„Ich schaue viel lieber nach vorn“

ALBERTO

Marco Lanowy, ©ALBERTO

Autor: Markus Oess
Ortstermin: Mönchengladbach, Rheydter Straße 19-31. Ich parke mein Auto direkt vor dem Hauptgebäude, steige aus und gehe durch den Eingang die Treppe hoch. Weiter geht es den langen Korridor entlang, vorbei am Tresen, hinten in den Showroom. Nur kurze Zeit später geht die Tür auf, Marco Lanowy, seit langer Zeit schon Geschäftsführer des Hosenspezialisten ALBERTO, lächelt, grüßt und setzt sich mir gegenüber. Diesmal habe ich kein Konzept. Wir sprechen einfach.

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In diesem Jahr feiert ALBERTO sein 100. Jubiläum. Auf den „Hund“ gekommen, wie es im Wortspiel von ALBERTO heißt. Groß feiern will Lanowy nicht. Warum auch? Der Blick richtet sich nach vorn in die Zukunft, in die nächsten zehn Dekaden. Dann sagt Marco doch noch etwas zum Jubiläum. Passiert ja auch nicht alle Tage:

„100 Years of Pants – was braucht es einen besseren Beweis für unsere Produktkompetenz? Ich bin stolz, Teil dieser Geschichte sein zu dürfen. Kontinuität ist ein Unternehmenswert, den auch die Unternehmerfamilie Walendy mit Bedacht und gegenseitigem Vertrauen aufgebaut hat und weiterführt. Allerdings schaue ich viel lieber nach vorn, auf die kommenden Jahre.

Es geht nicht nur darum, eine handwerklich perfekte Hose zu fertigen. Das ist selbstredend seit jeher unser Anspruch. Es geht darüber hinaus auch darum, mit innovativen Materialien und angepasst an die Bedürfnisse der Menschen Produkte zu entwickeln, die ihre Needs bedienen. Seien es in unserem Falle die perfekten Business Pants oder Business Jeans, Golf Pants oder Bike Pants. Hosen für den Moment.“

Das aus Stahl gefertigte, weltweit erste 3-D-gedruckte E-Bike.

ALBERTO ist immer für eine Kooperation gut. Die Sache muss zum Unternehmen, zum Kern passen, klar. Sonst aber ist Marco offen für alles Neue. Anlässlich des 100. Firmenjubiläums ist ALBERTO eine besondere Kooperation eingegangen. Gemeinsam mit der Magdeburger Bike-Manufaktur URWAHN lanciert das Hosenlabel ein Jubiläumsrad, das besonders abhebt. Das Jubiläumsrad ist ein Gravel E-Bike. Das aus Stahl gefertigte, weltweit erste 3-D-gedruckte E-Bike mit spezieller Softride-Baustruktur bringt 14,8 Kilogramm auf die Waage und verfügt über 40 Nm Drehmoment am Hinterrad. Der Elektroantrieb von MAHLE hat einen 250 Wh starken Akku. Das langt für Reichweiten von bis zu 80 Kilometern. Das Bike ist inzwischen für Marco ein zentraler Markenbaustein:

„Wenn wir ein Fahrrad in Kooperation mit URWAHN auf den Markt bringen, das selbst Kenner der Szene qualitativ und vom Innovationsgrad her überrascht, oder mit unseren Barista Pants ein Teil auf den Markt bringen, das aus Kaffeekohlepartikeln hergestellt wird und viel Funktionalität auf sich vereint, ist es genau das, was ich damit meine. Auch unsere Kooperation mit 140Fahrenheit zählt dazu. Uns ist es tatsächlich gelungen, mit unseren Bikepants ein neues Segment für die Mode zu öffnen. Inzwischen sind wir ja nicht mehr die Einzigen, die Mode und neue Mobilität, die Fahrrad und Funktionalität in der Fashion verbinden. Das allein genügt uns allerdings nicht. Wir haben der Branche auch Impulse gegeben. Beispielsweise, dass Fahrradläden, die auch Bikebekleidung im Sortiment haben, eine Umkleidekabine brauchen. Die Hose steht immer noch im Zentrum unseres Tuns, aber Fortschritt verlangt immer auch ein Denken über den Tellerrand hinaus. Eine unserer Passionen!“

