Einkaufen für alle!

Sozialkaufhäuser

Vorderansicht Kaufhaus der Diakonie in Duisburg-Rheinhausen

Autorin: Tays Jennifer Köper-Kelemen
Inflation, Klima- und Umweltkrisen – sowohl wirtschaftliche Missstände als auch Gedanken um Nachhaltigkeit treiben aktuell die Nachfrage nach Secondhand-Waren. Wir haben bei Gabriele Schmiedchen, Filialleiterin des Sozialkaufhauses der Diakonie in Duisburg-Rheinhausen, nachgefragt, wie ebendieses organisiert ist und wer genau pre-owned einkauft. 

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Ob Couchgarnituren, Geschirr, Spielzeug oder Bekleidung – das Sortiment von Sozialkaufhäusern umfasst ein breites Spektrum. Die Waren stammen zumeist aus Haushaltsauflösungen, zudem aus privaten Spenden. Hinter der Initiative steckt die Idee, geringverdienende Menschen mit einem angemessenen Angebot zu unterstützen und soziale Projekte zu fördern. Ehrenamtliche, Minijobber und Bezieher von Bürgergeld sind neben Festangestellten als Beschäftigte in die Arbeit rund um Sozialkaufhäuser involviert. Unter anderem engagieren sie sich in Reparatur-Services, die den Aspekt der Müllvermeidung noch hervorheben. Denn auch Nachhaltigkeit stellt eine wichtige Triebfeder dar. Gut Erhaltenes wird nicht weggeschmissen, sondern gegen kleines Geld wieder genutzt. Beschädigtes wird repariert und so dem Kreislauf wieder zugeführt. Unlängst traten darüber nicht nur Geringverdiener als Kunden in Erscheinung. Umweltbewusste rücken nach, Tendenz steigend.  

„Menschen aller Einkommens- und Altersklassen kommen zu uns!“ 

FT hat mit Gabriele Schmiedchen, Filialleiterin des Kaufhauses der Diakonie in Duisburg-Rheinhausen, gesprochen und nach Mitarbeitern, Kunden und Projekten gefragt. 

„Als unser Kaufhaus 2011 eröffnet wurde, haben wir uns die Frage gestellt, ob wir nur Geringverdiener als Kunden zulassen sollten. Wir haben uns letztendlich dagegen entschieden.“  Gabriele Schmiedchen

FT: Welche Intention verfolgen Sie mit Ihrem Sozialkaufhaus?
Gabriele Schmiedchen: „Wir betreiben mit unserem Diakoniewerk insgesamt sieben Kaufhäuser. Es gibt drei Filialen in Duisburg, zudem jeweils einen Standort in Dinslaken, Wesel, Kamp-Lintfort und Voerde. Ursprünglich sind wir im Jahr 2005 in Duisburg mit einem ersten Kaufhaus an den Start gegangen, um Jugendlichen Ausbildungsplätze zu bieten, Arbeitsplätze und Perspektiven zu schaffen. Integration stellt für uns ein wichtiges Stichwort dar. Seit Anbeginn arbeiten wir eng mit dem Jobcenter zusammen und fördern Projekte, um den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern. Unter anderem zählen Wohnungslose zu unseren Adressaten. Asylsuchende involvieren wir zum Beispiel in neu ins Leben gerufene Upcycling-Initiativen. Diese bieten sich in diesem Rahmen besonders gut an, da weniger Sprache im Vordergrund steht, sondern handwerkliches Geschick. In unserer Filiale beschäftigen wir aktuell sieben Festangestellte und acht geförderte Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Maßnahmen auch Coachings erfahren. Hinzu kommen vier Ehrenamtliche und Zwei-Euro-Jobber. Neben der sozialen Förderung hat unser Kaufhaus natürlich den Effekt, dass Bürger sehr günstig einkaufen können. Gerade für Geringverdiener ist dies – vor allem in Zeiten von Inflation – ein bedeutender Aspekt.“  

