„Wir haben kein echtes Beschaffungsproblem“

Kaiser Bekleidungs-GmbH

 „Wir sind ein ,integrierter Dienstleister‘ für unsere Kunden. Damit meine ich, dass wir uns in die Ablaufprozesse der Unternehmen einbinden und darüber unsere Leistungen erbringen, anstatt nach Auftrag fertige Produkte zu liefern." Michael Kaiser Mitinhaber Kaiser Bekleidungswerke Alle Bilder © Kaiser Bekleidungswerke

Autor: Markus Oess
Michael Kaiser, mit seinem Bruder Stefan Geschäftsführer und Inhaber der Kaiser Bekleidungs-GmbH, führt das Familienunternehmen in zweiter Generation. Im Gespräch mit FASHION TODAY spricht er über die Entwicklung vom Auftragsproduzenten zum integrierten Dienstleister, über internationale Beschaffungsmärkte und die wachsende Bedeutung strategischer Partnerschaften. Kaiser erklärt, warum Flexibilität und Skalierbarkeit heute entscheidend sind, welche Rolle KI künftig in der Unternehmensführung spielt – und was BENVENUTO. mit Vertikalisierung zu tun hat.

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„Wir sind zufrieden. Wir haben ein gebrochenes Geschäftsjahr zum 31. März. Aufgelaufen liegen wir aktuell bei plus 7 Prozent.“ Mitinhaber Michael Kaiser

FASHION TODAY: Herr Kaiser, wenn Sie in wenigen Sätzen erklären müssten, was Ihr Unternehmen macht – wie würden Sie es beschreiben?
Michael Kaiser:
 „Wir sind ein ,integrierter Dienstleister‘ für unsere Kunden. Damit meine ich, dass wir uns in die Ablaufprozesse der Unternehmen einbinden und darüber unsere Leistungen erbringen, anstatt nach Auftrag fertige Produkte zu liefern. Wir definieren für uns drei Kernbereiche: Design/Kreatives (inklusive Materialentwicklung), Produktion/Produkt und große Teile der Logistik bis hin zur Flächenbewirtschaftung. Natürlich beinhaltet dieses Konzept einen weiteren sehr wichtigen Punkt, nämlich die Finanzierung dieses Prozesses durch Kaiser. Analog sind wir im Unternehmen organisiert. Wir definieren Teams, die in Prozesse eingebunden sind – als ,outgesourcte‘ Einheit unserer Kunden. Geografisch fokussieren wir uns auf Europa und die USA; was das Sourcing angeht, arbeiten wir global mit Schwerpunkt Asien. Wir arbeiten mit Marken bis zur oberen Preismitte und Retailern im weiteren Sinne zusammen.“

Wenn Sie das heutige Tagesgeschäft mit dem von 2019 vergleichen: Was hat sich am meisten verändert?
„Die Kommunikation hat sich dramatisch verändert. Vor Covid war es im Grunde schlicht nicht üblich – und damit unmöglich –, sich virtuell auszutauschen. Die Digitalisierung in der Kommunikation hat vieles vereinfacht. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass unser Business immer noch ein People Business ist. Ohne persönlichen Kontakt funktioniert es einfach nicht.“

Wie läuft es aktuell?
„Wir sind zufrieden. Wir haben ein gebrochenes Geschäftsjahr zum 31. März. Aufgelaufen liegen wir aktuell bei plus 7 Prozent.“

Wie entwickelt sich die Ertragslage?
„Ertragsseitig läuft es in die gleiche Richtung. Sicher ist es nur eine Momentaufnahme, aber wir sind wirklich zufrieden.“

Sie reisen viel. Wie wird Deutschland im Ausland derzeit wahrgenommen – ist der „kranke Mann Europas“ zurück?
„Wissen Sie, tatsächlich hat Deutschland immer noch einen guten Klang im Ausland, gerade auch in den USA. Natürlich bekommen wir die Themen, die uns derzeit im politischen Geschehen beschäftigen, auch im Ausland gespiegelt – etwa die Bürokratie, die schwache Binnenkonjunktur oder die kränkelnde Autoindustrie. Aber Deutschland steht für Werte wie Klarheit, Verlässlichkeit, Transparenz, Wahrheit und Leistungsfähigkeit. Man muss nicht immer alles so negativ bewerten.“

