Wenig ist mehr

Konsum

Shopping hat als erfüllendes Hobby bei einer steigenden Zahl von Menschen ausgedient.©pixabay
Autor: Andreas Grüter

Jede Woche ein neues Outfit, jedes Jahr ein neues Handy und dazwischen die kleinen Never-go-withouts, die man sich gerne gönnt – die Lust am Erlebnis Einkauf ist, so scheint es, bei vielen Konsumenten größer denn je. Doch während Industrie und Handel an immer neuen Tricks und Kniffen zur Absatzsteigerung feilen, hat Shopping als erfüllendes Hobby bei einer steigenden Zahl von Menschen ausgedient. Warum Konsumverweigerung der Trend der Zwanzigerjahre sein wird.

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Klimawandel, Kinderarbeit, Vermüllung und Ressourcenverschwendung. Dazu die Zweifel am Modell des ewigen Wachstums und die Erkenntnis, dass das zigste Paar Sneaker oder der Kauf des aktuellsten Computermodells nicht mehr die erhoffte Befriedigung verschaffen. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, um seine Konsumgewohnheiten zu überprüfen und den sich wandelnden globalen Realitäten anzupassen. Und immer mehr Menschen stellen sich dieser Aufgabe. Galt eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber einem ungebremsten Konsum lange als Ökospinnerei, so gibt das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten heute längst den Lifestyle-Takt vor. Kaum ein Trendmagazin, das nicht über die neuesten Entwicklungen im Bereich Slow Fashion berichtet, kaum ein Modeblog, der es sich noch leisten kann, das Thema Ökologie komplett außen vor zu lassen. Wo die einen jedoch lediglich von herkömmlich, sprich oftmals fragwürdig hergestellten Produkten auf zertifizierte Ware switchen, ohne die Taktung ihrer Einkäufe maßgeblich zu verändern, machen die anderen Nägel mit Köpfen und verweigern sich den gängigen Konsumstrukturen teilweise oder gleich komplett.

Die Schönheit der Reduktion

Jüngste Vordenker der Bewegung sind unter anderem die als Downshifting- und Minimalismusexpertin bekannt gewordene Japanerin Marie Kondō und der britische Wirtschaftswissenschaftler und Autor Robert Skidelsky, der in seinem Bestseller „Wie viel ist genug?“ den gegenwärtigen Kapitalismus und seine Befeuerung der Unersättlichkeit geißelt und zu einer Ökonomie des guten Lebens aufruft. Dazu gehören Tauschkreise, Secondhand-Waren und Foodsharing ebenso wie Repair-Cafés, Unverpackt-Läden und der Griff zu hochwertigen und somit besonders langlebigen Gebrauchsgütern. Dass gerade Vertreter der Mittelschicht Antreiber der Entwicklung sind, verwundert dabei nicht. So fand der Wirtschaftsnobelpreisträger Sir Angus Deaton in einer Studie heraus, dass zusätzlicher Wohlstand oberhalb eines Einkommens von 75.000 Dollar nicht glücklicher macht. Ein Sättigungspeak, der nicht nur keine Steigerung des Wohlbefindens mehr bringt, sondern nach Meinung des Wachstumskritikers Niko Paech im Gegenteil sogar belastend wirken kann. Mit immer neuen Kaufhandlungen mutet man sich immer mehr Objekte zu, die die Fähigkeit, den Nutzen der Dinge auszuschöpfen, überfordern. Zurück bleiben gestresste Konsumenten, die schlicht und einfach den Überblick über die von ihnen angehäuften Waren und ihre Funktionen verlieren. Also gleich alles über Bord? Was sagt hier die Basis?

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Von wenig zu nichts?

Das haut so ganz sicherlich auch nicht hin, meint André Kniepkamp, freiberuflicher Motion Designer, Illustrator und Fotograf aus Köln. Der 45-Jährige hat sich in Sachen Konsumreduktion bereits vor einigen Jahren auf den Weg gemacht. Er sei zwar nie ein Shopping-Victim gewesen, habe aber häufig aus einem Impuls heraus gekauft. Neben der Auseinandersetzung mit der DIY-Kultur und vegetarischer beziehungsweise veganer Ernährung waren es dann vor allem Labels wie LANGBRETT und patagonia, die ihn dazu inspiriert haben, sein Konsumverhalten noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. „Mich hat die ‚Don’t buy this jacket‘-Aktion, mit der sich patagonia 2011 gegen den Black Friday stellte, beeindruckt. Ich habe mich mittlerweile von vielen Dingen, von denen ich wusste, dass ich sie nicht mehr benötige, getrennt. Teilweise habe ich sie verkauft und teilweise verschenkt.“ Was übrig blieb, wird, falls möglich, erst einmal repariert und erst wenn dies nicht durchführbar ist, durch hochwertige und funktionsorientierte Neuware ersetzt. Und wie ticken Familie, Freundeskreis und berufliches Umfeld? Gibt es Diskussionen? „Ja, es wird eigentlich ständig über diese Themen diskutiert, wobei sehr auffällig ist, wie extrem das Lager der Befürworter und das der Gegner auseinanderdriften. Ich bin überzeugt, dass sich fundamental etwas ändern muss, aber wo das richtige Maß liegt, muss letztendlich jeder selbst entscheiden.“