Sonne, Strand und Shopping

Standortfrage

Wo ist der nächste Laden? (Bild: pixabay)

Autor: Markus Oess

Einverstanden, die Nordsee gilt jetzt nicht als Mekka der Sonnenanbeter, aber seit den 1970er-Jahren ist Sylt für die Deutschen zum Treffpunkt der Reichen und Schönen der Republik geworden. Doch was macht der Feld-Wald-und-Wiesen-Handel? Denn auch Otto Normalverbraucher reist gern und der ist nun nicht gerade der Zielkunde für Luxuslabels. Bugatti statt Brioni?

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Wer weiß es nicht? Der stationäre Einzelhandel darbt. Im vorvergangenen Jahr sprang nur ein sprödes Umsatzplus von 0,8 Prozent heraus. Aber unser Land hat auch Schutzzonen eingerichtet, in denen die Geschäfte gut gedeihen. Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter von DC DEVELOPMENTS, zitiert gern die Gemeinde Sylt, die aus Westerland, Rantum sowie den Friesendörfern Archsum, Keitum, Morsum und Tinnum besteht. Dort sprang für die Branche in den vergangenen fünf Jahren mit 185 Millionen Euro ein Umsatzwachstum von 11 Prozent heraus. Auch keine Rakete, aber im gleichen Zeitraum konnte der Gesamtmarkt mit 439 Milliarden Euro nur 6,5 Prozent mehr Umsatz verbuchen. Naheliegend: Shoppen im Urlaub ist für viele Menschen zunehmend Teil ihrer Ferienplanung.

„Die Deutschen setzen andere Prioritäten, weil sie andere Ansprüche entwickeln. Die Neigung sinkt, einen weiteren Fernseher, Kühlschrank oder das allerneueste Smartphone zu kaufen. Hingegen wächst das Interesse an Unterhaltung und authentischen (Einkaufs-)Erlebnissen“, sagt Schubert. Ein Blick auf die Zahlen der GfK, Nürnberg, bestätigt: Der Anteil der Einzelhandelsumsätze an den gesamten Konsumausgaben, zu denen Wohnen, Gesundheit, Freizeit etc. zählen, ist zwischen 2010 und 2017 von 29 Prozent auf 27,5 Prozent zurückgegangen. Das sind rund 40 Milliarden Euro jährlich und mehr als die Deutschen 2017 beim Online-Einkauf voraussichtlich ausgegeben haben. So schätzt eine Studie von eco – Verband der Internetwirtschaft und Arthur D. Little für das zurückliegende Jahr allein im digitalen Verkauf von Waren und Dienstleistungen an Endkunden einen Umsatz von 35 Milliarden Euro.

Die Zinsen sind niedrig und da locken Immobilien. Mit 278.000 Wohneinheiten wurden 2016 so viele fertiggestellt wie seit 2004 nicht mehr. Allein bei privaten Eigenheimen und Eigentumswohnungen gab es einen Zuwachs von 4 Prozent. Und wer nicht kauft, renoviert.

Auch Autos oder Reisen stehen auf den Wunschlisten der Deutschen weit oben. Stärker als die Investitionen in Immobilien und Autos wachsen in Deutschland die Ausgaben für den Urlaub. 1.166 Euro gab jeder Bundesbürger 2016 für Privatreisen aus. Das sind 5 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Erinnerung an den Kauf der Armbanduhr oder auch der Jeans im letzten Urlaub verbindet sich dann mit Surfen, Sand und Strand. Der Einkauf ist fester Teil des touristischen Entspannungsprogramms.

Interview: Keine Patentrezepte“

Neue Mitte in Westerland (Bild: Screenshot DC DEVELOPMENTS)

Der studierte Diplom-Bauingenieur und Immobilienökonom Lothar Schubert gründete 2007 als geschäftsführender Gesellschafter zusammen mit der DAHLER & COMPANY Group die Projektentwicklungsgesellschaft DC DEVELOPMENTS, die unter anderem das Strandkai-Quartier in Hamburg und die Sedelhöfe in Ulm entwickelt hat und deutschlandweiter Experte für Quartiersentwicklung ist. Auch Neue Mitte in Westerland auf Sylt ist ein DC-Projekt. FT befragte Schubert nach seiner Sicht zu Freizeit, Ferien und Fashionkauf.

