Autor: Andreas GrüterZum letzten Trinkgelage dieses Jahres haben wir uns mit Floris van Bommel, Creative Director des gleichnamigen niederländischen Schuhlabels, getroffen und bei einem wilden Ritt durch die Spirituosenabteilung über Existenz, Bedeutungslosigkeit, außerirdische Architekten und Käse-Sandwiches mit Mayonnaise parliert. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre.
FASHION TODAY: Kalte Getränke für kalte Tage. Was darf ich Ihnen zum Dezember-Umtrunk anbieten?
Floris van Bommel: „So viel Alkohol, wie man tragen kann. Über das Jahr hinweg trinke ich wenig Alkohol, aber der Dezember schreit so laut ,Sauf dich voll!‘, dass ich schließlich nachgebe. Also Wein, Bier oder etwas anderes.“
Worauf trinken wir?
„Auf den Wahnsinn. Auf die Verrücktheit unserer Existenz.“
Sie sind in eine traditionsreiche Schuhmacherdynastie hineingeboren worden. Gab es für den 16-jährigen Floris eine Alternative zum Schuhhandwerk und was hätte die Familie dazu gesagt?
„Es gab keine Alternative. Ich bin das Produkt einer einzigen geraden Linie von neun aufeinanderfolgenden Generationen von Vätern und Söhnen, die alle Schuhmacher wurden. Ich glaube, wenn man beim WWF nachfragt, bestätigen sie offiziell, dass es sich um ein Zuchtprogramm für Schuhmacher handelt.“
Welches Schuhmodell darf Ihrer Meinung nach in keinem Schuhschrank fehlen?
„Das gibt es nicht. Es gibt enorm viele Stile und jeder hat einen anderen Geschmack. Was ich jedoch jedem von Herzen empfehle, ist, sich mehr mit Schuhen zu beschäftigen. Es ist wirklich ein wunderschönes Produkt. Wenn man etwas mehr Verständnis für das Sujet entwickelt, lernt man die Macharten zu schätzen und ehe man sichs versieht, ist man stolzer Besitzer eines Sacchetto-gefertigten Loafers oder eines Goodyear-rahmengenähten Fullbrogues.“
Sie wohnen in der beschaulichen Stadt Tilburg. Was macht das Leben dort lebenswert und was vermissen Sie?
„Es ist ohnehin die Frage, ob das Leben überhaupt lebenswert ist. Wir sind dazu verurteilt. Das Leben als lebenswert zu empfinden, kann auch eine Form des Stockholm-Syndroms sein. Ich glaube eigentlich nicht, dass es per se lebenswert ist, aber wenn man nun schon einmal da ist, kann man zumindest etwas Nettes daraus machen. Ich vermisse nichts an dem Ort, an dem ich lebe. Alles, was ich wirklich brauche, sind eine ruhige Umgebung, ausreichend Privatsphäre und keine Belästigung durch Nachbarn.“
Welche Entscheidung in Ihrem Leben würden Sie am liebsten noch einmal treffen und warum?
„Die Idee des Lebens und der linearen Zeit besagt ja gerade, dass man für jede Entscheidung nur eine einzige Chance bekommt. Ich finde, das ist ein spektakuläres Konzept. Das hätte ich selbst erfinden können. Man hat eine Chance und wenn man zweifelt oder falsch entscheidet, hat man Pech. Ich sehe den Humor darin. Ich trage all meine Entscheidungen wie ein Mann, ich möchte nichts wiederholen.“
Gibt es etwas, das Sie immer schon tun wollten, sich aber nie getraut haben?
„Eher habe ich Dinge getan, die ich weder unbedingt tun wollte noch mich getraut habe, sie zu tun. Aufgrund der merkwürdigen Position, in die ich in unserem Familienunternehmen geraten bin, kommt ziemlich viel Verrücktes auf mich zu. Ich habe zum Beispiel sehr viele Fotoshootings auf der ganzen Welt gemacht, manchmal auch mit anderen Menschen zusammen. Danach habe ich nie verlangt, und ich empfinde das, milde gesagt, als sehr unangenehm. Aus meiner Position als Creative Director im Unternehmen hielt ich es für sinnvoll, also habe ich es getan.“
„Lassen Sie mich einfach eine Tasse Kaffee mit dem Hauptarchitekten der Cheopspyramide trinken. Und zwar mit dem echten, nicht mit irgendeinem Ägypter, sondern mit dem außerirdischen Wesen, das dort das Kommando hatte.“
Welche Gewohnheit der Gesellschaft würden Sie sofort ändern, wenn Sie könnten?
