Zurück zu neuer Normalität

Markus Oess ©FT

Normalerweise würde ich jetzt an dieser Stelle über den Start der kommenden Order schreiben, welche Trends kommen und mit welchen Erwartungen die Firmen aus dem laufenden Jahr aus- und in das neue einsteigen. Wir würden über die Berliner Messen berichten und natürlich auch über die Pitti Uomo in Florenz. Aber nun trifft uns SARS-CoV-2 wieder mit voller Wucht. Der Wellenbrecher hierzulande hat eben nicht wie erhofft die Fallzahlen deutlich nach unten gedrückt, immerhin konnte er für eine längere Zeit das exponentielle Wachstum stoppen. Nur reicht das nicht und die Verbreitung des Virus nimmt wieder Fahrt auf, sie beschleunigt sich. Wir hätten alle im Sommer mehr Vernunft an den Tag legen müssen, das Reisen sein lassen und die Kontakte beschränken. Wären wir alle vorsichtiger gewesen, hätten wir gute Chancen gehabt, das Virus in Schach zu halten. Hätten. Dass wir eine zweite und dritte Welle erleben werden, davor warnten Virologen und Epidemiologen schon vor Monaten. Von Überraschung kann da keine Rede sein. Doch statt danach zu handeln, haben wir uns die Rückkehr zur Normalität oder ihrem Trugbild mit einer schleichenden Verbreitung des Virus erkauft. War ja auch ziemlich bequem so. Dem Virus ist es auch egal, ob es auf einer Hochzeit, im Badeurlaub, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Büros überspringen kann, es tut es einfach.

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Wir alle, nicht die Politiker oder die Wissenschaftler, tragen die Verantwortung dafür, dass nun ein harter Lockdown unumgänglich ist. Wir alle und nicht nur „die anderen“ sollten jetzt auch verantwortlich handeln und die Kontakte wie empfohlen deutlich reduzieren. Nicht ohne Grund war dem Beschluss der Bundesregierung und der Länderchefs ein flammender Appell der Leopoldina und damit von führenden Wissenschaftlern vorausgegangen, denen wohl keiner in der Angelegenheit Eigeninteressen vorwerfen kann, den harten Lockdown jetzt dringend anzugehen. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit und zwischen den Jahren läuft die Wirtschaft sowieso im gedämpften Modus, sind viele Menschen in Urlaub und machen sich die Maßnahmen nicht ganz so schmerzhaft bemerkbar wie sonst. Natürlich trifft es die Textilbranche und speziell die Händler hart, die jetzt auf Bergen von Ware sitzen bleiben und tatenlos zusehen müssen, wie sich die Hoffnung auf einen halbwegs versöhnlichen Jahresschlussspurt verflüchtigt. Viele werden sich jetzt richtig strecken müssen, um den Lockdown überhaupt zu überleben. Nicht jedes Unternehmen wird das schaffen.

Der ordoliberale Wirtschaftswissenschaftler und Präsident des ifo Instituts, Clemens Fuest, argumentiert, ein harter Lockdown jetzt verhindere noch weit größere Schäden im Januar und Februar 2021. Würden die Infektionen unvermindert anschwellen und die Krankenhäuser unvermeidbar zulaufen und bei einer deutlich verschärften Infektionslage die Wirtschaft und das öffentliche Leben erst im kommenden Jahr stillgeschaltet, wären die Folgen weit dramatischer: volle Krankenhäuser, überfüllte Intensivstationen und täglich steigende Todeszahlen. Das öffentliche Leben könnte unter die Räder kommen. Denn das Virus unterscheidet nicht zwischen Menschen mit systemrelevanten Berufen und anderen. Was, wenn 5 oder 10 Prozent der Ärzte, der Polizisten und der Feuerwehr und so weiter außer Gefecht sind? Fuest nennt das Herunterfahren eine Investition in die Zukunft. Sicher, Details des Lockdowns und der staatlichen Hilfen sind nicht optimal ausformuliert. Unvermeidlich ist er dennoch und der Staat unterstützt die Menschen und die Unternehmen, so weit es eben geht. Auch für den Handel werden weitere Hilfen bereitgestellt. Dafür verschuldet sich das Land massiv, aber die Verschuldungsquote des deutschen Staates dürfte diesmal niedriger ausfallen als nach den Stützen in der Finanzkrise 2008. Wir erleben vielleicht die größte Krise der Nachkriegszeit Deutschlands, aber wer sagt, mit dem Lockdown wird den Menschen die Zukunft geraubt, irrt gewaltig. Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland ist bislang aus den Krisen der jüngeren Vergangenheit gestärkt herausgekommen. Warum sollte das diesmal anders sein? Wir sollten den Blick in eine bessere Zukunft richten und gemeinsam die dafür vor uns liegenden Aufgaben angehen. Wir, das Team von FT, bedanken uns bei allen Lesern für ihre Treue und bei unseren Partnern für ihre verlässliche Zusammenarbeit. Möge das kommende Jahr ein gutes werden, in dem wir das Virus besiegen und wieder ein Stück Normalität einkehrt, auch wenn die dann sicher anders aussehen wird, als wir uns das noch vor zwölf Monaten gedacht haben.

Ihr

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Markus Oess