Revitalisierte Innenstädte: Tunnelblick

Kommentar

Andreas Grüter ©Peter Zembol

Autor: Andreas Grüter
Die Geschichte der sterbenden Innenstädte begleitet Einzelhandel, Städteplanung und Politik bereits seit Jahrzehnten und Corona fügt dem Verfall lediglich ein weiteres Kapitel hinzu. Warum ausgerechnet jetzt die x-ten, vollmundig ausgerufenen Initiativen zur Revitalisierung der Citys ein Erfolg werden sollten, erschließt sich mir zwar nicht, aber ich begrüße sie dennoch. Was bleibt einem sonst?

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Ärmel hochkrempeln, denn jetzt geht es los. Also richtig, also mit voller Kraft nach vorn. Voran. Es soll endlich aus sämtlichen Rohren gefeuert werden, schließlich geht es um alles. Vor allem um die Wirtschaft, genauer den Einzelhandel in der Stadtmitte. Treffen sich kreative Städteplaner und hecken Pläne aus, treffen sich Politiker und schmieden Konzepte, treffen sich Ladenbesitzer und planen verkaufsfördernde Maßnahmen. Kultur, die soll dabei großgeschrieben werden, die Leute sollen mitgenommen werden. Sie sollen ein echtes ‚Einkaufserlebnis‘ bekommen. Vielleicht mit ein bisschen Kunst, aber zumindest mit einem DJ. Die Straße und der Shop – vereint!

Aber Achtung! Bitte nicht stören. Wir brauchen unsere Konsumenten nur von 9 bis 20 Uhr. Danach könnt ihr sie wiederhaben. Schickt sie nach getaner Arbeit am besten nach Hause, denn es soll Ruhe herrschen an der Innenstadtfront. Denn dann wird gespiegelt, denn dann wird aus Weiß Schwarz. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag, deshalb: Bitte kein Lärm nach Geschäftsschluss, sagt das Ordnungsamt. Was soll das? Also was machen Sie da? Warum sind Sie überhaupt noch hier, verschrecken die Nachbarschaft und verursachen Beschwerden? Verweilen Sie nicht, sondern gehen Sie nach Hause. Hier gibt es nichts zu sehen und schon gar nichts zu erleben. Dennoch erlebnishungrig? Dann nichts wie ab in die Fressmeile. Die Straße runter, die zweite links, dann rechts und dann sind sie auch schon da. Wir möchten sie bitten, sich ausschließlich im gekennzeichneten Areal aufzuhalten. Danke!

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Ist das Kunst oder kann das weg? Was Kultur ist, bestimmen immer noch wir und vor allem bestimmen wir, was nicht Kultur ist. ‚Verkaufsfördernd‘ ist das Zauberwort! Und da heißt es, die Zügel stramm anziehen. Hier kann schließlich nicht jeder machen, was er oder sie will. Störungen im städtischen Programmablaufgefüge akzeptieren wir nicht. Da greifen wir durch. Schließlich geht es um eine lebenswerte Stadt für alle und da wollen wir nur das Beste.