„Uns eint die Premium- und Markenausrichtung“

L&T/WORMLAND

Das Modehaus L&T in Osnabrück zählt mit 19.000 Quadratmeter Verkaufsfläche zu den bedeutenden unabhängigen Einzelhändlern Deutschlands. alle Bilder © L+T bzw. Wormland

Autor: Markus Oess
Das Modehaus L&T in Osnabrück zählt mit 19.000 Quadratmeter Verkaufsfläche zu den bedeutenden unabhängigen Einzelhändlern Deutschlands. Im Interview spricht Unternehmens-Chef Mark Rauschen über die wirtschaftliche Lage des Hauses, das Potenzial der WORMLAND-Übernahme und die Grenzen des Onlinegeschäfts. Außerdem formuliert er als BTE-Präsident klare Erwartungen an die Politik. Warum Zuversicht wichtig ist.

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„Wir sind als starke lokale Brand Teil von Osnabrück.“ Mark Rauschen, Geschäftsführer ©wach.studio

FASHION TODAY: Herr Rauschen, für das vergangene Geschäftsjahr haben Sie die Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau gemeldet: 69 Millionen Euro. Reicht das, vor allem vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig die Kosten nach oben gegangen sind?
Mark Rauschen: „Wir können uns nicht abkoppeln von der Branchenentwicklung, auch wenn wir leicht darüber liegen. Vor allem müssen wir die Umsatzentwicklung vor dem Hintergrund massiver Kostensteigerung bewerten. Und Sie haben es gerade gesagt: Wir befinden uns jetzt auf dem Niveau von 2019. Seither sind aber einige Jahre vergangen. Wir sind glücklicherweise finanzstark, aber generell können wir mit der Ertragslage gegenüber dem unternehmerischen Risiko nicht zufrieden sein.“

Wie bewegt man eine Verkaufsfläche mit 19.000 Quadratmetern mitten in der Innenstadt nach vorne?
„Gute Frage. Mit vielen guten Ideen, mit starken Kollegen und einem Top-Team, Zuversicht und Optimismus. Idealismus gehört auch dazu.“

Wo sind Chancen, wo Risiken für L&T?
„Generell ist die Konsumlage in Deutschland durch die immer noch fragile politische Weltlage und die eingetrübten wirtschaftlichen Perspektiven belastet. Wir setzen über die Arbeit des BTE und des HDE zwar wichtige politische Impulse, aber die Politik entscheidet. Diese Dinge können wir folglich nur bedingt und mittelbar beeinflussen. Andererseits sind wir hier eng verbunden mit der Region – als Unternehmer, Arbeitgeber und Händler. Wir operieren in einem strahlkräftigen Oberzentrum mit einem Kundenpotenzial von 1 Million Menschen. Als eingesessenes Handelsunternehmen erfahren wir viel positiven Zuspruch. Das gibt uns Gestaltungsspielraum. Generell haben wir Chancen, wenn wir den Menschen Gutes tun: Aufenthaltsqualität, echte Nähe, der Place to be sind.“

Familienunternehmen mit einer langer Historie

Steht das Unternehmen im Vergleich zu den großen verbliebenen Warenhäusern unter besonderer Beobachtung Ihrer Kunden?
„Ich denke, ja. Wir sind ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit einer langen Historie. Das schafft Identifikation bei den Kunden und den Mitarbeitern sowie auch bei der Industrie und den anderen Stakeholdern wie Banken und Lokalpolitik. Wir engagieren uns natürlich auch hier vor Ort und stimmen uns mit der Politik und den Handelskollegen vor Ort ab. Das sorgt alles für Interaktion, mal positiv, mal auch negativ. Ich habe nie in einem Kaufhauskonzern gearbeitet. Es fehlt mir also der direkte Vergleich. Aber ich kann sagen, wir sind als starke lokale Brand Teil von Osnabrück.“

Sport, große Größen, Living, Food und natürlich die Mode. Fehlt noch eine Branche?
„Wir sind mit dem Handelsgeschäft zufrieden. Ich könnte mir noch andere arrondierende Sortimente vorstellen aufzunehmen, mit denen wir die gleichen Kundengruppen mit neuen Angeboten ansprechen. Wir haben zum Beispiel in unserem Sporthaus mit ROSE Bikes eine neue Erlebniswelt geschaffen mit einem Umsatz im inzwischen siebenstelligen Bereich. Neben dem Mehrumsatz stärken solche Angebote zudem durch zusätzliche Attraktivität den Standort.“