„Ich habe große Schwierigkeiten mit bedeutungslosen sozialen Ereignissen. Solche Anlässe, zu denen Menschen gehen, weil sie sonst allein zu Hause sitzen würden und das nicht aushalten. Also füllen sie ihre Zeit mit Oberflächlichkeiten. Viele Menschen suchen nach sozialer Betäubung, dem ultimativen Mittel gegen die Konfrontation mit sich selbst. Ich würde das aber auf keinen Fall ändern, denn viele Menschen können nicht ohne. Höchstens würde ich mit einem Zauberstab dafür sorgen, dass ich an all diesen Orten künftig Hausverbot habe.“
Das hat mein Leben nachhaltig verändert …
„Das sind vor allem die wenigen guten Freunde oder besonderen Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Manche bleiben für immer, andere für eine bestimmte Zeit. Aber das sind nachweislich Einflüsse gewesen, die meinen Kurs verändert haben.“
Hierauf kann ich gut verzichten …
„Fleisch essen.“
Hierauf kann ich gar nicht verzichten …
„Käse essen.“
Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
„Über meine liebste niederländische YouTube-Show ,Roddelpraat‘. Es ist eine Klatsch-Show, aber eigentlich geht es gar nicht um den Klatsch, sondern um den Wahnsinn der Welt. Im Mittelpunkt stehen vor allem die beiden Moderatoren, die sich mit ihrer Show ständig in Schwierigkeiten bringen. Das Ganze ist sehr meta. Die Show wird in den niederländischen Medien regelrecht ausgespuckt, ich halte sie für das Beste, was es in den Niederlanden zu sehen gibt.“
Sie können einmal durch die Zeit reisen. Für welches Jahrhundert entscheiden Sie sich und warum?
„Die Mysterien rund um die alten Zivilisationen sind unglaublich faszinierend und sogar ein wenig frustrierend. Lassen Sie mich einfach eine Tasse Kaffee mit dem Hauptarchitekten der Cheopspyramide trinken. Und zwar mit dem echten, nicht mit irgendeinem Ägypter, sondern mit dem außerirdischen Wesen, das dort das Kommando hatte.“
Was würden Sie heute Ihrem 18-jährigen Ich sagen?
„Lies mehr Bücher.“
Was macht eine Freundschaft für Sie unzerbrechlich?
„In einer Freundschaft kann immer etwas schiefgehen. Schätze sie also vor allem, solange sie da ist. Nichts ist für immer und genau das macht es so wertvoll.“
Glauben Sie, dass Technologie uns freier oder abhängiger macht?
„Sie macht uns definitiv freier. Social Media sind allerdings ein kleines Problem. Ich habe vor etwa einem halben Jahr all meine Accounts gelöscht. Ich habe zu viel gedoomscrollt. Ich griff ständig zum Handy für die neuesten Nachrichten. Es war wirklich ein Entzug, aber der ist jetzt vorbei. Ich lasse die Hektik angenehm an mir vorbeiziehen.“
Das gehört unbedingt in meinen Kleiderschrank …
„Ein Paar wirklich wunderschöne, nagelneue Floris-van-Bommel-Schuhe. Ich habe einmal gehört, dass Michael Jordan zu jedem Spiel ein neues Paar Schuhe getragen hat. Ich habe kurz darüber nachgedacht, das selbst für jeden Arbeitstag zu tun. Aber das wäre dann doch ein etwas zu teures Unterfangen.“
Wenn Ihr Leben ein Song wäre – welcher wäre es?
„,Restless’ von 40 Watt Sun. Die ersten drei Zeilen dieses Songs sind biblisch: ,I can’t see my way when shame is covering my eyes. / Carry a flame for me that I might make it. / Faltering forward as the time.‘“
Drei Songs und drei Bücher für die einsame Insel …
„Musik: ,Through the Ashes of Empires‘ von Machine Head für die Energie, ,Better Days‘ von Noah Gundersen, um den Mut nicht zu verlieren, und ,Understanding in a Car Crash‘ von Thursday als Erinnerung daran, dass Livemusik das Schönste ist, was es gibt.
Bücher: Das ist schwieriger. Ich versuche, so viel wie möglich zu lesen, bin aber kein wirklicher Kenner. Ich würde drei sehr dicke Romane mitnehmen, die ich noch nicht gelesen habe, in der Hoffnung, dass sie gut sind.“
Wo sehen Sie sich in 30 Jahren?
„Dann sitze ich in einer luxuriösen, großzügigen Suite auf einem Kreuzfahrtschiff, das um die Welt fährt, lese so viele Bücher wie möglich und esse gegrillte Käse-Sandwiches. Mit Mayonnaise.”

