„Die Rolle von Social Media ist gigantisch“

FTbasic

Das Ladengeschäft von Mertens Männersachen in der Schwerinstraße.

Interview mit Johannes Michael Mertens, Geschäftsführer von Mertens Männersachen

Autor: Maximilian Fuchs
In unserer Serie „FTbasic“ laden wir kleine und mittelständische Händler zum Gespräch, um über das Geschäft mit der Mode in der aktuellen Situation zu sprechen. Dieses Mal waren wir in Düsseldorf bei Mertens Männersachen und haben uns mit Geschäftsführer Johannes Michael Mertens unterhalten.

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FT: Zwei Jahre mit Corona als Einzelhändler: Wie ist es Ihnen beruflich ergangen; welchen besonderen Herausforderungen mussten Sie sich stellen?

Faktisch konnte ich über einige Monate nur über Online und die Digitalisierungsmöglichkeiten neue Kunden für mein Geschäft gewinnen.. “ Johannes Michael Mertens, Geschäftsführer von Mertens Männersachen

Johannes Michael Mertens: „Rückblickend ist das bequem zu beantworten. In den letzten zwei Jahren mit Corona war es teilweise schon extrem stressig, weil man nicht wusste, was der nächste Tag bringt. Die Bestimmungen haben sich gefühlt 40-mal geändert und neben dem Selbststudium des aktuellen Regelwerks mussten die aktuellen Vorschriften auch immer den Verbrauchern vermittelt werden. Es war schon recht turbulent – dennoch kann ich, wenn ich nun zurückschaue, eigentlich nur positive Erkenntnisse gewinnen. Ich kann sagen, dass mir meine Kunden treu geblieben sind und ich mit meinem Konzept sehr nah am Verbraucher bin. Alle Umsatzlöcher, die entstanden sind durch Lockdown oder Shutdown, habe ich wieder auffüllen können. Was allerdings auch eine Erkenntnis ist, dass die potenzielle Neukundengewinnung in der Zeit deutlich schwieriger war. Faktisch konnte ich über einige Monate nur über Online und die Digitalisierungsmöglichkeiten neue Kunden für mein Geschäft gewinnen. Mir kam auch zugute, dass ich mir immer eine sehr strikte VO-Limitplanung setze, wenn ich in die Order gehe. Das ist nicht immer einfach, doch es zahlt sich am Ende aus. Mit dieser Strategie bin ich gut durch die letzten Saisons gekommen und konnte mich warentechnisch erfolgreich durchlenken, ohne große Abschriften.“

Sie betreiben einen eigenen Online-Shop. Welche Rolle spielt Social Media im Verkauf?
„Das ,digitale Schaufenster auf meiner Website und die Kommunikation über die sozialen Medien haben mir während der beiden letzten Jahre enorm geholfen. Es hat mir viele neue Kunden gebracht, die auch einfach gespannt waren, in den Laden zu kommen und vor Ort das kuratierte Sortiment zu entdecken. Die Rolle von Social Media ist gigantisch – und meinen Online-Shop habe ich erst in der Pandemie aus der Taufe gehoben. Es war am Anfang echt schwer, weil das ganze Thema für mich Neuland war. In der Zwischenzeit habe ich es aber gut im Griff und es macht mir richtig Spaß, auch wenn es sehr viel Arbeit ist, da ich alles selbst mache, vom Foto bis zur Publikation. Wichtig ist es, dass die Inhalte stets aktuell sind und meine Stammkunden in regelmäßigen Abständen neue Posts zugespielt bekommen, die neugierig machen.“

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Gab es Lieferprobleme mit bestellter Ware oder bestimmten Größen seitens der Hersteller?
„Das ist schon so. Aber Männer sind eher bedarfsorientiert eingestellt, von daher habe ich eine dankbare Kundenklientel. In Düsseldorf kann ich auch bis in den Herbst hinein Shorts verkaufen; wenn sie denn gut sortiert sind, nehmen die Kunden das Angebot an. Von daher nehme ich immer gerne späte Liefertermine, was es für beide Seiten einfach macht, mit Lieferproblemen, die ja meist zu Beginn der Saison auftreten, gut umzugehen. Ich persönlich kann also nicht klagen, meine Lieferanten haben zufriedenstellend geliefert.“

Die Transformation in Sachen Digitalisierung und Vertikalisierung macht vielen Händlern zu schaffen. Sie selbst haben neben dem Fashion Store auch eine Beratungsfirma für Retail Area Management, Schulungen und Visual Merchandising. Was war zuerst da – der Laden oder das Consulting?
„Ich bin und war schon immer leidenschaftlicher und detailverliebter Einzelhändler. Und da macht es keinen Unterschied, ob ich in meinem eigenen Ladengeschäft gestalte und verkaufe oder ob ich auf der Fläche versuche zu vermitteln, wie Teams ihre Sortimente präsentieren sollten.

Ich habe einige Etappen im Einzelhandel hinter mir, ich war auf der LDT Nagold, bei Harrods in London, nur um die wichtigsten Stationen zu nennen. Irgendwann habe ich entschieden, in die Beratung zu gehen und daneben mein Retailgeschäft weiterzuführen. Ich würde auch nie etwas empfehlen, was ich selbst nicht probiert habe oder praktiziere, und diese Authentizität schätzen meine Kunden.“

Verticals stellen für klassische Einzelhändler erst einmal eine Gefahr da. Haben Sie Tipps an die Händlerkolleginnen und -kollegen, wie sie auf die Veränderungen reagieren können?
„Ich sehe es nicht unbedingt so, dass die Vertikalen eine Gefahr für Einzelhändler darstellen. Die Vertikalisierung in der Mode gibt es ja schon lange und es wird erst dann zur Gefahr, wenn ein Hersteller es nicht richtig macht. Soll heißen, wenn ein vertikales Unternehmen im Sortiments- und Retail Management wirklich flächenfähig ist, kann es für uns Einzelhändler ja erst einmal eine Bereicherung sein. Es stärkt auch die Innenstädte, die ohnehin ächzen, und die Flächen wollen vermietet werden. Wenn die besagten Vertikalen aber nicht wirklich wissen, was sie tun, und merken es nicht, zum Beispiel ein konstant falsches Sortiment auf der Fläche oder auch zu viel Ware haben – dann müssen sie zwangsläufig anfangen, den Markt mit Reduzierungen zu überschütten, um den Überschuss loszuwerden. Erst dann wird es problematisch für Einzelhändler, wenn der Markt vor den Augen wegreduziert wird. Falls ich als Händler nun in den Konflikt mit einer Marke komme, dann muss ich mir zunächst anschauen, ob es mein Rand- oder mein Stammsortiment betrifft. Es ist immer gut, einen Plan B beziehungsweise eine passende Alternative in petto zu haben, um reagieren zu können, sich stetig zu informieren und mit Labels ins Gespräch zu kommen, beispielsweise auf Fachmessen, wenn das endlich wieder möglich ist.“