„Die Erwartungen sind hoch“

NEONYT

„Nach der Neonyt on Air fokussieren wir uns voll auf die Planungen zur ersten FRANKFURT FASHION WEEk.“ Thimo Schwenzfeier ©Messe Frankfurt

Autor: Markus Oess
Für Thimo Schwenzfeier ist der Messe-Auftakt im kommenden Sommer ein Heimspiel im doppelten Sinne. Er ist bei der messe frankfurt verantwortlich für die NEONYT, die vor Corona in diesen Tagen ihre letzte Ausgabe in Berlin realisieren sollte, bevor es einen Neustart im Rahmen der FRANKFURT FASHION WEEK im Sommer gibt. Doch SARS-CoV-2 hat nicht mitgespielt. Die Infektionszahlen sind hoch und eine physische Messe nicht möglich. Statt nachhaltiger Partylaune in der Hauptstadt geht das digitale Format Neonyt on Air in die zweite Runde. Danach gilt der Messepremiere im Sommer die volle Aufmerksamkeit. Schwenzfeier zieht im FT-Gespräch Bilanz für die Ökobranche des ersten Corona-Jahres.

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FT: Herr Schwenzfeier, wie ist Ihrer Ansicht nach gerade die Green-Fashion-Branche durch die Corona-Zeit gekommen? Gab es mehr Solidarität als bei konventionellen Anbietern? Ist die Branche tatsächlich enger zusammengerückt oder ist das nicht auch ein Stück Wunschdenken? Schließlich geht es ja zuvorderst auch ums wirtschaftliche Überleben.
Thimo Schwenzfeier: „Die Green-Fashion-Branche hat während der Krise nochmals ihre Besonderheit in Sachen Zusammenhalt, Transparenz und Positivität gezeigt und von Anfang an Impulse sowohl in Richtung der Lieferanten und Produzenten wie auch zum Handel hin gesendet, um gemeinsam durch diese herausfordernde Zeit zu gehen. Initiativen wie Fair Fashion Solidarity oder verschiedenste Aktionen nachhaltiger Marken zeugen davon.“

Glauben Sie, Corona hat die Akzeptanz von Nachhaltigkeit befördert?
„Es klingt falsch, von einer positiven Seite der Pandemie zu sprechen, aber tatsächlich wirkt Corona in mancherlei Hinsicht wie ein Brandbeschleuniger hin zu mehr Nachhaltigkeit, mehr Transparenz und mehr Verständnis über die wirklich wichtigen Themen unserer Zukunft.“

Mit welchen Problemen hatten die Ökolabels besonders zu kämpfen?
„Im Grunde mit denselben Problemen wie alle Modelabels. Ware kann wegen der Lockdowns nur bedingt abverkauft werden, die Situation der Produzenten war und ist teils prekär, die finanzielle Situation bei den Labels selbst ist ob auflaufender Kosten bei wenig Einnahmen angespannt. Dazu kommt, dass der Durchbruch nachhaltiger Labels im konventionellen Handel gerade erst begonnen hat, sprich, die Beziehungen sind noch recht neu. Also ist die Distribution zum Endverbraucher weiterhin ein großes Thema.“

Wie haben gerade die kleinen Anbieter beim zurückliegenden Lockdown reagiert, wenn sie doch große Hoffnungen hatten, auf der Messe erste gute Kontakte in den Handel knüpfen zu können?
„Tatsächlich sind alle Aussteller der NEONYT nach der letzten Veranstaltung im Januar 2020 guten Mutes in die neue Saison gestartet – viele Kontakte, erste Orders, neue Kooperationen. Durch den Lockdown wurde vieles auf null gesetzt. Aber wenn nachhaltige Marken und insbesondere noch kleine Labels etwas können, dann ist es das, kreativ und unternehmerisch zu agieren. Klar, am Anfang stand eher die Reaktion, aber viele Labels haben nach und nach die Zügel wieder in ihre Hände genommen und sind in den direkten Austausch mit ihren Partnern getreten. Mittlerweile höre ich allerdings nahezu täglich den Ruf nach der nächsten physischen NEONYT, so früh wie möglich. Denn am Ende steht der persönliche Kontakt immer im Mittelpunkt, allen digitalen Alternativen zum Trotz.“ 

„Weiter fokussieren, weiter kommunizieren, weiter kooperieren.“

Wie konnten Sie helfen?
„Wir haben sowohl letzten Sommer als auch jetzt im Januar die Neonyt on Air aufgesetzt, die hauptsächlich über unseren Instagram-Kanal läuft und mit vielen Keynotes, Talks und Stories über den Status quo der nachhaltigen Mode berichtet. Dieses digitale Community-Event hat zumindest den Austausch untereinander befeuert. Darüber hinaus haben wir Kontakte zu unseren beiden digitalen Showroom-Partnern The Brand Show und JOOR vermittelt, damit Labels zumindest digital die Möglichkeit bekommen, mit Einkäufern und Händlern in Kontakt zu treten. Und dann fungieren mein Team und ich natürlich auf einer persönlichen Ebene als Vermittler und Netzwerker, sei es bei Fragen nach Kooperationsmöglichkeiten oder Sortimentsgestaltung oder rund um das Thema Siegel – da haben wir ja einen ganz guten Überblick und helfen gerne, soweit uns das möglich ist.“