Sie liegen preislich vermutlich meist unter den Produktionskosten Ihrer Kunden, anders würde wohl keiner bei Ihnen ordern. Wie nehmen Sie über Ihre Kunden die aktuelle wirtschaftliche Lage wahr?
„Wir haben mit THOMAS GOODWIN eine preislich überaus attraktive Preiseinstiegsmarke. Mit BENVENUTO. sind wir vor wenigen Jahren ins Mittelpreissegment eingestiegen. Inzwischen machen beide Marken 20 Prozent unseres Umsatzes aus, Tendenz steigend. Aber natürlich ist unser Core Business die beschriebene Dienstleistung für Dritte, also Marken und Retailer. Für uns öffnet der Kostendruck im Markt Türen. Wir beanspruchen für uns, mit sehr wettbewerbsfähigen Preisen am Markt zu agieren. Wir kommen derzeit gut zurecht, weil wir das richtige Preis-Leistungs-Verhältnis bieten und uns nahtlos in die Wertschöpfungskette unserer Kunden integrieren. Das wird vom Markt belohnt. Wir verstehen uns als Hersteller. Dies ist sehr wichtig! Wir können mit unserer Organisation die Produktion überall auf der Welt in den entsprechenden Märkten zuverlässig darstellen.“

Nationalismus und Protektionismus prägen zunehmend die globale Politik. Sie sourcen international – wo liegen die größten Herausforderungen?
„Wir haben kein echtes Beschaffungsproblem – unsere Lieferfähigkeit ist stabil, unabhängig von Zeit oder Zielmarkt. Die Herausforderungen liegen derzeit eher auf der Marktseite. Viele Händler stehen unter erheblichem Druck: Die Flächenproduktivitäten sinken, während Kosten in nahezu allen Bereichen – von Mieten über Löhne bis hin zu Energie – weiter steigen. Das betrifft stationäre Händler ebenso wie den Onlinehandel. Zugleich verändert sich das Konsumverhalten spürbar: Manche Verbraucher schränken sich finanziell ein, andere setzen neue Prioritäten. Dadurch entsteht eine komplexe Gesamtsituation, die nur durch gemeinsame Anstrengungen zu bewältigen ist.
Ein entscheidender Ansatz wird darin liegen, die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette stärker miteinander zu vernetzen. Doch ein solcher Lösungsweg ist vielschichtig, anspruchsvoll und bei Weitem nicht einfach umzusetzen – er erfordert Offenheit, Vertrauen und langfristiges Denken auf allen Seiten.“

„Wir beanspruchen für uns, mit sehr wettbewerbsfähigen Preisen am Markt zu agieren. Wir kommen derzeit gut zurecht, weil wir das richtige Preis-Leistungs-Verhältnis bieten und uns nahtlos in die Wertschöpfungskette unserer Kunden integrieren. Das wird vom Markt belohnt.“

Spüren Sie die wachsenden Spannungen zwischen der EU, den USA und China – oder auch Russlands aggressives Auftreten – unmittelbar? Zum Beispiel bei Zöllen oder Handelshemmnissen?
„Wir arbeiten sehr eng mit Unternehmen aus Asien zusammen. Wir haben das technische Know-how, wir haben eine eigene Organisation vor Ort und kennen die Szene auf dem Kontinent. Übrigens geht es nicht nur um Produktivitätskennzahlen, sondern auch um Nachhaltigkeitsthemen, die wir systematisch überwachen. Gibt es ein Zollproblem, weichen wir auf andere Länder aus. Aber im Grunde müssen wir anerkennen, dass wir immer mehr exogenen Faktoren ausgesetzt sind, auf die wir reagieren, die wir aber nicht beeinflussen können. Unser großer Vorteil ist, dass unser Geschäftsmodell schnell skalierbar ist. Wir können uns schnell anpassen – und davon profitieren, ebenso wie unsere Kunden.“

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Wie gehen Sie strategisch weiter?
„Die größte Herausforderung für uns liegt darin, uns in einem Markt zu behaupten, der zunehmend von global agierenden Großunternehmen dominiert wird, sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Absatzseite. Es erfordert überzeugende Argumente und ein klares Profil, um sich in diesem Umfeld erfolgreich zu positionieren. Unsere Stärke als inhabergeführtes Familienunternehmen liegt in zwei wesentlichen Faktoren: Flexibilität und Skalierbarkeit. Wir können schnell und gezielt auf Veränderungen reagieren, dank einer Struktur, die global vernetzt ist, aber schlank genug, um Anpassungen unmittelbar umzusetzen. Gleichzeitig erlaubt uns unser Geschäftsmodell, rasch zu skalieren und Mengeneffekte effizient zu nutzen. Das macht uns zu einem verlässlichen und strategisch starken Partner für unsere Kunden, aber auch für unsere Lieferanten.“