Wer kauft genau bei Ihnen ein?
„Als unser Kaufhaus 2011 eröffnet wurde, haben wir uns die Frage gestellt, ob wir nur Geringverdiener als Kunden zulassen sollten. Wir haben uns letztendlich dagegen entschieden, um Gefühlen von Stigmatisierung keinen Raum zu geben. Unsere Kunden sollen sich nicht unwohl fühlen, wenn sie bei uns einkaufen. Wir sind nunmehr für jedermann geöffnet. Geringverdiener und Rentner erhalten über einen entsprechenden Nachweis zusätzlich einen Rabatt von 20 Prozent auf das gesamte Sortiment. Mit unserer Filiale haben wir uns mittlerweile fest etabliert und verfügen über eine sehr gute Mundpropaganda. Menschen aller Einkommens- und Altersklassen kommen zu uns in den Laden und wissen unsere Waren zu schätzen. Es geht uns nicht etwa um Trend oder Modernität, sondern schlichtweg um einen guten Zustand der Artikel. Wir erhalten diese ausschließlich aus Spenden und sind immer wieder sehr erfreut über deren Qualität und Quantität. Während der Pandemie war die Situation wegen der vielen erforderlichen Ladenschließungen schon schwierig für uns. Doch es ist schön zu sehen, dass die Leute uns nichtsdestotrotz treu geblieben sind. Im Nachgang haben wir auch nicht etwa die Preise erhöht.“

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Living …

Welche Rolle spielt für Sie das Thema Nachhaltigkeit?
„Natürlich ist es eine gute Sache, gebrauchten Waren ein zweites Leben zu schenken. Nur weil man keine Verwendung mehr für einen Artikel hat, muss man ihn nicht zwangsläufig entsorgen. Umgekehrt muss es beim Einkauf nicht immer das Neueste sein. Ein Secondhand-Erwerb schont Portemonnaie und Umwelt. Wir haben darüber hinaus ein Upcycling-Projekt ins Leben gerufen. Mitunter sind in dieses Asylsuchende integriert, die hier weniger auf sprachliche Kompetenz angewiesen sind. Es ist wirklich eindrucksvoll zu sehen, über welches hohe handwerkliche Geschick einige Teilnehmer verfügen. Wir nutzen für unser Upcycling zum Beispiel ausgediente Tisch- und Bettwäschen. Auch Verpackungsmaterial kommt zum Einsatz, um in unserer Werkstatt neue Produkte zu schaffen. Es sind hervorragende Rohstoffe, die wir neu verarbeiten – eine echte Win-win-Situation. Die Ergebnisse bieten wir in einem separaten Bereich im Laden zum Verkauf an. Die Kunden reagieren sehr positiv auf die Aktion. Man spürt sehr, dass wir zum Nachdenken über den eigenen Konsum anregen. Es wird gefragt, wie die Objekte entstanden sind und ob es entsprechend einen Workshop gibt. Wir verstehen uns als Netzwerk, als vermittelnde Instanz. Unsere Arbeit möchten wir stetig sinnvoll weiterentwickeln. Und wir freuen uns sehr über das Interesse gerade junger Menschen, die zum Stöbern zu uns in den Laden kommen oder auch Praktika bei uns absolvieren.“  

Was war das Kurioseste, das in Ihrem Kaufhaus angeboten wurde?
„Wir haben einmal einen Vogelkäfig mit einem lebendigen Vogel erhalten, der dann auch noch die Flucht ergriffen hat, sodass wir den Tierschutzverein anrufen mussten. Zudem landen immer wieder einmal wahre Hingucker in unserem Sortiment. Wir hatten schon einen originalen Frack aus den 1920er-/1930er-Jahren im Angebot. Und Brautkleider finden den Weg zu uns in den Laden. Das ist schon etwas Besonderes. Vor allem im Frühling zeigen wir ebendiese Teile dann gerne im Schaufenster, wenn traditionell Hochzeitssaison ist.“

www.diakoniewerk-duisburg.de