Was ist schon perfekt?

Editorial

Markus Oess

Wien schafft es, nicht nur als eine der lebenswertesten Städte zu glänzen, sondern auch, Wohnraum bezahlbar zu halten. Ein Kunststück, von dem wir lernen sollten. Wir haben mit Ute Schneider, Architektin, Städteplanerin undProfessorin für Städtebau und Entwerfen an der TU Wien, gesprochen, was besser läuft in der österreichischen Hauptstadt als in den Großstädten hierzulande. Denn eines ist auch klar: Glücklichere Menschen sind auch glücklichere Konsumenten, wie die Düsseldorfer Kette P&C Süd sicher aus unternehmensinternen Vergleichen wissen dürfte … Dennoch wagen die Düsseldorfer ein bemerkenswertes Experiment mit einer Fläche von rund 3.000 Quadratmetern, auf der ausschließlich nachhaltige Modeangeboten wird – systemoffen, wie es heißt, also nicht die reine Lehre. Der Ansatz ist richtig, denn fertig ist allemal besser als perfekt, wie Dr. Daniel Terberger einmal im Interview mit mir anmerkte. Wenn Nachhaltigkeit in der Marktmitte ankommen soll, geht das nur mit mutigen Schritten, die auch eine gewisse Skalierbarkeit erlauben, finde ich. Der Siegeszug von Bio-Food hätte ohne die Listung im klassischen Foodhandel, also bei den Vollsortimentern wie EDEKA oder REWE und Discountern wie ALDI, LiDL und Co, nicht stattgefunden. Denn auch wenn die vielen Bio-Siegel nicht der reinen Lehre folgen, verbessern sie die Produktionsbedingungen und damit die Produkte selbst. Vor allem aber verbessern sie die Lebens- und Arbeitsbedingungen derer, die sie herstellen. Einzig, ob der Potsdamer Platz, der nicht gerade als Frequenzbringer gilt, erste Wahl für solch einen Store ist, muss sich noch zeigen.

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Deutschland, heißt es derzeit gern, bewege sich auf einem absteigenden Ast, werde abgehängt vom Rest der westlichen Wirtschaftswelt, also dem Wirkungskreis der OECD. Ob wir aber wirklich am Rande des Abgrunds stehen und das alles einer einzigen Legislaturperiode zuzuschreiben ist, wie gerade kolportiert, sei dahingestellt. Ich glaube es nicht. Deutschland braucht Reformen, ja, aber es braucht keinen gefühlten Systemwechsel, wie es gerade medial scheint. Denn was das Land eben auch auszeichnet, ist die Kontinuität und Sicherheit seiner sozialen Systeme, der Wirtschaft und der Gesellschaft. Wir sollten das Land weder medial noch realiter einem wabernden Dunstkreis historisch Verblendeter überlassen. Dazu gehört auch, die mitzunehmen, die sich abgehängt fühlen, egal ob zu Recht oder zu Unrecht! Deutschland ist durchaus attraktiv, auch und gerade immer wieder für ausländische Unternehmen. Wir haben mit SLOWEAR und DISTRETTO12 gesprochen, was sie vorhaben, und das klingt sicher nicht nach Abkehr – im Gegenteil. Genauso wenig, wie INDITEX einen Bogen machen würde um Deutschland. Großfläche muss ja nicht unsexy sein, wie auch unser Überblick der besten Department Stores zeigt. Und es kann gerne auch eine rein sozialeKomponente haben. Wir sollten nicht vergessen: Solidarität ist ein Hygiene-Faktor.

Themenwechsel. Das BikiniARTmuseum gibt einen schönen Überblick, was die Menschen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert am Strand so getragen haben. Auch das nur am Rande, vorher hatten die meisten Menschen hierzulande eher keinen großartigen Gedanken an Strandaufenthalten verschwendet, das war einfach nicht drin. Wir treffen den Mitbegründer der Berliner Musik-PR-Agentur beats international, Sven-Erik Stephan, auf ein paar Kaltgetränke. Sven füllt seit Mitte letzten Jahres unsere „Gehört – Gekauft“-Rubrik, weswegen wir diesmal auf den Musiktipp verzichtet haben. In unserem Buchtipp geht es in dieser Ausgabe um die schönen Dinge in Paris. Viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr

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Markus Oess