
Autor: Markus OessSowohl der Modehersteller CREATION GROSS als auch die Handelskooperation EK Retail feiern in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen. Während CREATION GROSS mit den Marken CARL GROSS und CG – CLUB of GENTS in Hersbruck verwurzelt ist, bündelt EK Retail in Bielefeld als Mehrbranchenverbund zahlreiche Handelsformate. Trotz unterschiedlicher Strukturen sehen sich beide Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert: Ein herausforderndes Marktumfeld, wachsende Kosten, stagnierende Konsumlaune und die strukturellen Schwächen im mittelständischen Modehandel fordern Anpassung und Kooperation.
Das Jubiläum nutzen beide Unternehmen, um nach vorn zu blicken. CREATION GROSS setzt auf Export und Sortimentsentwicklung – etwa mit einem neuen Schuhkonzept –, während die EK Retail ihre Rolle als Bindeglied zwischen Industrie und Handel weiter schärfen will. Im Zentrum stehen Investitionen, Digitalisierung und eine engere Abstimmung mit Partnern. Im Interview sprechen Geschäftsführer Dominik Gross und Thomas Schwab, Fashion-Chef bei EK, über aktuelle Marktentwicklungen, strukturelle Fragen und Chancen durch Zusammenarbeit. Beide Unternehmen wollen – bei aller Unterschiedlichkeit – ihre Strukturen anpassen, ihre Marken schärfen und die Zusammenarbeit mit dem Handel weiter ausbauen.
FASHION TODAY: Dominik, wie läuft es aktuell?
Dominik Gross: „Aktuell ruckelt es auf dem Heimatmarkt, das ist bekannt. Gerade die Konfektion tut sich schwerer als andere Marktsegmente. Dem können wir uns nicht entziehen. Im Export sehen wir insgesamt eine positive Entwicklung. Klar ist aber auch: Die Ertragslage hat sich branchenübergreifend nicht gerade entspannt, wenn man auf die Kostenseite schaut.“
Thomas, was hörst du von den Händlern?
Thomas Schwab: „Unsere Mitgliedshäuser verzeichnen eine stabile Seitwärtsbewegung. Aufgelaufen liegen die PoS-Umsätze in Summe rund 2 Prozent unter dem Vorjahr. Während DOB und HAKA, die immerhin etwa 69 Prozent des Geschäfts ausmachen, mehr oder weniger im Gleichschritt laufen, hat sich die Kindermode nach einem starken Jahresauftakt und einem leichten Durchhänger in den vergangenen Wochen wieder erholt. Das Wäschesegment ist aktuell überproportional unter Druck und liegt bei circa 20 Prozent Umsatzanteil. Generell muss ich Dominik zustimmen. Auch im Handel ist mit einer durchschnittlichen EBIT-Marge von unter 1 Prozent nicht viel Spielraum. Umso wichtiger ist es, im Verbund Kräfte zu bündeln, zu kooperieren und mögliche Wachstumstreiber zu identifizieren.
Früher war alles besser – richtig oder falsch?
Dominik: „So lange bin ich noch nicht in verantwortlicher Position in der Branche, um das beurteilen zu können. Es heißt oft, früher sei alles besser gewesen. Allerdings neigen wir zur Verklärung der Vergangenheit. Ich glaube, jede Zeit hat ihre besonderen Chancen und Herausforderungen. Meine Antwort lautet daher: falsch.“
Thomas: „Definitiv falsch. In der Retrospektive neigt man dazu, vielfach das ,Gute‘ hervorzuheben. Aber auch vor 20, 30 Jahren war viel Bewegung im Markt und es gab viele – sicherlich etwas anders gelagerte – Herausforderungen zu stemmen. Einzig die Geschwindigkeit und Rahmenbedingungen, mit denen sich heute die Dinge verändern, haben sich dramatisch erhöht. Das verlangt ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft zur Veränderung. Erfolg passiert nicht, Erfolg wird gemacht. Und es braucht mehr Einsatz.“
Beide Unternehmen sind jetzt 100 Jahre alt. Wann wird Tradition für ein Unternehmen gefährlich?
Dominik: „Gute Frage. Natürlich zeigen 100 Jahre, dass wir als Unternehmen vieles richtig gemacht haben – vor allem, dass wir uns im Markt schnell bewegen und flexibel genug sind, rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren. Aber wer zu oft in den Rückspiegel schaut, verpasst womöglich Chancen, die vor einem liegen. Wenn Tradition anfängt, ein Unternehmen zu lähmen, wird sie gefährlich.“
Ihr arbeitet mit und für den Handel. Was eint EK und CREATION GROSS?