Wie viel macht Mode aus?
„Womens- und Menswear steuern um die 45 Millionen Euro bei, wobei die Menswear mit nahe 50 Prozent Anteil besonders stark ist. Wir sind immer noch Modehändler und werden das auch bleiben. In Sport steckt viel Mode; Kinder, Accessoires und Wäsche kommen dazu. In Summe über 80 Prozent.“

Wie halten Sie es mit dem Digitalen, wo sehen Sie Wachstumsgrenzen? Und machen Sie das lieber selbst oder sind die Plattformen die bessere Alternative?
„Von den Plattformen haben wir uns überwiegend zurückgezogen. Das haben wir während Corona gemacht. Für Spezialitäten ist es aber gut. Zuvor haben wir Online nur als digitales Schaufenster gesehen. Jetzt haben wir damit einen eigenen Kanal. Dazu kommen die Aktivitäten bei INTERSPORT, wo wir mit auf dem Fahrersitz sitzen. Aber wir sehen Online nicht primär als rentables Geschäftsfeld an. Vielmehr wollen wir unsere Kunden überall abholen, wo sie uns erwarten, und das ist nun mal auch digital. Auch die App und unsere Social-Media-Aktivitäten dienen in erster Linie der Ansprache und langfristigen Kundenbindung, weniger dem direkten Verkauf. Das machen wir lieber physisch auf der Fläche.“

„Wir sind mit dem Handelsgeschäft zufrieden. Ich könnte mir noch andere arrondierende Sortimente vorstellen aufzunehmen, mit denen wir die gleichen Kundengruppen mit neuen Angeboten ansprechen. Wir haben zum Beispiel in unserem Sporthaus mit ROSE Bikes eine neue Erlebniswelt geschaffen mit einem Umsatz im inzwischen siebenstelligen Bereich.“

Wie wird die KI das Verkaufen – physisch und digital – verändern?
„Leider habe ich keine Glaskugel. Ich denke, KI wird in alle Lebensbereiche hineinwirken. Wir verstehen uns als premiumorientierten Multibrand-Retailer. Ich sehe KI im Verkauf weniger, vielmehr im rückwärtigen Bereich wie Einkauf und Forecast, um diese Bereiche besser, effizienter zu steuern. Auch der Einsatz zur weiteren Individualisierung digitaler Kampagnen ist denkbar. Aber wie gesagt, ich halte den Onlinehandel für uns nur schwer profitabel darstellbar und kann nur der Stärkung des physischen Geschäftes dienen.“

Was hat Sie bei Ihrem letzten WORMLAND-Besuch besonders gefreut?
„Ich war gestern in der Berliner Filiale. Die Energie der Mitarbeiter ist beeindruckend. Dass alle mitziehen und unseren Weg mitgehen, freut mich besonders. Nach dem Saisonwechsel war der Laden voll und das Wetter hatte mitgespielt. Für mich als Händler ist das immer noch eine tolle Sache. Ich liebe diesen Moment, wenn ich sehe, wie sich ein Kunde im neuen Outfit rundum wohlfühlt – dank der großartigen Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen im Store. Dieser kurze zwischenmenschliche Augenblick, in dem echte Nähe entsteht, trägt einen besonderen Zauber in sich – gerade in einer Zeit, in der echte zufällige Begegnungen selten geworden sind.“

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Wie kam es zu dem Deal, was hat Sie angetrieben?
„Es hatte sich ein Window of Opportunity geöffnet und wir haben die Chance genutzt. Wir hatten anfangs WORMLAND gar nicht auf dem Papier und waren auf der Suche nach weiteren Entwicklungsmöglichkeiten. Hier in Osnabrück läuft es rund, aber der Standort bietet keinen Raum für große Wachstumssprünge mehr. WORMLAND ist Deutschlands progressivster Herrenausstatter mit über 90 Jahren Geschichte. Mut, Wandel und die stetige Weiterentwicklung gehören seit jeher zur Identität der Marke. Außerdem erhoffe ich mir auch eine Verbesserung unseres eigenen digitalen Know-hows. Das wollen wir auch für L&T nutzen.“

