Frische Hehlerware aus Köln

Upcycling

Vertreter einer neuen Wertschöpfungskette – das Team der Hehlerei. alle Bilder ©Hehlerei
Autorin: Nina Peter

Was so schön illegal klingt, ist natürlich völlig legal, aber durchaus eine klare Rebellion gegen eine selbstverständliche und gedankenlose Wegwerfmentalität, gegen Fast-Fashion-Gewohnheiten und den bedeutungslosen Mainstream der Modebranche.

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Manuel Krings ist Co-Founder der HEHLEREI – des Bündnisses für textile Delikte –, das nicht nur ein Streetwear-Label, sondern auch ein Modelabor ist, in dem echtes Handwerk betrieben wird und mit erprobten Upcycling-Techniken ein kreativer Remix aus frisch aufbereiteten Secondhand-Textilien designt wird. Vom Upcycling Workshop bis zur Rapper-Kollabo – wir haben mit Manuel über das originelle Konzept der HEHLEREI gesprochen.

FT: Ihr macht aus ausrangierten Kleidern neue Unikate – empfinden eure Käufer dann eure Produkte als neu oder als Secondhand-Ware?
Manuel Krings: „Das ist eine sehr gute Frage, die gleich den Kern unserer Mission berührt: Mit dem Prinzip der Hehlerware weichen wir nicht nur lineare Marktlogiken auf, sondern auch produktbezogene Qualitäten wie ,alt‘ und ,neu‘: Was bedeutet schon ,alt‘ oder ,gebraucht‘ bei 1 a reparierter, neu interpretierter und gründlich gereinigter Ware? Wer aber hinhören will, dem erzählt Hehlerware die aufregendsten Geschichten aus ihrer Vergangenheit. Ich glaube, die Antwort auf diese Frage ist höchst subjektiv und wir für unseren Teil laden dazu ein, tradierten Begriffen wie Endverbraucher, Neuware oder Werteverlust kritischer zu begegnen.“

Wie sehen die Prozesse dabei aus, das heißt, wie entsteht ein neues Design?
Am Anfang von jeder Kollektion oder jedem Auftrag steht immer die Geschichte, die unsere Kleidung transportieren soll. Das heißt, bei unseren eigenen Kollektionen entwickeln wir zunächst im HEHLEREI-Team ein starkes Narrativ, bevor das Visual Design kommt. Bei unserer zweiten Kollektion ,Delict Lijn‘ zum Beispiel ging es um die Triade ,Opfer-Täter-Augenzeuge‘ – da es sich bei uns als Akteurin der Textilindustrie auch um Fragen der Rechtschaffenheit und Ethik dreht. Hierzu haben wir dann eine modulare Bildsprache entwickelt. Wenn wir für Auftraggeber produzieren, starten wir immer mit einem kokreativen Format, in dem wir über Zielgruppenanalysen, Moodboards und Fashion Prototyping erste Entwürfe skizzieren. Danach checken wir unser Lager auf passendes Rohmaterial und stellen Schritt für Schritt eine Gesamtplanung der Kollektion zusammen. Anschließend landet die Ware auf unseren Nähtischen und/oder dem Siebdruck-Karussell und wir starten die Produktion.“

Kommen bei eurem Upcycling alle Materialien infrage?
Angefangen haben wir mit leicht zu verarbeitenden Materialien wie Baumwollshirts, Denim-Jacken oder Kissenbezügen. Aber unser Anspruch ist es, möglichst alles, was uns gespendet wird, weiterzuverarbeiten. Das heißt, dass wir uns mittlerweile Siebdruck- und Upcycling-Techniken angeeignet haben, die es uns erlauben, auch Leder, Polyestergewebe, bereits bedruckte/bestickte Ware oder sogar Woll- und Seidentextilien zu veredeln. Momentan konzentrieren wir uns noch auf Oberbekleidung, aber wir starten gerade auch Experimente mit Hosen, Röcken und Abendkleidern. Ganz egal, was wir auch veredeln: Am Ende nähen wir unser kleines ,Hehlerware‘-Patch ein, eine Art Siegel, das garantiert: ,100 Prozent Secondhand‘.“

Ihr bietet euer Konzept auch als Dienstleistung an, wie sieht das genau aus?
Wir gestalten und produzieren mit und für kleine und mittelgroße Labels, Designerinnen und Designer, Modeschaffende, Bands, Musikerinnen, Künstler, Aktivistinnen, Teams, Crews, Vereine, Verbände, Kulturschaffende sowie Kreative zusammengefasst: für alle Gleichgesinnten, die ihr Publikum mit Hehlerware versorgen möchten. Kürzlich haben wir zum Beispiel für einen Kölner Rapper eine Minikollektion entworfen und produziert, da er einfach keinen Bock mehr auf die Standard-Merchandise-Nummer hatte. Statt eines Haufens neuer schwarzer Shirts hat er sich für Hehlerware entschieden und wir haben eine lebendige Kollektion aus Jeansjacken, Lederjacken, Collegejacken, Hoodies, Gym Bags und Shirts produziert – alles Unikate und das meiste war schon nach dem vierten Tour-Stopp vergriffen.
Wer Lust auf Hehlerware hat, kann sich bei uns melden und wir konzipieren gemeinsam eine Minikollektion von mindestens 30 Pieces. Dabei können wir dank unserem umfangreichen Secondhand-Lager sehr individuell auf die Bedürfnisse unserer Auftraggeber eingehen.
Neben den Minikollektionen bieten wir außerdem auch Upcycling Workshops an, in denen wir unser Hehler-Wissen teilen und wir mit diversen Teams gemeinschaftlich Hehlerware gestalten.“

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Gerade frische Kooperationen in der Pipeline?
Aktuell läuft noch unsere langfristige Kooperation mit der Theaterkompanie .Fettwerk‘, zu deren Debütstück wir alle Kostüme gestaltet haben und dazu noch eine Begleitkollektion, die bei allen Vorführungen zu erwerben ist. Außerdem ist gerade unsere Kollabo mit dem Jugendförderprogramm OFF BEAT CULTURE gestartet: 80 Jugendliche und Fans des Programms werden mit Hehlerware versorgt. Ende Mai erwartet uns dann ein weiteres großes Projekt, zu dem wir jetzt noch nichts sagen dürfen.“

Wo kann man eure Kreationen kaufen?
„Noch haben wir keine geregelten Öffnungszeiten, aber bei vorheriger Terminvereinbarung kann man unseren Showroom in Köln-Ehrenfeld gerne besuchen kommen! Zudem sind wir umtriebig auf diversen Designmärkten und in Pop-up Stores; über Facebook und Instagram bleibt man auf dem Laufenden. In unserem Online-Shop hehlerei.bigcartel.com rotieren außerdem immer ein paar ausgewählte Pieces aus allen bisher veröffentlichten Kollektionen.“

Gut zu wissen:

Die HEHLEREI nimmt Kleiderspenden jeder Art an. Alle Spenderinnen und Spender bekommen Vergünstigungen auf Hehlerware. Zudem informiert die HEHLEREI darüber, was mit den Spenden im weiteren Verwertungskreislauf passiert, und in besonderen Fällen gibt es ein Vorkaufsrecht.

Alles, was nicht weiterverwendet wird, wandert in das stetig wachsende Spendennetzwerk, zu dem gemeinnützige Organisationen aus Köln und Umgebung gehören, wie zum Beispiel das BfO oder das Emmaus Niehl.