Bike Pant in Zusammenarbeit mit 140Fahrenheit

Unter Born & Finished hat ALBERTO jüngst auch eine neue Bike Pant auf den Markt gebracht, die in Zusammenarbeit mit 140Fahrenheit entstanden ist. Im Kontext von Umwelt, Gesundheit und urbaner Mobilität gebe es kaum ein stärkeres Statement als Radfahren, heißt es aus Mönchengladbach. Die Hose besteht aus 98 Prozent Organic Denim sowie 2 Prozent recyceltem Elasthan und ist entsprechend funktional ausgestattet. Sie setze in puncto Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung neue Maßstäbe, heißt es weiter. 140Fahrenheit, dem GOTS-zertifizierten Mönchengladbacher Start-up der Brüder Felix und Max Holtgrave, sei es dank ökologischer Technologien gelungen, die Denim-Veredelung neu aufzusetzen. Beim Finishing kommen Laser, GOTS-zertifizierte Enzyme und Ozon zum Einsatz. Der Wasserverbrauch liegt um 75 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Prozessen. Und Energie wird ausschließlich aus regionalen Windparks und bald aus hauseigenen Solaranlagen bezogen. Generell sind Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung für Marco ein Thema mit strategischem Gewicht:

„Unser aller Ressourcen sind beschränkt. Also sollten wir damit sehr sorgfältig umgehen und vermeiden, Müllberge zu produzieren. Leider produziert die Branche immer noch viel zu viel für Outlets. Bei ALBERTO arbeiten wir beispielsweise bereits seit 20 Jahren mit einer vorausschauenden Lagerhaltung, um einerseits dem Handel Warensicherheit zu gewährleisten und andererseits im Sinne der nachfolgenden Generationen die Systeme nicht zu überlasten.

Ein weiteres Beispiel: Ab der Sommerkollektion 2023 werden wir nachhaltige Waschungen bei unseren Jeans und Baumwollhosen einsetzen. Das beinhaltet die Einsparung von mindestens 60 Prozent Wasser, den Einsatz von ausschließlich GOTS-zertifizierten und gleichzeitig umweltschonenden Chemikalien sowie keine Nutzung von Chlor und Permanganat. In Arbeit sind zudem die durchgängige Nutzung von Solarenergie und ein geschlossener Kreislauf des Wasserrecyclings in den Wäschereien. 

Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, denn nur wenn alle in der Branche konsequent daran arbeiten, in diesem Bereich immer besser zu werden, werden wir messbare Erfolge verzeichnen können. Der Konsument als letzte Instanz spielt hier auch eine wichtige Rolle. Dafür aber braucht er auch die richtigen Informationen. Nachhaltigkeit ist eine Haltung und wir gehen hier Schritt für Schritt unseren Weg. Bei uns im Unternehmen entwickelt ein ganzheitlich aufgestelltes Kreativteam die Kollektionen, sodass wir den gesamten Produktionsprozess im Blick haben und nicht nur einzelne Anschnitte.“

Durch die Pandemie sei das Unternehmen letztlich gut durchgekommen, berichtet Marco. Die anfänglichen Umsatzverluste wurden wettgemacht und nun rechnet der ALBERTO-Chef mit weiterem Wachstum, allen Krisen und Herausforderungen zum Trotz, die aktuell die Nachrichtenseiten füllen:

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„Die vielfältigen aktuellen Herausforderungen, bedingt durch Krieg, Preis- und Kostenexplosion oder gebrochene Lieferketten, betreffen natürlich auch uns. Da wir auch gerade in diesen herausfordernden Zeiten ein verlässlicher Partner sein möchten, gehen wir unseren Handelsagenturen und Händlern gegenüber mit größtmöglicher Transparenz zu Werke und informieren umfassend. Ich blicke auch jetzt optimistisch nach vorn, denn Krisen bringen auch oftmals Gutes hervor. Unsere Wachstumsperspektiven in den angestammten Märkten sind sehr robust. Wir wollen aber auch mit den Bike Pants und den Golfhosen national und international wachsen. Potenzial sehe ich unter anderem in der DACH-Region, Benelux, aber auch zum Beispiel in Südkorea und den Emiraten. Für das gesamte Programm sind überdies Spanien und Skandinavien gute Märkte. Wir sind inzwischen in 50 Ländern unterwegs. 13 von ihnen definieren wir als Kernländer, darunter Nordamerika, Benelux, Polen und die DACH-Region. Uns ist es gelungen, den Umsatzverlust aus der Pandemie wieder wettzumachen. Wir haben aber auch nicht auf die fehlenden 5 Millionen Euro geschaut, sondern auf die verbliebenen 45 Millionen Euro und diese abgesichert. Es ist schon ein Paradigmenwechsel, weil wir nicht unbedingtes Wachstum als Unternehmensziel definieren, sondern auch strukturelles.