Thomas: „Was uns eint, ist der klare Fokus auf die Bedürfnisse der Händler und Endkunden. Der Wille und die Stärke zur Zusammenarbeit. Wir wollen Einkaufserlebnisse schaffen – nicht nur mit Ware, sondern als Gesamtpaket. Gelingt uns das, kommen die Kunden auch wieder. Gleichzeitig müssen wir die Wertschöpfungskette im Sinne nachhaltiger Profitabilität kontinuierlich optimieren. Heute mehr denn je. Ich sage es gerne noch einmal: Dazu bedarf es der klugen Bündelung aller Kräfte.“
Dominik: „Genau, wir sind Markenlieferant. Geht es dem Handel gut, geht es auch uns gut. So gesehen, sitzen wir im selben Boot und haben das gleiche Ziel – nur über die Route, wie wir dorthin gelangen, sind wir uns nicht immer einig. Perfekt ist es, wenn Industrie und Handel nachhaltig Geld verdienen und partnerschaftlich zusammenarbeiten.“
Anzugstradition aus Hersbruck
Sind gemeinsame Aktionen zum Jubiläum geplant?
Dominik: „Wir planen unternehmensintern für beide Marken – CARL GROSS und CG – CLUB of GENTS – Flächenaktivierungen. Unser Firmenjubiläum feiern wir ebenfalls ausgiebig im September. Auch diesbezüglich stehen unsere Marketingabteilungen im regelmäßigen Austausch.“
Thomas: „Unter dem Motto ,people, connection & motion‘ ist im Jubiläumsjahr eine Vielzahl von Events geplant. An der Stelle möchte ich betonen: Die Kollektion ist wichtig – der Erfolg hängt aber vom Gesamtkonzept ab, wie sich Händler und Marke auf der Fläche profilieren. Interessanterweise kommt die gute alte Modenschau wieder sehr gut an. Das kann professionell gestaltet sein, geht aber auch handmade. Mit Unterstützung der EK hat ein Mitglied unlängst einen Trendvortrag mit einer Modenschau verbunden – modisch informiert, Sicherheit gegeben und gleichzeitig gezeigt, wie die Trends umgesetzt werden. Die Abverkaufszahlen an diesem Abend waren wirklich unglaublich.“
Dominik: „Das glaube ich gern. Und der Händler zahlt damit auf seine eigene Beratungskompetenz ein und sorgt für Authentizität.“
Thomas: „Der physische Store holt auf. Online-Shops und Marktplätze verlieren meines Erachtens wieder Terrain, das sie während Corona gewonnen haben. Das sollte dem mittelständischen Handel klar sein.“
Nach dem doch etwas überraschenden Boom der Anzüge ist jetzt wieder Ernüchterung eingezogen. Was macht das mit der Mode, wenn das Kerngeschäft im Anzug liegt?
Dominik: „So wie in allen Bereichen der Mode sehen wir auch in der Konfektion einiges an Wandel. Wir machen nach wie vor gute Geschäfte – Anlässe für einen Anzug gibt es weiterhin viele. Aber der Business-Anzug in den Umfängen wie früher kommt so nicht mehr zurück. Darauf müssen wir uns einstellen. Auch wenn Anzug und Sakko der Kern unserer Kollektion bleiben, können wir den Wandel nicht aufhalten – wir müssen ihn gestalten. Neue Kombinationsmöglichkeiten mit Shirts oder Sommerjersey, stärker in Komplettlooks denken. Wir müssen auch Accessoires stärken und neue Wege gehen. Für Frühjahr/Sommer 2026 planen wir für CG – CLUB of GENTS und CARL GROSS jeweils ein ausgefeiltes Schuhprogramm mit Lederschuhen, Loafern und Sneakern – davon verspreche ich mir zusätzliche Impulse.“
Habt ihr dafür eine Lizenz vergeben?
Dominik: „Nein, wir setzen mit einem externen Partner auf eine Inhouse-Lösung. Die Preisspanne liegt zwischen 99 und 149 Euro. Ich freue mich drauf!“
Thomas, wie geht ihr als Verbundgruppe mit der modischen Veränderung um?
Thomas: „Wir screenen den Markt engmaschig – welche Trends kommen, wer ist relevant? Mit unserer zahlenbasierenden IT-Lösung Business Intelligence können wir Abverkäufe auf Marken- und Warengruppenebene tief analysieren und daraus kurzfristig Entwicklungen ableiten. Unsere Eigenmarken, die inzwischen – im Zuge der Kräftebündelung – von der EK in den Niederlanden verantwortet werden, halten uns zusätzlich am Puls der Zeit. Du weißt ja: Die Niederlande sind modisch oft einen Tick mutiger als Deutschland.“
Es geht ja nicht nur um Mode – der Markt selbst ist im Umbruch. Was sind die drei größten Herausforderungen für die Branche und welche Antworten gibt es?
