Wow, so darf das neue Jahr musikalisch gerne beginnen, denn der mir bislang unbekannte Aaron Frazer legt mit seinem Debüt ein ganz großartiges Soul-Album vor, das 2021 Maßstäbe setzen wird. Dabei ist der Typ ein noch recht junges Weißbrot, dem hier das Kunststück gelingt, gegenwärtigen Premium-Soul à la Daptone mit dem musikalischen Erbe Curtis Mayfields zu versöhnen. Was wiederum am entspannten Falsett-Gesang liegt, der seine Lektionen bei Mayfield perfekt verinnerlicht hat. Als Blueprint für das im authentischen Vintage-Sounddesign produzierte Album könnte auch William DeVaughns Geniestreich „Be Thankful For What You’ve Got“ (einst auch von Massive Attack gecovert) gedient haben: laidback, schlank und elegant inszeniert, mit untertourigem Groove und doch oft richtig tanzbar. Die Streicher erinnern an die goldenen Zeiten von Hi Records, die Bläser sind pointiert und überhaupt wird hier extrem transparent und kristallklar produziert (diese Gitarre!) – an den Controls saß der inzwischen sagenhaft vielseitige Dan Auerbach, einst Gitarrist bei den Black Keys. Er holte einige legendäre Soul-Veteranen ins Studio, darunter Leute der Memphis Boys, die schon in den 1960ern für Aretha Franklin und Dusty Springfield spielten. Der junge Sänger erweist sich als charismatischer Kenner der Soul History, weshalb seine Songs auch so zeitlos und klassisch wirken. Der Bursche stammt aus Brooklyn und wuchs in Baltimore auf, landete später beim sehr guten Durand Jones als Kosänger, wo er auch als Songwriter erstmals in Erscheinung trat. 2021 scheint ein vielversprechendes Jahr für Retro-Soul zu werden.
Die motzenden Electro-Punks mit weiblicher Verstärkung. 2020, wir müssen reden! Corona, Brexit, Johnson, Trump und jede Menge andere Scheiße, die in der Welt vor sich geht. Für Jason Williamson und Andrew Fearn aka Sleaford Mods bietet dieses Seuchenjahr natürlich reichlich Material für ein neues Album. Jason Williamson spricht dabei die Sprache der Menschen auf der Straße, hat ein Gespür für ihre Sorgen sowie Nöte und trägt sein Herz stets auf der Zunge. Der Titel des sechsten Albums „Spare Ribs“ bezieht sich auf die Corona-Krise in England, wo manchen politischen Eliten das Leben ihrer Mitmenschen verzichtbar erscheint.
Die mit rudimentären Punk-Bass-Loops angereicherten Beats grooven auch mal lässig funky in mittlerem Tempo, was den eloquenten Tiraden von Williamson mehr Raum lässt. Geändert hat sich aber nichts Grundsätzliches: Man sollte auf die harschen Texte hören und sich vom Beat treiben lassen. Futter für den Postpunk-Dancefloor gibt es mit dem grandiosen Titelsong und Monster Bass Line. Die erstaunlichste und beste Nummer des Albums ist aber die aktuelle Single „Mork n Mindy“ mit den betörend souligen Gastvocals der britischen Newcomerin Billy Nomates. Als weitere Gast-Chanteuse mischt Amy Taylor von den großartigen Australiern Amyl & The Sniffers mit. Sleaford Mods erweisen sich mit ihrem sechsten Album, nicht überraschend, als die perfekte Band zum Seuchenjahr.
Schillernde, glitzernde, wundervolle und verstörende Sounds zugleich + tiefmelancholisch, zart und tröstend in einem + simple Beat Box meets Klangforschung. Kraut + Indie Pop + Polyrhythmik + eine psychedelisch-verspielte Motorik. 1980s Wave aktualisiert + groovender Indie-Electronic-Pop der 2000er + Industrial Noir. Dazu kommen eine völlig lose, sich beinahe auflösende bis sanfte, reduzierte bis zeitlos bodenständige Ballade (melodisch höchst apart), suggestive Slow-Groove-Modern-Electronic-Psychedelia, die mich entfernt an irgendwas von Robert Wyatt erinnert, zweimal bunter, freundlicher, schöner, luftiger Indie-(Folk-)Pop (zeitlos) und erhebender, herrlicher, unbestimmter Indie-Folk in purer Schönheit mit gleichzeitig melancholischen wie hymnischen Nuancen. Also extrem variationsreiche, vielschichtige, enorm freisinnige Musik, die immer wieder fesselnde/faszinierende Phasen beinhaltet.