Rechnen Sie jetzt für die Öko-Branche wie viele konventionelle Kollegen auch mit einer Pleitewelle bei Handel und Industrie?
„Klar ist, dass nicht alle unbeschadet die Krise überstehen werden. Nur, weil irgendwo Nachhaltigkeit draufsteht, ist das noch kein Selbstläufer. Insofern werden wir uns auf eine gewisse Marktbereinigung einstellen müssen. Aber gleichzeitig bietet die Krise eben auch Chancen, sich neu zu erfinden, neu aufzustellen, sich weiter zu fokussieren oder längst überfällige Prozesse anzustoßen. Vieles wird davon abhängen, wann wir in ein ‚neues Normal‘ übergehen können.“

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Was ist für die angelaufene Order Herbst/Winter 2021 geplant?
„Wir starten im Januar mit der zweiten Auflage der Neonyt on Air, das Programm ist mittlerweile online. Darin zu finden sind spannende Talks unter anderem rund um den Grünen Knopf oder OEKO-TEX sowie eine Keynote von hessnatur. Auch spannende Unternehmen wie KERING oder Timberland werden zu Wort kommen. Was das Thema digitale Showrooms angeht, werden wir erneut mit The Brand Show kooperieren und vermitteln Labels an das Team rund um Saydou Bangoura, damit diese online mit Händlern in Kontakt treten können.“

Wo sehen Sie vor allem Anknüpfungspunkte für die Branche, weitermachen zu können?
„Weiter fokussieren, weiter kommunizieren, weiter kooperieren. Die nachhaltigen Labels können sich im Grunde nichts vorwerfen, bis Corona haben sehr viele sehr viel richtig gemacht. Transparenz steht über allem, die Menschen lieben die Geschichten hinter den Marken und das Interesse an nachhaltigen Themen ist so groß wie nie und wachsend. Daher lautet ‚dranbleiben‘ die Devise.“ 

Wie geht es dann weiter für die NEONYT und Ökolabels, sind „Zwischenprogramme geplant oder fokussieren Sie dann alle Kräfte auf den Sommer in Frankfurt?
„Nach der Neonyt on Air ist erst mal kein spezielles Zwischenprogramm geplant, tatsächlich fokussieren wir uns dann voll auf die Planungen zur ersten FRANKFURT FASHION WEEK. Auch wenn es sich im Grunde genommen um unsere Heimat handelt, ist das Messegelände für die NEONYT Neuland. Insofern gibt es viel zu tun, denn die Erwartungen sind zu Recht hoch.“

Gibt es dann auch spezielle Angebote für kleine Labels und Newcomer?
„Die NEONYT und auch ihre Vorgängerveranstaltungen haben seit jeher kleine und neue Labels besonders unterstützt. Das werden wir auch im Rahmen der FRANKFURT FASHION WEEEK fortsetzen. Allerdings haben wir in Frankfurt jetzt den großen Vorteil, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Daher stimmen wir uns bei solchen Themen sehr eng mit unseren Partnern von der PREMIUM GROUP ab. Auch wenn wir für solche Angebote noch etwas Zeit benötigen, können sich interessierte Labels und Designer gerne schon jetzt mit uns in Verbindung setzen.“

Topthema Transparenz

Wissen, was geht. ©Screenshot neonyt.messefrankfurt.com

Vom 18. bis 22. Januar 2021 geht das digitale Format Neonyt on Air in die zweite Runde. Neben den „Presenting Partners“ Grüner Knopf, hessnatur und OEKO-TEX diskutieren Fashion-, Digital- und Lifestyle-Expertinnen und -Experten über Transparenz in der Textil- und Modebranche. Auch Persönlichkeiten aus Politik, IT und Finanzwesen werden dabei sein. Ganz oben auf der Agenda steht das Thema Transparenz der kompletten Wertschöpfungskette unter ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekten. So werden neben der Mode Fragen zu IT, Politik oder Finanzwirtschaft thematisiert, unter anderem „Earth Overshoot Day“, „The Future of Transparent Supply Chains“, „The Long Financial Thread of Sustainability“ und „Sustainable Sourcing“ sowie „Textile Trust – Driving Transparency by Using Blockchain“.

Zudem bringen Influencer und Content Creators wie Noa Ben-Moshe oder Alf-Tobias Zahn Style und Sustainability mit „Prepeek at Home“ parallel zur Neonyt on Air auf ihren eigenen Instagram-Kanälen zusammen. Die Prepeek-Idee bleibt dabei: exklusiver Zugang zu den neuesten Kollektionen ausgewählter NEONYT-Brands, aber gestylt werde individuell zu Hause, im Office oder auf der Straße. Für die Teilnahme an der „Neonyt on Air“ ist keine Registrierung erforderlich. Das vollständige Programm ist über die Website www.neonyt.com einsehbar und auf dem Instagram-Kanal @neonyt.berlin verfügbar.