„Wer dem Hype verfällt, wird enttäuscht werden!“

KI auf Führungsebene

„Es gibt derzeit viel zu viel Hype und falsche Annahmen. KI wird als großer Heilsbringer mit magischen Kräften gesehen, wobei es einfach nur Code ist, der Statistik nutzt, um Wahrscheinlichkeiten auszurechnen." Prof. Dr. Manhembué ©Maxim Zimmermann

Autorin: Tays Jennifer Köper-Kelemen
Künstliche Intelligenz hält in Unternehmen auch in den Führungsebenen Einzug. FASHION TODAY hat nachgehört bei Prof. Dr. Manhembué, Professor für Data Science Management an der Digital Business University of Applied Sciences (DBU) in Berlin.

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Künstliche Intelligenz übernimmt in der Arbeitswelt immer mehr Aufgaben, so ist sie auch in den Führungsebenen von Unternehmen angekommen. Das Einsatzspektrum ist vielfältig, bietet zahlreiche Chancen, birgt jedoch auch Risiken. FASHION TODAY hat nachgefragt bei Prof. Dr. Martin Manhembué, Professor für Data Science Management an der Digital Business University of Applied Sciences (DBU) in Berlin und Start-up-Gründer von kaleidemoskop, ein Unternehmen für datenbasierte Strategie- und Entscheidungsberatung mit Sitz in Berlin. Zuvor arbeitete Manhembué als Product Owner und Data Scientist bei der Deutschen Bahn sowie als Unternehmensberater.

FASHION TODAY: Herr Professor Manhembué, wie kann KI auf Führungsebene eingesetzt werden?
Prof. Dr. Martin Manhembué: „Die Aufgaben als Führungskraft können sehr unterschiedlich sein, je nach Größe des oder der Teams. Aber generell kann man sagen, dass durch künstliche Intelligenz und damit verknüpfte Automatisierung Management-Aufgaben weniger werden und man sich dadurch mehr auf Leadership konzentrieren kann. Kurzum: Man muss weniger operative Routineaufgaben erledigen und kann den Fokus auf die Arbeit am und im Team fokussieren.“

Stehen mehr noch Routine-Tätigkeiten oder Entscheidungsfindungen im Fokus?
„Selbst Routinetätigkeiten beinhalten genau genommen ständige Entscheidungen, auch wenn sie uns nicht mehr so groß vorkommen, da wir sie schon häufig so oder so ähnlich getroffen haben. Die Frage ist daher eher: Wie kompliziert oder sogar komplex sind die Entscheidungen, die wir mit oder durch KI treffen oder treffen lassen? Hier kann man schon heute davon ausgehen, dass sehr viele Entscheidungen durch KI mindestens unterstützt werden können. Allerdings sollte man auf Human-in-the-Loop achten, also den Menschen jederzeit im Prozess halten.“

Können auch soziale Interaktionen von KI übernommen werden?
„Gerade das ist ein Bereich, der derzeit so eingeschätzt wird, dass hier wenig durch KI übernommen werden kann und soll. Menschen wollen häufig mit anderen Menschen interagieren und verarmen, wenn sie dauerhaft isoliert sind. Denkbar ist allerdings, dass ein Chatbot im Namen einer Führungskraft Gespräche führt. Solange eine reale Person existiert, können wir heute kaum noch unterscheiden, mit wem wir tatsächlich sprechen. Also: technisch möglich, aber hochgradig fragwürdig und in der Praxis vermutlich unbedeutend.“

Welche Voraussetzungen müssen in Unternehmen gegeben sein, um KI auf Führungsebene effektiv einzusetzen?
„Klingt nicht sexy, aber zuerst muss man sich darum kümmern, dass die Datenqualität stimmt, Datenzugänge gegeben sind und die richtigen Werkzeuge beschafft werden. Man braucht eine Betriebsvereinbarung, muss auf Compliance und Gesetze achten und vor allem klare Ziele formulieren.

Dann braucht man natürlich noch die Skills zur Umsetzung, die man auch einkaufen kann, und Verständnis und Weitsicht auf Führungsebene, um die richtigen Weichen zu stellen.“

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„Klingt nicht sexy, aber zuerst muss man sich darum kümmern, dass die Datenqualität stimmt, Datenzugänge gegeben sind und die richtigen Werkzeuge beschafft werden.“

Welchen Profit haben Unternehmen konkret, wenn sie KI in ihrer Führung einsetzen?
„Häufig wird gesagt, durch KI komme es zu mehr Effektivität und Effizienz. In der Realität mag das für einige Aufgaben stimmen, lässt sich aber bestimmt nicht verallgemeinern. Vor allem darf man keinen zusätzlichen Umsatz erwarten. Im Gegenteil sieht es eher so aus, dass der Return on Invest (ROI) lange auf sich warten lässt, wenn er überhaupt zustande kommt. Tatsächlich scheitern extrem viele KI-Projekte, was dann faktisch Fehlinvestitionen sind.

Richtig angewandt, können allerdings Managementaufgaben übernommen werden, was beispielsweise die Planung von Mitarbeitenden-Gesprächen oder auch das Nachhalten von To-dos aus Meetings vereinfacht. Man kann sich also als Führungskraft mehr auf das Wesentliche konzentrieren.“

Welche Herausforderungen sehen Sie generell?
„Es gibt derzeit viel zu viel Hype und falsche Annahmen. KI wird als großer Heilsbringer mit magischen Kräften gesehen, wobei es einfach nur Code ist, der Statistik nutzt, um Wahrscheinlichkeiten auszurechnen. Zugegeben, die Generierung von Code und auch umfangreichen Analysen wirkt intelligent, ist aber nicht vergleichbar mit menschlicher Intelligenz. Wer dem Hype verfällt, wird enttäuscht werden.

Wenn man allerdings hinter den glitzernden Vorhang blickt und reale mehrwertstiftende Use Cases entwickelt, kann man KI sinnvoll einsetzen. Dem Hype zu widerstehen, heißt dabei nicht, dass alles Blödsinn ist. Vielmehr geht es darum, das Nützliche herauszumendeln.“

Sind CEOs durch KI womöglich in Zukunft gänzlich zu ersetzen?
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber das zulässt. Davon abgesehen, sind CEOs auch als Persönlichkeiten wichtig und agieren als Vorbilder. Sie motivieren und sind der soziale Kitt in Unternehmungen. Allerdings gibt es Studien, in denen KI über lange Zeiträume quasi als Co-CEO genutzt wurde, mit durchaus positivem Resümee. Ich glaube dennoch nicht an eine Substituierung, sondern eher an eine Ergänzung für Entscheidungen. KI kann viel schneller Informationen tragen und gegebenenfalls sogar objektiver sein. Selbst wenn die KI danebenliegt, kann es bei Entscheidungen sein wie beim Münzwerfen: Sobald ein Ergebnis da ist, weiß ich als Entscheiderin, was ich will oder eben auch nicht. KI ist damit immer ein Beschleuniger.

Schließlich bleibt zu beobachten, ob generative KI an der eigenen Contentflut erstickt und damit weitaus unbrauchbarer wird, ob die KI-Blase an der Börse platzt und ob die Ernüchterung nicht im dritten KI-Winter mündet.“

Vielen Dank für das Gespräch!