Kraftwerk wird nachhaltige Energiequelle

Grüne Messen

Die grünen Messen haben Zulauf. (©Messe Frankfurt)

Autor: Markus Oess

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Die Mischung machts. Erstmals war das Kraftwerk zur Berlin Fashion Week Heimat für den Greenshowroom und die Ethical Fashion Show, ergänzt um ein neuartiges Konferenzformat FashionSustain. Weiterer Magnet war die #Fashiontech-Konferenz der PREMIUM GROUP, die in die neue Location umgezogen ist. Der Präsenz ökofairer Anbieter in der Hauptstadt hat das alles gutgetan.

Und? Ja, was eigentlich? Die Zukunft der Mode hat begonnen, titeln die Macher der grünen Messen in Berlin, die Messe Frankfurt. „Der Greenshowroom und die Ethical Fashion Show Berlin übertreffen alle Erwartungen“, heißt es da im Abschlussbericht. „Top! Wir hatten tolle Besucher am Stand, sowohl was die Anzahl anging als auch die Qualität. Das Kraftwerk liegt superzentral. Besser geht es nicht“, sagt Andreas Wördehoff, Sales und Marketing bei bleed. Und auch Olaf Schmidt, Vice President Textiles and Textiles Technologies bei der Messe Frankfurt, spricht von spannenden und hoch engagierten Labels, einem tollen Fachpublikum und einer nie da gewesenen Themenbreite. „Das Fazit nach drei Tagen im Kraftwerk könnte kaum besser ausfallen. Wir haben gezeigt, dass Nachhaltigkeit und Innovation die Themen sind, die die Modebranche bewegen. Wer nicht im Kraftwerk war, hat was verpasst.“ Da fügten sich die Konferenzformate, die #Fashiontech der PREMIUM GROUP, die jetzt auch ins Kraftwerk gezogen ist, und das neue Format FashionSustain ganz prima ein. FT hat sich vor Ort umgesehen. Herausgekommen ist ein Einblick in eine Modewelt, die bei näherem Hinsehen ziemlich bunt und umtriebig ist.

JECKYBENG

Jeckybeng
Start mit Surftools, ©FT

Wer es schafft, auf der indischen Landkarte ein Fähnchen auf das Örtchen JECKYBENG zu stecken, hat es geschafft. Hm, irgendwie jedenfalls, denn den Ort gibt es nicht. Der Grafikdesigner und Contentmanager Moritz Lorenz begegnete dem vermeintlichen JECKYBENG auf seiner Weltreise, er hatte sich einfach verhört. Später wollte der Name nicht mehr aus seinem Kopf. 2011 begann Lorenz, Surftools herzustellen und sie nebenher zu verkaufen. „Wax Combs, Finkeys, solche Sachen“, erzählt er. Später bedruckte er T-Shirts und arbeitete alte Parkas aus Armeebeständen auf. 2016 stießen seine heutigen Partner dazu: Dominik Fuss, Schneider und Textilingenieur, sowie Thomas Lang, gelernter Bankkaufmann und der E-Commerce-Experte bei den dreien. „Wir verbinden nachhaltige Urban Streetwear mit Funktionalität“, sagt Lorenz. Zum Programm gehören inzwischen unter anderem auch Jacken (VK 400 Euro), Sweats (VK 189 Euro), Cardigans (VK 149 Euro), ein Rucksackmodell, auch die Surftools sind geblieben. In Kooperation mit Dritten werden Sneaker, Messer und Wein unter JECKYBENG angeboten. Die Kalkulation bewegt sich bei 2,5 für die noch kleine Fangemeinde von fünf Läden. Dazu kommt noch der eigene Online-Shop. Der Sitz des Labels ist inzwischen Berlin. Moritz aber ist in Franken aufgewachsen. JECKYBENG – Home of an Urban Outdoor Brand from Bavaria. www.jeckybeng.com

[eyd]