Lothar Schubert, DC DEVELOPMENTS (Bild: DC DEVELOPMENTS

FT: Sicher liegen auf Sylt die Einkommen der Bewohner und der Gäste über dem Bundesdurchschnitt. Haben Sie auch Vergleichszahlen zu normalen Innenstädten oder den übrigen Zentren, die Sie betreiben?
Lothar Schubert: „Im Vergleich zu den Zentren der nicht touristischen Städte fällt auf, dass die Einzelhandelskaufkraft in Westerland überdurchschnittlich hoch ist. Liegt sie im Bundesdurchschnitt bei einem Wert von 100, so weist die Kaufkraft auf Sylt einen Wert von 110,92 auf. Von 132 Städten liegt der Urlaubsort damit auf Rang 6. Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu diesen anderen einzelhandelsrelevanten Städten mit circa 2 Prozent am niedrigsten. Auch zu ergänzen ist an dieser Stelle, dass die Luxusshoppingmeile der Insel eher in Kampen als in Westerland angesiedelt ist.“

Gute Geschäfte bedeuten auch gute Ladenmieten – aus Ihrer Sicht. Wie bewerten Sie den Kostenfaktor Ladenmieten in dem Zusammenhang?
„Das Mietpreisniveau in der Neuen Mitte Westerland liegt unter der Spitzenmiete in den 1-a-Lagen. Gleichzeitig werden in unserem Objekt überdurchschnittliche Umsätze bei den Händlern erzielt. Das bietet den Händlern eine sehr gute Basis für gute Geschäfte.“

Warum ist ausgerechnet auf Sylt beziehungsweise Westerland der Modeanteil im örtlichen Handel so hoch?„Der Anteil Textil liegt bei rund 32 Prozent, Gastronomie bei rund 15 Prozent und beide damit deutlich über Bundesdurchschnitt. Der Großteil der Kunden sind Urlauber, die in ihrer Zeit auf der Insel überwiegend Konsumgüter nachfragen und ihren Urlaub genießen wollen. Der Textileinzelhandel gehört außerdem zu den Flächennachfrager-Schwergewichten.“

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Bedeutet das im Umkehrschluss, dass bestimmte Handelsformate oder Angebote, zum Beispiel Textildiscounter oder Spielhallen, in touristischen Zentren nicht angenommen werden?
„Dies kann nicht pauschalisiert werden, denn Angebot und Nachfrage hängen von vielen unterschiedlichen Faktoren und Einflüssen ab. Die Branchenvielfalt ist folglich immer standortspezifisch. Und auch auf der Insel Sylt trifft man Textildiscounter an, denn letztendlich hängt der Erfolg eines Einzelhandelsstandorts immer auch von der Vielfältigkeit des Angebotsspektrums ab.“

Existieren noch weitere Unterschiede, zum Beispiel Mietermix, Flächen etc., zu normalen Innenstadtlagen?
„Ein großer Unterschied im Vergleich zu anderen Innenstadtlagen ist die sehr begrenzte Fläche, die in der Innenstadt von Westerland für den Einzelhandel zur Verfügung steht. Zudem ist der Markt kleinteiliger als in den klassischen Großstädten.“

Was können stationäre Händler in „normalen“ Lagen von Westerland lernen?
„An touristischen Destinationen wie Westerland lässt sich exemplarisch darstellen, wie der stationäre Einzelhandel in Zeiten der Digitalisierung gestärkt werden kann und wie wichtig es ist, Innenstädte als touristische Magnete zu begreifen und zu gestalten.“

Lassen sich auch Erkenntnisse (der Lokalpolitik) für die Stadtentwicklung in normalen Städten ableiten?„Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich Konzepte zur Stadtentwicklung immer an den ganz individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten der jeweiligen Stadt orientieren sollten – unabhängig davon, ob es sich um einen touristischen oder nicht touristischen Standort handelt. Ein Konzept wie die Neue Mitte kann auf Sylt ganz wunderbar funktionieren, ist aber noch lange nicht das Patentrezept für jede andere Stadt in Deutschland.“

„… Ich will wieder an die Nordsee, ohoho“

In Westerlands Haupteinkaufslage um die Friedrichstraße, die Kurpromenade und Bahnhof verbindet, sind die Mieten in den letzten Jahren auf 110 Euro pro Quadratmeter gestiegen – entgegen dem Trend in den anderen Städten Schleswig-Holsteins. Nahezu 30 Prozent des Gesamtumsatzes auf Sylt entfallen auf Mode. In den größeren deutschen Einkaufsstädten liegt der Anteil der Modeumsätze höchstens bei 20 Prozent.

Im Februar letzten Jahres wurde das Immobilienprojekt Neue Mitte Westerland eröffnet. Projektentwicklungsgesellschaft ist DC DEVELOPMENTS. Auf 1.100 Qudratmetern finden sich Shops von American Vintage, SCHIESSER und CLOSED, adidas mit neuem Storedesign und die Elsbach DENIM LIBRARY der Ahlers AG mit eigener Cafébar sowie Marken wie pierre cardin, OTTO KERN, BALDESSARINI und FRIEDA&FREDDIES. Neue Mitte Westerland sei ein Quartier, das Wohnen und Einkaufen verbinde, heißt es vonseiten DC. In Westerland werden insgesamt 61 Prozent des Insel-Einzelhandels und die höchsten Quadratmeterumsätze in der Region erwirtschaftet. Westerland entwickelt sich zur Ganzjahresdestination. Auch Tagestouristen sind eine wichtige Kundengruppe.