Wo bestehen Gemeinsamkeiten, was trennt, Stichwort Synergien?
„Was uns eint, ist die Premium- und Markenausrichtung. Auch starke Standorte mit guten Mitarbeitern. Von L&T einbringen möchten wir Know-how zu Hospitality, Aufenthaltsqualität und -dauer. WORMLAND hat eine tolle Eigenmarke, eine coole Kultur und gutes Digital-Know-how. Wir müssen aber für WORMLAND umgekehrt lernen, in Filialstrukturen zu denken und zu entscheiden.“

Ist ein gemeinsamer Einkauf angedacht?
„L&T und WORMLAND werden im System künftig eng zusammenarbeiten. Konkret bedeutet das: Wir harmonisieren unsere Ordertools und treten gegenüber der Industrie mit einer einheitlichen Systemlandschaft auf. So schaffen wir Effizienz, Transparenz und klare Strukturen. In der Sortimentsgestaltung bleiben beide Unternehmen eigenständig – mit jeweils klarem Profil und eigener Handschrift.“

Noch mal 60 Millionen Euro Umsatz mehr, aber die Insolvenz kam nicht von ungefähr. Was waren/sind die größten Baustellen?
„Selbstverständlich gibt es Baustellen – und das ist auch normal in einem Unternehmen mit Geschichte und Anspruch. Themen wie eine stärkere Warensteuerung, der Ausbau tragfähiger Lieferantenkooperationen sowie das Ziel, unsere Stores wieder mit Freude, Leichtigkeit und erlebbaren Events zu füllen, stehen klar auf der Agenda. Das Konzept von WORMLAND ist stark. Aber nicht alle Marktentwicklungen haben bisher ihren Weg konsequent in die Organisation gefunden. Umso wichtiger ist: Die Menschen, die sich mit WORMLAND identifizieren, die hier zu Hause sind, sind die Marke. Sie verkörpern Haltung, Stil und das Lebensgefühl, für das WORMLAND steht. Es war daher eine bewusste strategische Entscheidung, unseren langjährigen Personalchef Daniel Reid mit der Führung von WORMLAND zu betrauen. Ein zweiter wesentlicher Hebel ist das Sortiment: Wir setzen künftig auf mehr Dynamik, häufigere Wechsel, Total-Look-Präsentationen und markenstarke Kampagnen in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Ich selbst bin nicht operativ in der Geschäftsführung tätig. In meiner Rolle als Gesellschafter begleite ich WORMLAND als Mentor – mit Erfahrung, Abstand und dem festen Willen, das volle Potenzial dieser Marke gemeinsam zu heben.“

Deutschlands progressivster Herrenausstatter

Wie weit sind Sie mit der Restrukturierung?
„Die größten strukturellen Einschnitte – wie die Schließung von drei Filialen – lagen bereits vor unserem Einstieg. Auch die Reduzierung der Marktplätze und der Wechsel in der Geschäftsführung waren zentrale Schritte, um WORMLAND zu stabilisieren. Ziel ist es, bei WORMLAND die strukturellen und organisatorischen Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuarbeiten und das Unternehmen auf die Anforderungen eines modernen Omnichannel-Unternehmens auszurichten. In diesen Bereichen besteht dringender Handlungsbedarf – hier braucht es ein klares Update, das wir Schritt für Schritt und mit Augenmaß umsetzen. Dabei geht es um konkrete Weiterentwicklungen auf Projektebene, insbesondere in den Bereichen IT, Buchhaltung, Warenwirtschaft und Logistik. Parallel dazu laufen weitere zentrale Themen: ein geschärftes, zukunftsgerichtetes Sortiment, das die Bedürfnisse von Slim- und Relaxed-Kunden abbildet, moderne und wertschätzende Mitarbeiterführung, inspirierende Kundenevents sowie ein neues WORMLAND-Storekonzept, das die Grundlage für künftige Expansion bildet. WORMLAND läuft im Normalbetrieb – und das war zunächst das Wichtigste: Stabilität. Jetzt geht es darum, das Unternehmen gezielt weiterzuentwickeln und in ein neues Kapitel zu führen – progressiv, eigenständig, relaxt und mit klarer Perspektive für unseren WORMLAND-Kunden.“

