
Seit 2006 führt Manfred Junkert die Geschäfte des Industrieverbands HDS/L. In dieser Zeit hat er die Struktur des Verbands reformiert und wesentliche Weichen für die Branche gestellt. Seine Amtszeit war von Digitalisierung, Globalisierung und politischen Herausforderungen geprägt. Junkert übergibt ein konsolidiertes Verbandssystem mit starker Stimme in Berlin und Brüssel. Wir haben mit ihm über die großen Themen der Branche und seinen Abschied gesprochen.
FASHION TODAY: Herr Junkert, worauf achten Sie beim Schuhkauf?
Manfred Junkert: „Auf eine gute Passform und gutes Aussehen. Ich denke, da unterscheide ich mich nicht sehr von den meisten Konsumenten. Deshalb will ich den Schuh auch immer anprobieren. Nur dann kann ich feststellen, ob er passt und ob ich darin gut laufen kann. Der Schuh sollte eng anliegen, ohne jedoch zu drücken. Dann gibt er dem Fuß einen sicheren Halt und ist bequem. Und nur beim Anprobieren kann ich sehen, ob mir die Form am Fuß gefällt und ob mir die Farbe und das Material gefallen.“
Wie wird man Hauptgeschäftsführer eines Verbandes?
„Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht, dass man das planen kann. Zumindest in meinem Fall war das so. Zunächst ist es wichtig, eine gute Ausbildung als Basis zu haben. Ein juristisches, wirtschaftliches oder technisches Studium eignet sich dafür besonders gut. Ein bisschen Glück und Fügung gehören aber auch dazu. Bei mir war es so, dass ich nach meinem Studium der Rechtswissenschaft klassischerweise in der Rechtsabteilung eines großen Verbandes der Sozialversicherung begonnen habe. Schon nach einem Jahr hat mich der Geschäftsführer gefragt, ob ich die Funktion als Geschäftsführungsassistenz übernehmen möchte. Er hat wohl gemerkt, dass ich über Eigenschaften und persönliche Stärken wie strategisches Denken, konzeptionelles Arbeiten und Moderationsfähigkeit verfüge. Diese Eigenschaften sollte ein Hauptgeschäftsführer meines Erachtens neben einer gewissen Durchsetzungsfähigkeit mitbringen.“
Sie haben bereits die Übergabe Ihres Amtes eingeleitet, Ihr Nachfolger steht auch schon fest. Zeit also für eine Bilanz. Wo stand Ihre Branche bei Ihrem eigenen Amtsantritt und wo steht sie heute?
„Zu Beginn meiner Tätigkeit hatte die Branche schon weitgehend den Umstrukturierungsprozess in Richtung globaler Produktion abgeschlossen und sah sich mit Handelshemmnissen in Form von Strafzöllen der EU auf chinesische und vietnamesische Importe konfrontiert. Jetzt, fast 20 Jahre später, müssen wir wieder mit Zöllen rechnen. Meine aktive Zeit war geprägt von dem rasanten Wandel durch die Digitalisierung. Mit dem ersten Smartphone 2007 hat sich alles verändert: die Kommunikation, Social Media, digitale Handelsplattformen bis hin zur KI. Auch die Pandemie hat der Veränderungsgeschwindigkeit noch mal einen Push gegeben. Von daher ist es schwer zu sagen, wo die Branche steht. Vieles ist in Bewegung. Aktuell ist noch gar nicht abschätzbar, wie stark KI die Geschäftsabläufe verändert. Neue Vertriebsformen wie TEMU und SHEIN setzen etablierte Kanäle unter Druck. Es war eine spannende Zeit und es sieht so aus, als ob es spannend und herausfordernd bleibt.“
Was war in Ihrer Amtszeit die größte Herausforderung?
„Die Strukturen des Verbandes waren, als ich anfing, nicht mehr zeitgemäß. Es gab noch mehrere Landesverbände und auch die Lederwaren- und Kofferindustrie waren in einem eigenen Verband organisiert. Außerhalb des Verbandes hatten sich deshalb eigene Gruppierungen gebildet. Die Branche zu einen und einen schlagkräftigen Bundesverband zu bilden, war für mich die größte Herausforderung. Mit Ralph Rieker hatte ich dabei einen starken Vorsitzenden als Partner an meiner Seite. Was ich jetzt von meinem aktuellen Vorsitzenden Carl-August Seibel auch sagen kann.“
„Im Mittelpunkt steht die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einer sich verändernden Weltordnung. Dazu gehört nicht nur der Abbau unsinniger bürokratischer Anforderungen, sondern auch, steuerlich Spielraum zu schaffen, um in digitale Kompetenz investieren zu können.“
Ihr größter Erfolg?
