Das Kerngeschäft, Corona und die Kettenreaktion

Vagabond

Vagabond Shoemakers hat sich in diesem Frühjahr von seinem Vertriebspartner Tygesen Company A/S und der Vagabond Schuhvertrieb GmbH getrennt und den Alleinvertrieb für den deutschen Markt über die Vagabond International AB übernommen. alle Bilder ©Vagabond

Autor: Markus Oess
Die schwedische Schuhmarke betrachtet Deutschland und Österreich als Schlüsselmärkte. Aktuell erzielt das Label hier 30 Prozent des Umsatzes und will weiterwachsen, nachdem der Vertrieb in Deutschland und Österreich übernommen wurde. Wie und welche Händler das Label dabei an Bord holen will, erklärt der neue Vetriebsleiter Jan-Dirk Wittrock im FT-Gespräch. Zunächst aber muss die Corona-Krise verdaut werden, bevor wieder an Expansion zu denken ist.

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Die Händler sind vorsichtiger geworden, kaufen bedachter und ausgewählter ein, aber auch das Kaufverhalten der Endverbraucher hat sich verändert.“ Jan-Dirk Wittrock

FT: Herr Wittrock, im vergangenen März hat Vagabond den Vertrieb in Deutschland und Österreich übernommen. Können Sie noch einmal kurz die Hintergründe erklären?
Jan-Dirk Wittrock: „Grund für die einvernehmliche Trennung war die Möglichkeit, den Alleinvertrieb für Deutschland/Österreich zu übernehmen. Auch ein sich verändernder Einzelhandel, in dem Vagabond mit einer Perspektive als globale Marke agieren will, stand im Fokus der Übernahme. Gleichzeitig wollte die Tygesen Company ihr Kerngeschäft als Distributor mit entsprechenden Aktivitäten und Marken weiter ausbauen.“

Deutschland und Österreich sind Schlüsselmärkte für die Marke, wie groß sind aktuell der Umsatz und der Anteil gemessen am Gesamtumsatz?
„Deutschland/Österreich ist unser größter Markt und hat für das Unternehmen eine enorme Bedeutung. Der Gesamtumsatz beläuft sich hierbei auf 30 Prozent und unterstreicht die Wichtigkeit dieses Marktes.“

Wo wollen Sie mittelfristig hin?
„Bedingt durch die Corona-Krise, die auch uns getroffen hat, ist es uns wichtig, in erster Linie das bestehende Geschäft und den Markt zu stabilisieren. Gleichzeitig möchten wir auch mit unserem Wholesale-Kunden weiterwachsen. Wir setzen hierbei auf Qualität statt Masse. Wir hoffen und gehen davon aus, ab Mitte 2021 wieder an den Plänen von vor Corona anknüpfen zu können.“

In Berlin befinden sich ein neuer Showroom und auch ein neuer Flagship-Store. Gibt es eine neue Philosophie im Markenauftritt und wie sieht diese aus?
„Klarheit und Minimalismus repräsentieren unsere Marke. Durch die Eröffnung des Showrooms in Berlin möchten wir diese typische DNA von Vagabond nach außen transportieren. Wir sehen den neuen Showroom als Schaufenster unserer Marke, wie unser CEO Klas Andersson schon vor einigen Monaten formulierte.“

Wie viele eigene Stores haben Sie in Deutschland und Österreich?
„Zurzeit haben wir zwei eigene Stores in Deutschland und Österreich sowie Shop-in-Shop-Lösungen mit ausgewählten Partnern.“

Wie viele sollen es noch werden?
„Aufgrund der aktuell angespannten Corona-Situation mussten wir Expansionspläne stoppen. Natürlich haben wir attraktive Standorte im Auge und sind offen für Gespräche, wenn sich eine Möglichkeit ergibt.“

Welche Handelskunden haben Sie im Kopf und sind auch Textiliten darunter?
„Sicherlich haben auch wir eine potenzielle Wish List, die auch Textilhändler umfasst, weil wir aktuell gute Beispiele haben, wo es sehr gut funktioniert – für beide Seiten. Auf der anderen Seite stehen aber genauso viele Schuhhändler auf der Liste.“

Die Schuhe werden inzwischen in der eigenen Fabrik in Vietnam hergestellt.

Die Textilhändler sind dem Schuhhandel zumindest konzeptionell voraus, heißt es oft. Können Sie dem zustimmen?
„Das ist eine sehr pauschale Aussage. Natürlich gibt es Textilhändler, die konzeptionell gut aufgestellt sind, aber auch welche, die übers Ziel hinausschießen. Ich denke, dass es richtig ist, eine gute Balance zu finden. Diese Balance würden wir gerne mit unseren Partnern umsetzen und ausbauen. Also auch eben gemeinsame Konzepte entwickeln, an denen beide Freude haben.“

Wenn Sie einen Laden eröffnen könnten, wo wäre das und wie sähe der Laden aus?
„Selbstverständlich gibt es viele Standorte, wo wir uns als Marke präsentieren könnten. Wichtig ist uns dabei aber, dass wir ein modisch interessiertes Publikum mit entsprechender Kaufkraft ansprechen. Städte wie Hamburg und München sind deshalb sehr attraktiv für uns und wir können uns vorstellen, unsere DNA als Betreiber dort zu verkörpern. Wenn Sie mich persönlich fragen, ist es genau diese eigene Dann, die jedes Geschäft haben sollte, um auch authentisch und ehrlich dem Kunden gegenüber und erfolgreich zu sein.“

