland rum. Welches ausländische Konzept sollten sich die deutschen Händler auf jeden Fall ansehen?
Ich scheue mich, konkrete Beispiele zu nennen. Viel wichtiger ist es, sich die Entwicklung life in den Hotspots Europas anzuschauen. Es geht aber nicht ums bloße Kopieren, sondern darum zu verstehen, warum etwas gut funktioniert und daraus eigene Schlüsse und Handlungsanweisungen abzuleiten. Es geht also um das Verstehen und dazu sollte man sich die Dinge mit einem Blick von oben ansehen, um das Ganze zu erfassen. Eine Pop-up-Fläche zu kopieren oder eine bestimmte Marke einzuführen, mag auf den ersten Blick sogar helfen. Langfristig geht es aber immer um das Konzept und die Frage, wie es Händler schaffen, selbst zu Marke zu werden.“

Denim und Streetwear gewinnen auf der PANORAMA wieder an Gewicht. Marken wie Pepe oder Lee kehren zurück, auf der Suche nach einer neuen Heimat, wie Wichmann sinngemäß sagt. Gleichzeitig gehen sie eine Art natürliche Symbiose mit den Lifestyle-Themen ein, denn gerade hier passiert derzeit sehr viel. Die Marken haben sich neu definiert und bringen für neue Produktthemen die nötige Attraktivität und Eigenschaften mit: jung, frei und neugierig.
Attribute, die im Grunde auf viele Verbraucher irgendwie passen. Auch wenn die PANORAMA BERLIN sich scheut, Marken fest zu verorten, ist die natürliche Heimat dieses Segmentes die Halle 9 – NOVA CONCEPT.

Viele Denim- und Streetwear-Marken präsentieren sich im NOVA-CONCEPT-Bereich. Heißt das im Umkehrschluss, dass Lifestyle-Produkte nur in Kombination zu diesen Segmentbereichen passen?
„Nein, überhaupt nicht. Jeder Konsument hat seinen eigenen Lebensstil und sollte auch angesprochen werden. Das ist keine Frage des Alters oder des Stils. Allerdings stellen wir fest, dass vermehrt die Einkäufer, die sich primär für die NOVA-CONCEPT-Marken interessieren, auch die sind, die das Lifestyle-Konzept verstehen und leben – also in ihre Läden integrieren.“

Warum sollte ausgerechnet der klassische Herrenausstatter im mittelmodischen Segment den NOVA-CONCEPT-Bereich besuchen?
„Der klassische mittelständische Modehändler, der seine Kunden aus dem Effeff kennt, macht im Grunde alles richtig. Aber auch hier gilt, dass ohne neue Impulse alles in eine Richtung läuft. Und neue Marken oder Pflegeprodukte lösen neue Impulse aus. Selbst wenn der Kunde dann im Zweifel signalisiert, dass es ihm nicht gefällt, kommuniziert man miteinander und das allein ist viel wert.“

Denim ist auf der PANORAMA BERLIN wieder ein größeres Thema, was steckt dahinter?
„Wir haben im NOVA-CONCEPT-Bereich starke, ikonische Denim-Marken wie Lee, Pepe Jeans London, GUESS, MISS SIXTY, mavi, Fornarina und viele mehr zusammengeführt, weil wir merken, dass sich nach dem Peak 2007 bis 2009 wieder viel in diesem Segment tut. Viele dieser Marken suchen nach dem Aus der Bread & Butter immer noch nach einer neuen Heimat. Brands, die den Markt bewegen wollen. Wir haben bei Denim in den zurückliegenden Saisons eine gewisse Exzellenz aufgebaut und werden das Denim-Thema über die NOVA-CONCEPT-Area hinaus weiter forcieren – je nachdem, zu welcher Themenwelt sich die Aussteller hingezogen fühlen.“

Sie veranstalten diesbezüglich auch erstmals ein Denim-Panel!?
„Ja, zusammen mit dem Denim-Produzenten ISKO veranstalten wir ein Panel zur Zukunft des Denim-Segments, in dem es unter anderem auch um das Thema Nachhaltigkeit geht. Dort werden neben Marco Lucietti, ISKOs Global Marketing Director, und anderen illustren Gästen auch Denim-Ikonen wie Adriano Goldschmied zu Wort kommen und ich möchte schon jetzt alle interessierten Besucher herzlich dazu einladen.“

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  • Geschäftige Zweisamkeit
  • Der Messebau gehört natürlich dazu.