„Neben der gerade genannten Schaffung eines zentralen Bundesverbandes war die Abschaffung der Strafzölle auf Schuheinfuhren aus China und Vietnam wohl der größte Erfolg. Das ersparte den deutschen und europäischen Schuh- und Sportschuhfirmen enorm viel Geld.“
Aktuell steht die Branche wie viele andere auch vor Problemen. Die Konjunktur will nicht anspringen, es herrscht Kostendruck und die Zukunftsperspektiven sehen mit Blick auf die globalen Krisen nicht eben rosig aus. Welches sind die drei drängendsten Probleme Ihrer Mitgliedsfirmen?
„Im Mittelpunkt steht die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einer sich verändernden Weltordnung. Dazu gehört nicht nur der Abbau unsinniger bürokratischer Anforderungen, sondern auch, steuerlich Spielraum zu schaffen, um in digitale Kompetenz investieren zu können. Dazu brauchen die Unternehmen dringend qualifiziertes Personal, was vor dem Hintergrund der Demografie ein echtes Problem ist. Also: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Ausbau der Digitalkompetenz, ohne die Fachkompetenz, wie man einen guten Schuh macht, zu verlieren, Zugang zu qualifiziertem Personal.“
Welche Lösungen haben Sie dazu entwickelt?
„In allen drei Bereichen haben der Verband und ich persönlich sehr viele Initiativen entwickelt und diese unter großem Einsatz realisiert: In Sachen Qualifizierung ist es beispielsweise die Gründung des International Shoe Competence Centers (ISC), um neue Formen der Bildung auch international zu ermöglichen. Daneben ging es um die Stärkung der Deutschen Schuhfachschule und die Modernisierung der Ausbildungsgänge für die Schuhfertigung. Im Bereich der Digitalisierung haben wir mit der Neuaufstellung und Weiterentwicklung des elektronischen Clearing Centers ECC ein Werkzeug geschaffen, das den Händlern und Lieferanten die Möglichkeit gibt, sich optimal zu vernetzen. Es muss meiner Meinung nach aber noch mehr und noch cleverer genutzt werden. In Sachen Wettbewerbsfähigkeit habe ich mich mit dem Verband immer für weniger Bürokratie und mehr Freihandel eingesetzt, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken. Mittlerweile gewinnt diese Einsicht auch in Berlin und Brüssel glücklicherweise mehr Unterstützung.“
Was empfehlen Sie Ihrem Nachfolger?
„Ich möchte meinem Nachfolger keine Empfehlungen geben, das ist auch nicht erforderlich. Ich bin sicher, er versteht die Branche und wirtschaftliche sowie politische Zusammenhänge sehr gut. Wichtig ist es, offen zu sein für Veränderung und ein Gespür zu haben, Entwicklungen früh zu erkennen. Auch Flexibilität ist wichtig, weil sich nach meiner Erfahrung die Prioritäten und Bedürfnisse der Branche ganz schnell ändern können.“
Wie blicken Sie auf die letzten Monate Ihrer Amtszeit, überwiegt die Sorge oder die Zuversicht?
„Ich war und bin immer ein realistischer Optimist. Auch wenn aktuell manche Wolke am Himmel ist, kommt bald wieder ein anderes Wetter, um bei dem Bild zu bleiben. Es gibt auch in Zukunft Chancen und Möglichkeiten. Man muss nur dazu bereit sein und sie ergreifen.“
Was werden Sie am 2. Januar 2026 machen?
„Die kurze Antwort ist: erst einmal ausschlafen. Tatsächlich bin ich eher ein Mann der Tat. Deshalb werde ich weiter aktiv bleiben, sei es im Ehrenamt oder, wenn mein Wissen und meine Expertise gefragt sind, auch im unternehmerischen Umfeld beziehungsweise als Anwalt. Das Ganze soll aber nicht mehr diesen Umfang annehmen und so viel meiner Zeit in Anspruch nehmen wie bisher. Ich freue mich auf mehr Zeit zum Reisen, zum Tennisspielen und Fahrradfahren, meine Französischkenntnisse zu verbessern und gemeinsam mit meiner Frau Konzerte und Opern zu besuchen.“