Thomas: „Erstens die Nachfolgeproblematik und Altersstruktur im mittelständischen Handel. Zweitens der Mangel an qualifiziertem Personal, vor allem auf der Fläche. Drittens die Profitabilität und Liquidität, die in den vergangenen Jahren unter Druck geraten sind. Wir müssen uns um unsere Mitarbeitenden kümmern – sie fördern und fordern. Vom Gehalt bis zur Weiterbildung, von flexiblen Arbeitszeiten bis zu fairen Löhnen. Führungskompetenz aufbauen und umsetzen. Potenzielle Nachfolger in der Belegschaft identifizieren und vorbereiten. Gleichzeitig die gesamte Wertschöpfungskette auf Profitabilität trimmen – ohne dabei unfair mit Partnern umzugehen. Auch hier sehen wir uns als EK in der Pflicht.“
Dominik: „Wenn wir zusammen mit unseren Partnern profitabler werden wollen, müssen wir Effizienzpotenziale in der Wertschöpfung heben: nachfragegesteuerte Produktion, intelligentes Replenishment, gutes In-Season-Management. Die Kommunikation zwischen Handel und Industrie weiter verbessern. Die beste Lösung für Überhänge und Reduzierungen ist ihre Vermeidung.“
Thomas: „Transparenz und ehrlicher Datenaustausch – ohne das wird es nicht gehen. Wir müssen genauer hinschauen.“
Dominik: „Technologischer Fortschritt kann helfen. Ich erwarte durch KI und andere Entwicklungen vor allem in der Warenversorgung und -steuerung wertvolle Einsparungen. Wir müssen auch überlegen, wie wir unser NOS effizienter steuern. Wir können nicht jedem alles anbieten, aber wir müssen allen das Richtige liefern. Aufseiten der Bürokratie denke ich nicht, dass wir mittelfristig Erleichterungen erleben werden. Wir müssen selbst für Schnelligkeit durch effiziente Prozesse oder Kooperationen innerhalb der Industrie sorgen.“
Bewährter Zusammenschluss in Bielefeld
Welche Chancen gibt es?
Thomas: „Ich sehe Chancen in einer starken Verbundgruppe, die Trends und Entwicklungen erkennt, Handlungsempfehlungen gibt und den Handel effizient unterstützt. Unsere Internationalität als Mehrbranchenverband ist ein Vorteil, weil wir das Beste aus verschiedenen Ländern und Branchen kombinieren können. Arrondierende Sortimente sorgen für Mehrumsatz und steigern die Attraktivität des Angebots. Wir haben Verträge mit allen wichtigen Herstellern und können Türen öffnen. Und wir müssen den Hospitality-Gedanken noch stärker ausleben – Einkaufen soll und muss wieder mehr zum Erlebnis werden. Für die EK gibt es noch genügend Wachstumsräume, auch anorganisches Wachstum ist ein wichtiger strategischer Eckpfeiler.“
Dominik: „Wir haben vergangenes Jahr in unsere IT investiert und sehen, wie viel das bringt in Sachen Transparenz, um Händler in 42 Ländern zu begleiten. Und ich glaube, dass in echten Partnerschaften ein großer Gewinn liegt. Das endet nicht beim reinen Verkauf der Ware in den Handel, sondern fruchtet natürlich erst dann, wenn der Endverbraucher das Produkt auch nachfragt. Deshalb machen wir uns auch jede Saison aufs Neue Gedanken, wie wir unsere Ware auf den Flächen bestmöglich darstellen können, um die klassische HAKA-Fläche attraktiv für den Endkunden zu gestalten, inklusive Pop-ups und Flächenaktionen.“
Mit welchen Erwartungen geht ihr in die kommende Saison?
Dominik: „Wenn wir mit einem Pari aus der Saison und dem Jahr gehen, bin ich zufrieden. Für nächstes Jahr planen wir konservativ mit einem einstelligen Plus.“
Thomas: „Wir gehen nicht mit Riesenerwartungen in die kommende Order, aber mit Zuversicht. Ich denke, wir werden mit einem leichten Plus aus dem Geschäftsjahr gehen.“
Sorgt der Blick über die Landesgrenzen für bessere Laune?
Dominik: „Gerade international passiert einiges – mit unserem neuen Export-Chef Dirk Schaal. Wir haben unter anderem einen neuen Showroom in Paris eröffnet und eine neue Agentur in Spanien. Der Blick über die Grenzen stimmt tatsächlich optimistisch.“
Thomas: „Ich hatte es ja schon angedeutet: Im Moment macht das internationale Geschäft mehr Spaß.“
Dominik: „Unbestritten ist die Internationalität ein Wettbewerbsvorteil der EK.“