Nun treffen Sie operativ auf ganz verschiedene lokale Rahmenbedingungen. Jetzt frage ich den BTE-Präsidenten: Wie gut sind die lokale Politik und der lokale Handel beziehungsweise die Wirtschaft aufgestellt, um heute zu bestehen und in eine gute Zukunft zu kommen?
„Auch wenn die eine oder andere politische Fehlentscheidung getroffen wurde, bin ich ziemlich zuversichtlich, dass Lokalpolitik und die lokale Wirtschaft gut zusammenarbeiten. Hier in Osnabrück läuft es zum Beispiel recht ordentlich und auch der filialisierte oder großflächige Handel zieht mit. Schließlich haben wir alle das gleiche Interesse, nämlich die Innenstadt zu stärken. Gerade der Modehandel fungiert immer als Anker für die Innenstadt. Ich hoffe, dass auch in Zukunft ein gutes Stück Realismus und Pragmatismus aller zu Lösungen im Interesse einer vitalen, gesunden Innenstadt führen, etwa wenn es um infrastrukturelle Fragen und kluge Verkehrskonzepte geht. Ich wünsche mir an der einen oder anderen Stelle mehr Engagement auch durch meine Handelskollegen. Das ist durchaus auch als Aufruf gedacht.“

Was kann die Bundespolitik beitragen?
„Wir stecken in einer schwierigen weltpolitischen Lage. Die Tatsache, dass die Wirtschaft auf der Stelle tritt, bringt zusätzliche Belastung. Die neu gewählte Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt, und sie muss die Bürger entlasten, damit auch wieder die Binnenkonjunktur anspringt. Wir brauchen mehr Zuversicht. Gelingt das, wäre schon sehr viel gewonnen.“

Wo besteht der drängendste Handlungsbedarf?
„Abseits der Wehrhaftigkeit unseres Landes und der Stärkung unserer Demokratie sind das verschiedene Punkte: Entlastung der Unternehmen, auch steuerlich. Wir brauchen einen wirkungsvollen Abbau der Bürokratie. Ich nenne an dieser Stelle nur beispielhaft das deutsche Lieferkettengesetz. Wir brauchen wirkungsvolle Investitionen auf allen Ebenen in die Unternehmen und in die Infrastruktur. Das braucht eine gute Grundlage. Und wir brauchen mehr Netto vom Brutto für alle. Wir müssen die Kaufkraft stärken. Zudem müssen wir die Sozialsicherungssysteme langfristig stabilisieren. Gleiches gilt auch für das Gesundheitssystem. Der Staat sollte sich reduzieren und den Bürgern sowie Unternehmern mehr vertrauen.“

Noch eine kurze persönliche Frage: Wer ist Ihr größtes Vorbild und was würden Sie fragen, wenn Sie mit dieser Person in einem Pariser Hotel frühstücken würden?
„Mich beeindruckte Sanna Marin, die finnische Ministerpräsidentin. Erst den NATO-Beitritt verhandelt und dann in Jeans und Lederjacke zum Rockfestival. Sie ist sich als Mensch treu geblieben und schafft was weg.“

Hintergrund

Das Osnabrücker Modeunternehmen L&T hat im Geschäftsjahr 2023/2024 einen konsolidierten Umsatz von 69 Millionen Euro erzielt – 1 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit erreicht der Händler mit Haupthaus, Sporthaus und weiteren Einzelhandels- sowie Gastronomieflächen wieder das Vor-Corona-Niveau. Im Juni 2024 übernahmen die L&T-Gesellschafter überraschend den Menswear-Filialisten WORMLAND (mit einem Umsatz von rund 60 Millionen Euro), der zuvor insolvent war. Die neun Standorte sollen fortgeführt werden. Für L&T eröffnet sich damit Wachstum außerhalb Osnabrücks, WORMLAND erhält neue Perspektiven. L&T und WORMLAND werden im System künftig eng zusammenarbeiten, aber weiterhin eigenständig im Markt auftreten.