Wo sehen Sie aktuell die größten internationalen Chancen und Wachstumsmöglichkeiten für Ihr Unternehmen?
„Wir haben immer noch ausreichend Wachstumsräume in Europa und den USA ausgemacht. Ganz aktuell stehen wir in guten Verhandlungen mit einem sehr großen US-amerikanischen Kunden.“

Sie haben sich die Markenrechte an BENVENUTO. gesichert. Warum sind Sie ins Markengeschäft eingestiegen?
„THOMAS GOODWIN ist ja schon länger auf dem Markt. Mit BENVENUTO. hatten wir die Gelegenheit genutzt, den nächsten Schritt zu gehen und uns weiter zu vertikalisieren. Ich hatte ja schon gesagt, dass wir skalieren können. Warum also nicht auch im Markengeschäft auf eigene Verantwortung? Im Grunde also eine logische Entscheidung.“

Wie bewerten Sie diesen Schritt heute? Wie weit mussten Sie sich organisatorisch und kulturell bewegen, um die Marke zu integrieren?
„Allgemein gehen Erwartungen und Realität bei einer solchen Entscheidung nie zu 100 Prozent überein. Wir wussten, dass wir BENVENUTO. integrieren können, aber kulturell war das für uns ein größeres Thema als gedacht. Wir mussten uns genauso bewegen und in die Führung einer Marke hineinfinden, wie umgekehrt die Strukturen von BENVENUTO. an uns angepasst werden mussten. Das hat eine Zeit gedauert und wir hatten im Zuge der damaligen Ereignisse um BENVENUTO. auch keinen unermesslichen Vertrauensvorschuss im Handel und bekanntlich anfangs Lieferprobleme. Inzwischen haben wir das alles im Griff und ich bin mir sicher, dass Tristan Bolwin und Christoph Sangmeister BENVENUTO. merklich nach oben bringen werden. Mein Kompliment an der Stelle an das gesamte Team.“

BENVENUTO. entwickelt sich also inzwischen positiv. Bedeutet das Konsolidierung – oder wollen Sie Ihr Markengeschäft weiter ausbauen, eventuell durch zusätzliche Marken oder Markenrechte?
„Es geht merklich voran. Wir bekommen immer wieder Angebote auf den Schreibtisch. Generell prüfen wir interessiert. Denkbar wäre auch ein Einstieg ins Lizenzgeschäft.“

Wie sieht es mit Investitionen aus?
„Wir stecken gerade einen Millionenbetrag in die Logistik hier am Standort in Kleinheubach, um uns im Tagesgeschäft zu verbessern – gerade auch, was die Flächenbewirtschaftung angeht. Außerdem investieren wir einen hohen sechsstelligen Betrag in ein KI-Projekt, das uns in der Unternehmensführung insgesamt weiterbringen soll. Ich verspreche mir davon sehr viel. Es geht, das möchte ich nochmals betonen, nicht um Personaleinsparung. Im Gegenteil: Es geht darum, unser Unternehmen auf die nächste Ebene zu heben. Wir wollen effizienter werden und mehr freigesetzte Ressourcen in unser Core Business aussteuern.“

Der Gesprächspartner:

Michael Kaiser ist Geschäftsführer und mit seinem Bruder Stefan Inhaber der Kaiser Bekleidungs-GmbH mit Sitz in Kleinheubach. Er arbeitet seit April 1990 im elterlichen Unternehmen und blickt damit auf mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Bekleidungsbranche zurück. Kaiser studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und schloss als Diplom-Kaufmann ab.

Das Unternehmen:

Die Kaiser Bekleidungs-GmbH wurde 1984 von Gisa und Adi Kaiser gegründet. Das Unternehmen startete als Auftragsproduzent für Versandhäuser, zunächst aus dem Wohnhaus heraus. Früh setzte Kaiser auf Geschwindigkeit und Marktkenntnis in der Beschaffung. In den 1990er-Jahren expandierte das Unternehmen in die damalige Sowjetunion und baute dort Produktionskooperationen auf. Mitte der 1990er folgten erste Fertigungen in Fernost, heute der wichtigste Produktionsstandort. 1999 wurde die neue Firmenzentrale eröffnet, 2005 ein eigenes Logistikzentrum mit mehr als 20.000 Quadratmetern Fläche. 2014 entstand ein hochmodernes Logistikzentrum mit rund 60.000 Quadratmetern Fläche und Platz für etwa 1,5 Millionen Hängeteile. Nach dem Tod des Gründers Adolf Kaiser im Jahr 2005 führen heute seine Söhne Michael und Stefan Kaiser das Familienunternehmen weiter.