Uns kam auch zugute, dass wir uns in der Wachstumsphase auf unser komplettes Team verlassen konnten, uns war es gelungen, alle zu halten, und wir mussten keinen Know-how-Verlust durch Abgänge ausgleichen. Das ist in Zeiten des wieder spürbaren Fachkräftemangels ein absoluter Vorteil. Wir suchen sogar wieder zusätzliche Mitarbeiter.“

Digitalisierung ist im Zusammenhang mit der Pandemie wohl zu einem der meistzitierten Begriffe in der Wirtschaft geworden. Weil wir uns nicht physisch treffen konnten, mussten wir uns eben am Bildschirm austauschen und plötzlich wurden Dinge digital geregelt, an die vorher nicht zu denken war. Auch der Online-Handel hat einen gewaltigen Schub erfahren. Doch es gibt noch eine andere Seite:

„Das Problem ist, dass wir durch Selbstbedienung die Fähigkeit auf der Fläche zur Kommunikation verloren haben. Nun hat Selbstbedienung im Internet eine neue Qualität erfahren, da sie mit einem gut funktionierenden System und einem perfekten Service hinterlegt ist. Heute besinnt sich der Mittelstand auf seine alten Stärken und hat Service und Beratung als Leistungs- und Differenzierungsmerkmal wiederentdeckt. Dennoch bleibt die Digitalisierung eine zentrale Gestaltungsgröße auch für uns. Heute können wir problemlos 30 Schulungsveranstaltungen anbieten, ohne uns großartig verbiegen zu müssen.

Die Pandemie hat einen regelrechten Digitalisierungshype ausgelöst und bei dem einen oder anderen auch zu wenig gelungenen Lösungen geführt und inzwischen hat das ,Aufräumen‘ begonnen und werden Fehler korrigiert. Wir werden sicher kein Bildlieferant werden. Wir sind Produktlieferant. Daran wird sich nichts ändern.“

Der Handel wird sich weiterrevolutionieren, wenn wir von der Zweidimensionalität in die virtuelle dreidimensionale Welt übertreten.

Inzwischen ist das Metaverse keine Spielwiese für nerdige Gamer mehr. Der digitale Raum wird den Handel verändern, weil nun neue Shoppingerlebnisse möglich sind, die von der Zweidimensionalität befreit haben, ist Marco überzeugt:

„Die nächste Herausforderung wird das Metaverse sein. Ich sehe in Metaverse die Zukunft. Der Handel wird sich weiterrevolutionieren, wenn wir von der Zweidimensionalität in die virtuelle dreidimensionale Welt übertreten. Wir investieren in die Kooperation mit der DePauli AG, die unseren Weg in die Digitalisierung von Beginn an begleitet hat. Wir haben im Metaverse einen digitalen Online-Shop eröffnet. Es geht mir dabei darum, ein neues Shopping-Erlebnis unter Aufhebung geografischer wie physikalischer Barrieren zu kreieren. Mittelfristig wollen wir communityübergreifende Erfahrungen mit kreativer Freiheit verbinden und so auch neue Impulse setzen, um die Sinne in der digitalen Welt noch ganzheitlicher anzusprechen.“

Mehr als eine Stunde Gespräch ist inzwischen im ALBERTO-Showroom vergangen. Zeit zu gehen. Wir stehen auf und laufen Richtung Ausgang. Marco begleitet mich noch die Treppe herunter zur Tür. Wir verabschieden uns. Marco lächelt. Bis zum nächsten Mal:

„Wir sind in Berlin auf der PREMIUM dabei und ich freue mich auf interessante Begegnungen und gute Gespräche. Und natürlich baue ich auf den Handel, der auf einer wieder stattfindenden Messe den Aufbruch in die neue Saison miterleben kann. Selbstverständlich können uns auch die erleben, die nicht in Berlin sind, entweder digital oder in einem unserer Showrooms.“