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Corona hat der Branche schwer zugesetzt. Inwieweit mussten Sie bei Ihren Wachstumsplänen auf die Bremse treten?
„Zurzeit ruhen Expansionspläne mit der VS Retail GmbH. Die Corona-Krise hat uns als Unternehmen aufgezeigt, welche Baustellen beseitigt werden müssen beziehungsweise welche Projekte priorisiert werden müssen und welche langfristigen Ziele erst mal aufgeschoben werden können. Durch die Corona-Krise sind ja auch unsere Kunden betroffen. Dies hat eine Kettenreaktion zur Folge, deren Auswirkung wir auch ganz direkt spüren.“

Wie unterstützen Sie aktuell den Handel, um Luft aus dem Kessel zu bekommen?
„Schon im April haben wir uns der neuen Situation angepasst und bestellte Waren storniert, die dann nicht zur Auslieferung gekommen sind. Dies hatte zum einen den Grund, dass wir das Lager beim Kunden nicht zu voll haben und etwas den Druck nehmen wollten, zum anderen wussten wir nicht, wie sich die Lage entwickeln würde.“

Der Einzelhandel ändere sich, hieß es damals bei Bekanntgabe der Übernahme der Vagabond Schuhvertrieb GmbH. Sie waren da noch nicht offiziell im Amt, aber was ist damit gemeint?
„Dass der Einzelhandel einem Wandel unterliegt, ist kein Geheimnis. Bedingt durch die Corona-Krise, hat sich diese Situation noch viel schneller geändert, deren Auswirkungen auch wir direkt spüren. Die Händler sind vorsichtiger geworden, kaufen bedachter und ausgewählter ein, aber auch das Kaufverhalten der Endverbraucher hat sich verändert oder auch teilweise verlagert. Dazu kommt, dass sich die Handelsstruktur auch ändert in Form derer, die am Markt aktiv sind.“

Welche Antworten hat Vagabond darauf?
„Vagabond hat ein großes Interesse daran, bestehende Partnerschaften intensiv zu pflegen und gemeinsam mit unseren Kunden Wachstumspotenziale auszuschöpfen und zu bewerten. Denn diese Potenziale gibt es, auch wenn es in der aktuellen Situation vielleicht nicht so scheint. Selbstverständlich kommt da auch die oben genannte Wish List wieder ins Spiel.“

Wie erfahren die Händler von den Neuheiten und den neuen Kollektionen?
„In der aktuellen Situation setzen wir verstärkt auf Online-Präsentationen, Online Meetings und Vorabinformationen per Mail. Natürlich fehlt uns der direkte Kontakt mit unseren Kunden sehr und wir hoffen, dass wir in 2021 viele Kunden wieder persönlich antreffen dürfen. Dann wird natürlich auch ein Fokus auf Messen, Messen in Verbundgruppen und Orderterminen eine Rolle spielen.“

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die nächsten beiden Orderrunden?
„Grundsätzlich sind wir positiv gestimmt und möchten auch so ins neue Jahr starten. Wir sind uns bewusst, dass auch die nächsten Ordertermine nicht wie gewöhnlich ablaufen werden, freuen uns aber sehr auf den engen Kontakt und Austausch mit unseren Kunden und weiteren Zuwachs in diesem Bereich. Corona hat die Branche verunsichert. Dennoch ist nicht alles schlecht gelaufen und wir hatten durchaus die Möglichkeit, in einigen Bereichen zu wachsen und für die Zukunft Chancen zu sehen.“

Selbstläufer

Vagabond Shoemakers hat sich in diesem Frühjahr von seinem Vertriebspartner Tygesen Company A/S und der Vagabond Schuhvertrieb GmbH getrennt und den Alleinvertrieb für den deutschen Markt über die Vagabond International AB übernommen. Inzwischen hat sich die schwedische Schuhmarke auch die Dienste von Jan-Dirk Wittrock als neuem Vertriebsleiter für den deutschen Markt gesichert. Wittrock verfügt über langjährige Branchenkenntnis und war für mehrere führende europäische Schuhmarken tätig. Neben der Weiterführung des deutschen Gesamtvertriebs ab Auslieferung der Herbst/Winter-2020-Kollektion und der Planung der Saison Frühjahr/Sommer 2021 gehört der Ausbau der Markenerfolge zu seinen Aufgaben. Der 2019 in Berlin neu eröffnete Vertriebs-Showroom soll neuer Angelpunkt von Wittrocks Tätigkeit werden.

Vagabond wurde 1973 von Mats Nilsson und Marie Nilsson Peterzén gegründet. Der Hauptsitz befindet sich im schwedischen Vargberg. Vagabond zählt 100 Mitarbeiter im schwedischen Headquarter und rund 500 weltweit. Der Jahresumsatz liegt bei circa 92 Millionen Euro (2019). Das Unternehmen besitzt eine Fabrik in Ho Chi Minh City, Vietnam.