Business unusual

Digitale Messen

Einen rein digitalen Ersatz für reale Messen wird es nicht geben. ©FT

Autor: Andreas Grüter
 

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Die PREMIUM macht es, die Pitti macht es und SEEK, NEONYT und MODEFABRIEK machen es auch – im Zuge der Corona-Krise präsentieren Modemessen virtuelle Handelsplattformen und gerieren sich so als digitale Vorreiter der Branche. Für Aussteller und Besucher bedeutet das weniger Kosten und ein effektiveres Arbeiten, aber ist es auch eine echte Alternative zum traditionellen Tradeshow-Business? Wir haben nachgefragt.

Mode ist eine sehr haptische Angelegenheit, die eben nicht über Zoom-Konferenzen oder Ähnliches funktioniert.“ Marco Lanowy, ALBERTO-Geschäftsführer ©ALBERTO

Durch neue Kollektionen stöbern, Ordern schreiben, Leute treffen, sich inspirieren lassen – alles auf nicht absehbare Zeit passé. Den Modemessen als erlebbaren Business-plus-Events hat das Virusjahr 2020 ordentlich zugesetzt. Zuerst hagelte es Verschiebungen, dann Absagen und schließlich entschloss man sich vielerorts, seine Tradeshows in den digitalen Raum zu verlagern. Wahrlich kein Erlebnistrip, der alle Sinne berührt, aber besser als zwei Saisons ganz ohne Leistungsschauen. Oder etwa doch nicht?

Für Marco Lanowy, ALBERTO-Geschäftsführer für Retail, Sales und Marketing, war die Online-Verlagerung der Messen keine Option. „Für Labels ohne Showroom-Netz sind digitale Messen in der aktuellen Situation vielleicht eine gute Möglichkeit, ihre Kollektionen zu präsentieren, aber für uns kam die Teilnahme nicht infrage. Erstens, weil wir just zwölf Wochen vor der Pandemie ein eigenes B2B-Online-Portal lanciert haben und mithin über ein hauseigenes Tool für so eine Situation verfügen, und zweitens, weil 95 Prozent unserer Kunden auf einen Showroom-Termin bestehen. Mode ist eine sehr haptische Angelegenheit, die meiner Ansicht nach eben nicht über Zoom-Konferenzen oder Ähnliches funktioniert. Und machen wir uns nichts vor: Das Durchklicken durch Kollektionen am Computer nimmt für den Handel durchaus viel Zeit in Anspruch.“

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Um die Physis und Haptik der regulären Messesituation auch nur ansatzweise in den digitalen Raum zu transportieren, bedarf es eines enormen Aufwands.“ ETERNA-Chef Henning Gerbaulet

Eine ganz ähnliche Meinung vertritt Henning Gerbaulet, geschäftsführender Gesellschafter der ETERNA Mode Holding GmbH: „Um die Physis und Haptik der regulären Messesituation auch nur ansatzweise in den digitalen Raum zu transportieren, bedarf es eines enormen Aufwands. Ich spreche hier eben nicht nur von einigen Detail- und Imageshoots, sondern von umfangreichen Animationen, Bewegtbildern und, und, und. Ich glaube, der Aufwand dafür würde in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, zumal gut 98 Prozent unserer Kundschaft eh in unsere Showrooms kommen wollen. Experimente sind immer gut und wichtig, aber die Angebote haben uns nicht überzeugt.“

Michael Dietz, Co-Geschäftsführer der Kölner detector GmbH, ist in Sachen Online-Messen durchaus zwiegespalten. Mit seinem Label DEDICATED. stellt er auf der virtuellen SEEK aus. „Eigentlich hatten wir das Messethema für 2020 bereits völlig ad acta gelegt und uns auf das Business über unseren digitalen Showroom konzentriert, aber dann ist die SEEK mit einem guten Angebot auf uns zugekommen. Wir sehen die virtuelle Messeplattform als ein gutes B2B-Marketingtool und wollen mit unserer Teilnahme auch ein Zeichen setzen und das wichtige Format Messe stärken. Allerdings haben wir nicht das JOOR-Paket mitgebucht. Meiner Meinung nach sind digitale Tradeshows in Krisensituationen wie der aktuellen eine gute Lösung. Dass sie langfristig das reguläre Messegeschehen ablösen, glaube ich allerdings nicht.“