Hilfe für Sexsklavinnen, ©FT

Zugegeben, Lautschrift ist des Redakteurs Sache nicht und so dauert es etwas, bis im Kopf aus [eyd] tatsächlich Aid (englisch für Hilfe) wird. Genau genommen, bis Nathalie Schaller, die das Label gemeinsam mit ihrem Ehemann Simon gegründet hat, erklärt, was sich hinter dem Namen verbirgt. Nach ihrem Jurastudium und Erstem Staatsexamen schloss sie sich der Hilfsorganisation „Youth With A Mission“ an. In dieser Zeit kam sie zum ersten Mal in Kambodscha mit Frauen zusammen, die aus der Zwangsprostitution entkommen konnten. „Die Frauen sind schwer traumatisiert und haben meistens keine Ausbildung. Sie haben keine Chance auf einen Neustart. Das hat mich nicht mehr losgelassen“, berichtet die Label-Chefin. Nach ersten Gehversuchen mit ihrem Label GLIMPSE CLOTHING, das sie in [eyd] umbenannte, ist seit Oktober 2017 die Seite www.eyd-clothing.com mit öko-fairen Produkten online. Schaller unterstützt zusammen mit ihrem indischen Partner CHAIIM ehemalige Zwangsprostituierte und hat dazu auch den Verein Made for Humanity gegründet. „Wir denken die Produktion nicht vom Produkt oder Profit her, sondern von den Produzentinnen. Mit [eyd] investierst du nicht nur in sozial- und umweltverträgliche Mode, sondern hauptsächlich in die Menschen, die diese für dich machen. Die Frauen sollen den wahren Gewinn einfahren, eine Arbeit, eine Zukunft bekommen. Für ihr Handwerk erhalten sie faire Löhne. Außerdem entwerfen wir möglichst puristische Designs, orientiert an der individuellen Belastbarkeit der Frauen“, heißt es dazu auf der Website. Heute arbeitet [eyd] mit rund zehn Händlern (Kalkulation 2,5; 30 Prozent Menswear) und beliefert außerdem auch Firmen und Sportvereine. www.eyd-clothing.com

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continew

Liebe zum Auto, ©FT

continew sitzt in Südkorea und gibt Schrottautos ein zweites Leben – teilweise, denn das Label stellt aus deren Innenleben (Ledersitze, Gurte oder Airbags) Accessoires her: Geldbeutel, Taschen oder auch Rücksäcke. Firmengründer und Inhaber Ian Choi ist voller Zuversicht nach Berlin gekommen. Er ist zum ersten Mal in Deutschland und hofft, auch bei den autoverliebten Deutschen zu landen. „Manche trauern regelrecht um ihr Auto und so lebt immerhin ein Stück des einstigen Blechlieblings weiter“, scherzt er und versichert, nur gute Erinnerungen zu verwerten, Autos also, die technisch das Zeitliche gesegnet haben. Unfallfahrzeuge fasst Choi nicht an. Das Leder stammt aus Fahrzeugen der Marken Kia, Chevrolet, Hyundai und VW. In Korea selbst listet Choi ein Warenhaus und drei Läden auf, in denen continew zu kaufen ist. Im April soll in Los Angeles der erste Store in den USA dazukommen. Bei einer Marge von 60 Prozent liegen die VK für Lederrucksäcke bei 315 GBP, für Airbagrucksäcke bei rund 90 GBP und Geldbeutel kosten um etwa 60 GBP. www.wecontinew.com

KUYICHI

KUYICHI
Wieder zurück, ©KUYICHI

Um die Gunst der Händler wirbt auch das holländische Jeans-Label KUYICHI (50 Prozent Menswear). Aber nicht eben als Newcomer. KUYICHI, benannt nach dem peruanischen Regenbogengott, kam im Jahr 2001 auf den Markt und mauserte sich neben dem schwedischen Label Nudie zu einem der bekannten Öko-Anbieter. Unter der Führung von Leo Cantagalli sollte das Label zum Systemanbieter hochgezüchtet werden. Dann kam im Dezember 2015 das plötzliche Aus. KUYICHI meldete Insolvenz an. Kurze Zeit später übernahm Peter Schuitema mit seinen Partnern Bjorn John Baars, Floortje Dessing und Guido Keff das Label, die auch hinter dem Öko-Händler nukuhiva, Amsterdam, stecken. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz nach Angaben einer Sprecherin bei rund 850.000 Euro und soll in diesem Jahr auf 1,2 Millionen Euro steigen, auch unter Mithilfe der rund 70 Händler in Deutschland. www.kuyichi.com

DEDICATED

DEDICATED
Schon immer nachhaltig, ©DEDICATED

Das schwedische Streetwear-Label DEDICATED ist im Berliner Messebetrieb eigentlich auf der SEEK zu Hause. Seit zwei Jahren kommt es zusätzlich auf die grünen Messen. Der Grund: „DEDICATED ist ein angesagtes Streetwear-Label, das eben schon immer auch nachhaltig war, und mit Preisen zum Beispiel für T-Shirts von rund 35 Euro oder für Jacken von 120 Euro sind wir gegenüber konventionellen Streetwear-Labels absolut wettbewerbsfähig“, sagt Sören Maihack, Köln, warum sich die Schweden einen zweiten Auftritt gönnen. Er verantwortet den Vertrieb und arbeitet hierzulande mit rund 80 Händlern zusammen, die immerhin einen Umsatz von rund Millionen Euro Umsatz einbringen. Mittelfristig will der Kölner das Vertriebsnetz auf ein, zwei Department Stores und 200 bis 250 Händler ausbauen. Maihack wird auch auf den grünen Messen einige von ihnen treffen. Insgesamt zeigten 170 Labels aus 26 Ländern nachhaltige Kollektionen für die Herbst/Winter-Saison 2018/19. Mit 61 Prozent Ausstellern aus dem Ausland seien der Greenshowroom und die Ethical Fashion Show Berlin so international wie noch nie gewesen. www.dedicatedbrand.com