Über Nachhaltigkeit und Kooperation

EDITORIAL

Markus Oess

Wann waren Sie das letzte Mal am Altkleidercontainer und haben dort Textilien entsorgt? Sie wissen schon, die Dinger an der Straßenecke, die oft genug überquellen vor zerschlissener Kleidung. Ein Großteil davon wird zu Putzlappen verarbeitet, heißt es. Aber was hat das mit erweiterter Herstellerverantwortung zu tun? Nach dem Willen der EU sollen Textilhersteller künftig Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette übernehmen. Die Umsetzung erfolgt auf Ebene der Mitgliedsstaaten. Auch in Deutschland fehlen bislang verbindliche Regelungen für die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Alttextilien. Das dürfte sich bis 2028 ändern.

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2018 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – lag der Textilverbrauch in Deutschland bei rund 1,56 Millionen Tonnen. Etwa 64 Prozent der Alttextilien wurden getrennt erfasst. Ein Teil davon wurde wiederverwendet oder recycelt. Das Sammelsystem ist jedoch stark marktabhängig und finanziell nicht dauerhaft tragfähig. Deshalb hat das Bundesumweltamt eine Studie beauftragt, um Handlungsempfehlungen zu formulieren. Wir haben mit Nicole Kösegi, Co-Autorin der Studie, darüber gesprochen, was auf die Branche zukommt und wer am Ende die Mehrkosten trägt. Zudem haben wir den BTE, der dazu ein Positionspapier veröffentlicht hat, und GermanFashion um Stellungnahmen gebeten. Klar ist: Am Ende der Kette stehen Verbraucherinnen und Verbraucher – und sie sollen zahlen.

Ob ein Aufschlag von knapp 10 Cent pro Jeans eine Lenkungswirkung entfaltet, bezweifle ich. Zumal dieser Betrag vermutlich vorher in der Wertschöpfungskette kompensiert wird – und damit die Schwächsten trifft: Arbeiterinnen und Arbeiter in den Billigfabriken dieser Welt. Grundsätzlich gilt: Vermeiden ist besser als Recyceln – und das ist immer noch besser als energetische Verwertung oder Entsorgung. In dem Zusammenhang spielt Ökodesign eine entscheidende Rolle. Denn neben der Langlebigkeit ist Wiederverwertung am effizientesten möglich, wenn diese Aspekte bereits bei der Produktentwicklung mitgedacht werden. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt – leider. So bleibt am Ende ein Regelwerk, das unvollständig ist. Es bekämpft Symptome, nicht Ursachen. Nachhaltigkeit braucht einen ganzheitlichen Denkansatz.

Wir haben auch über Nachhaltigkeit in der Denim-Produktion gesprochen – mit German Alejandro Silva, Executive Director Commercial and Marketing bei VICUNHA. Für ihn ist Nachhaltigkeit längst ein Wettbewerbsvorteil in der globalisierten Textilindustrie. Da hat er einen Punkt. Doch Wettbewerb strebt nach Gewinnmaximierung, und Umweltschutz ist dabei oft nur eine Randbedingung. Dabei müsste es umgekehrt sein. Wenn diese Welt untergeht, helfen weder Macht noch Reichtum. Und die Reichen und Mächtigen trifft der Klimawandel meist zuletzt – obwohl gerade sie den größten Schaden verursachen, direkt und indirekt, durch Politik, Wirtschaft und Konsum. All das ist bekannt. Fast scheint es aus der Mode gekommen zu sein zu sagen: Wir können das ändern. Wir müssen es nur wollen. Nachhaltigkeit im Modesektor ist eine Notwendigkeit. Ein Umdenken ist überfällig.

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Wir sprechen mit Thomas Schwab, Fashion-Chef bei EK Retail, und mit Dominik Gross, Geschäftsführer der CREATION GROSS, über Tradition, Wandel und was Partnerschaft wirklich bedeutet. Beide Unternehmen bringen zusammen 200 Jahre Branchenerfahrung auf die Bühne. Auch Gerhard Kränzle, Geschäftsführer bei HIRMER, erklärt uns, was Partnerschaft für ihn bedeutet. Louis Bezner, Chef von MAERZ MUENCHEN, zieht eine erste Bilanz und beschreibt, welchen Weg er für den Premium-Stricker sieht. Und: Mark Rauschen, Chef von L&T in Osnabrück und BTE-Präsident, steht uns Rede und Antwort – über die Zukunft des Unternehmens, seine Pläne mit WORMLAND und warum Politik auch Zuversicht braucht.

Zum Schluss treffen wir ZUITABLE-Gründer Christian Filusch auf ein Kaltgetränk. Und auch der traditionelle Plattentipp darf nicht fehlen. Viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr

Markus Oess