Nachdem uns das Vokal-Sextett mit seinem klangüberschäumenden, weltenumschlingenden Erstling bleibend begeisterte, führt es uns mit seinem kristallreinen 2020er 16-Weisen-Werk zurück zu den eigenen Wurzeln – zu den historischen Heldinnen des traditionellen Gesangs seiner lettischen Heimat. Das ebenfalls rein weibliche vokale Auleja-Sivas-Ensemble existiert dort seit 1940, ist bis heute in mittlerweile dritter Generation aktiv und bildete den Forschungsmittelpunkt einer wissenschaftlichen Arbeit der tonangebenden Tautumeitas-Stimme Asnate Rancanes. Solcherart inspiriert, begaben sich die sechs strahlenden Silberstimmen in das Dorf ihrer vokalen Vorbilder, um dort die aus alten und ältesten Tagen tradierten Weisen zu studieren. Eine Auswahl von 16 ursprünglichen, rein a cappella zelebrierten Liedern wurde im Studio zu finaler Form getragen, um jetzt auch das mitteleuropäische Ohr zu faszinieren, wobei die hier zu erlebenden harmonischen Welten unserem musikalischen Empfinden schon beim ersten Hören weit weniger fremd erscheinen, als der Lettland-Laie befürchten mag. Faszinierend vokale Klangreise, gleißend geleitet von sechs betörenden Stimmen.
Einfach meisterlich auch seine Art, mit den Country-Stilen zu spielen, dabei die gesamte Genre-Geschichte zitierend, BackPorch BlueGrass wie wiegenden Country Swing, samtweich fließenden Singer-Songwriter- und Psyche-Folk, Country Rock, Pub Rock und West Coast, beschwingenden Honky Tonk und auch die ganz große, gefühlstiefe Breitwand-Ballade bewunderungswürdig beherrschend und mit ehrlichem, emotionsreichem Leben füllend. Auch den Gesangspart erledigt der Vielinstrumentalist (A- und E-, Nashville- und Zwölf-String-, Bariton- und Slide-Gitarren, Mellotron, Arp, Synth, Schlagwerk, Perkussion) mal im Alleingang, mal in vielstimmigen Harmonielagen mit Bravour, dezenter Zurückhaltung und voller Gefühl, verweist dabei sowohl stimmlich als auch häufig in den Harmoniewechseln in die balladeskeren Weiten der späten, ihm nicht unbekannten Pink-Floyd-Welten und erschafft ganz nebenbei ein wahrhaft opulentes Opus von genregrenzensprengender Größe. Ein kunstvolles, vor Ideen überquellendes Country-Meisterwerk von atemberaubenden Ausmaßen.
Auf den beseelt fließenden, unterschwellig aber heftig fiebernden Instrumental-Strukturen lässt Kjellvander seine sanft-sonore Stimme zwischen Cash und Cohen, zwischen Lanegan und Hazlewood schmeicheln und raunen, berühren und bewegen, singt, schmeichelt, reibt und spricht er die wehmütigen Worte tief unter die Haut, dabei gleichermaßen der mitunter hypnotischen Gänsehaut-Atmosphäre eine weitere wüstenwindumwehte Ebene verleihend und stets die verbindenden Brücken zum gewohnt-geliebten Scandamericana-Kosmos schlagend. Und ist der Einstieg in den von sechs langen Epen (darunter das magisch hypnotisierende Triptychon Normal Behaviour In A Cutting Garden) getragenen Aufbruch in neue Alternative-Country-Welten mit dem von Klang-Experimenten belebten Yacht In The Fog auch für den Roots-Hörer zunächst etwas holprig, so wird er auf Dauer mit einem unendlich faszinierenden, gleichermaßen gewohnten wie ohrenöffnenden Americana-Weg belohnt, der Bill Frisell, Hugo Race und die Cowboy Junkies miteinander versöhnt und dennoch ganz und gar Kjellvander ist.