Fast Fair Fashion?

Grüner Knopf

Nur mit Zertifikaten wie dem Grünen Knopf ist es möglich, langfristig faire Löhne und Arbeitsbedingungen für alle Arbeiterinnen und Arbeiter wie hier in einer Textilproduktion in Ghana zu garantieren. ©Ute Grabowsky/photothek.net

Autorin: Katja Vaders
Eine Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs in der Textilindustrie ist schwierig. Bei vielen Labels sind zwar Siegel zu finden, die auf faire Herstellungsprozesse hinweisen. Aber was steckt wirklich hinter den Zertifikaten? FT stellt das staatliche Siegel Grüner Knopf auf den Prüfstand – und fragt nach, warum Fast-Fashion-Ketten es (noch) nicht annehmen wollen.

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Drei Viertel der Verbraucherinnen und Verbraucher finden nachhaltige Mode wichtig und freuen sich über eine entsprechende Orientierungshilfe beim Einkaufen. Im September 2019 hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf diesen Wunsch reagiert und in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit ein staatliches Label beziehungsweise ein deutsches Textilsiegel zur Corporate Social Responsibility eingeführt, das mehr Transparenz schaffen soll: der Grüne Knopf.

Um sich zertifizieren zu lassen, müssen Produzenten wie Händler verbindliche Anforderungen einhalten, um Mensch und Umwelt zu schützen. Insgesamt sind dazu 46 anspruchsvolle Sozial- und Umweltstandards umzusetzen, die die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards gewährleisten. Dazu gehören ein ausreichender Gesundheitsschutz für die Textilarbeiter, ein wirksamer Feuerschutz in den Produktionsstätten und das Verbot gesundheitsschädlicher Chemikalien genauso wie die Regelung von Arbeitszeiten oder die Zusicherung eines Mindestlohns. 20 weitere Kriterien auf der Ebene des Unternehmens müssen zusätzlich von den Textilfirmen eingehalten werden, die vor allem die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern sollen und für nachhaltige Lieferketten stehen.

Die Kombination aus Produkt- und Unternehmenskriterien beim Grünen Knopf ist ein Alleinstellungsmerkmal und geht über Voraussetzungen für andere private Siegel hinaus. So möchte der Grüne Knopf nicht zuletzt auch den Verbrauchern eine bessere ökologische und soziale Qualität garantieren und ihnen das Erkennen wirklich nachhaltiger Mode erleichtern. Zertifiziert wird übrigens durch externe Institute. Bewerben für das Siegel können sich alle Labels, die auch schon die Kriterien anderer Nachhaltigkeitssiegel wie Global Organic Textile Stan­dard GOTS, Fairtrade Textile Production, OEKO-TEX® Stan­dard „MADE IN GREEN“ oder Fair Wear Foundation erfüllen.

Letztlich positive Bilanz

Zwei Jahre nach Einführung des Grünen Knopfes kann man eine durchaus positive Bilanz ziehen: Zum Start 2019 ließen sich 27 Unternehmen zertifizieren, inzwischen sind es rund 80 Firmen aus der Textilbranche, die unter dem nachhaltigen Label laufen. Diese kommen aus allen Bereichen der Branche: von Mode und Accessoires über Outdoor-Bekleidung und Zubehör bis hin zu Berufsbekleidung und Heimtextilien. Insgesamt verkauften die zertifizierten Unternehmen seitdem über 150 Millionen mit dem Grünen Knopf ausgezeichnete Produkte, was auf eine wachsende Aufmerksamkeit beziehungsweise Zustimmung des Siegels hindeutet: Laut einer Umfrage des GfK Consumer Panels Fashion finden es insgesamt 93 Prozent der Befragten richtig, dass die Bundesregierung mit einem staatlichen Siegel die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in der Textilindustrie gewährleisten möchte. 40 Prozent der Befragten kennen den Grünen Knopf, 44 Prozent haben sogar schon mindestens ein zertifiziertes Produkt gekauft. „Zunehmend wird der Grüne Knopf zum Referenzsiegel für nachhaltige öffentliche und private Beschaffung. Bereits jetzt wird mit dem Grünen Knopf zertifizierte Arbeitskleidung durch die Polizei, bei der Deutschen Bahn oder von Mitarbeitern großer Supermarktketten getragen, Bettwäsche und weitere Heimtextilien werden durch die Caritas und die Diakonie, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sowie Hotelketten genutzt“, erklärt ein Sprecher des BMZ.

Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiierte Textilsiegel Grüner Knopf etabliert sich immer mehr. Bereits 80 Unternehmen haben sich zertifizieren lassen. ©BMZ

Auch der Bundesverband für Verbraucherschutz zieht ein positives Fazit. „Obwohl es den Grünen Knopf erst zwei Jahre gibt, ist seine Präsenz im Textilmarkt bereits groß. Positiv sind vor allem die Unternehmenskriterien, die von Unternehmen verlangen, ihre Risiken in Bezug auf Menschenrechte in der gesamten Lieferkette zu überprüfen. Das Ziel, den Arbeiterinnen und Arbeitern in den Produktionsländern existenzsichernde Löhne zu zahlen, muss nun prioritär auf der Agenda stehen, denn Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten dies von einem staatlichen Textilsiegel. Der Grüne Knopf als Metasiegel muss zukünftig dazu führen, dass die etablierten privaten Textilstandards in die Branche hineinwirken und sich stetig das Niveau der etablierten Textilstandards erhöht“, resümiert Kathrin Krause, Referentin Nachhaltiger Konsum bei der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

Es gibt allerdings auch Kritik am Nachhaltigkeitssiegel des BMZ bezüglich der Kriterien beziehungsweise deren Nach­weisführung in der Praxis. Zudem hielten vor allem unabhängige Organisationen eine Produktzertifizierung durch privatwirt­schaftliche Institute nicht für den richtigen Ansatz.

Ein wichtiger Schritt in diesem Zusammenhang ist das ab dem 1. Januar 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz. Es soll Unternehmen verpflichten und in Haftung nehmen, menschenrechtswidrige Produktionsverfahren und Arbeitsbedingungen in den eigenen Lieferketten zurückzuverfolgen und Maßnahmen zu ergreifen, um solche Missstände zu beseitigen. Dies betrifft nicht nur Aktivitäten im eigenen Unternehmen, sondern auch die von Lieferanten und Vorlieferanten in allen Phasen der Lieferkette.

Nachbesserungen

Zusätzlich hat das BMZ den Grünen Knopf noch einmal unter die Lupe genommen und nachgebessert. Im Sommer 2022 wird dementsprechend eine weiterentwickelte, noch anspruchsvollere Version des Siegels vorgestellt: der Grüne Knopf 2.0. Was sind die Neuerungen beziehungsweise Nachbesserungen und wie kam es dazu, dass man diesen Schritt zu „Grüner Knopf 2.0“ gegangen ist? „Bei der Einführung des staatlichen Textilsiegels im September 2019 hat das BMZ angekündigt, dass der Grüne Knopf schrittweise anspruchsvoller werden wird. Zum einen sollen Erfahrungen aus der Einführungsphase zur Professionalisierung und Verbesserung genutzt und neue Schwerpunkte gesetzt werden. Zum anderen ist es internationaler Standard, dass sich Qualitätssiegel in regelmäßigen Abständen einer Revision unterziehen“, so ein Sprecher des BMZ.

Zu den wichtigsten Änderungen beim Grünen Knopf 2.0 zählen zum einen Anforderungen an unternehmerische Sorgfaltsprozesse wie wichtige Schritte zu existenzsichernden Löhnen, die Abdeckung der gesamten Lieferkette und breitere Verankerung von Sorgfaltspflichten im Unternehmen, aber auch eine stärkere Beteiligung der Menschen vor Ort und Nachhaltigkeitsziele für die Geschäftsführung. Dazu kommen siegelbezogene Anforderungen an Produkt und Produktionsprozesse, erstmalig Anforderungen an die Rohstoffgewinnung sowie die Weiterentwicklung und Anpassung bestehender Anforderungen auf Ebene der Konfektion und der Nassprozesse.

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Der ehemalige Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beim Treffen mit Textilarbeiterinnen und Überlebenden des Rana-Plaza-Unglücks: Auch die Verbesserung der Arbeitssicherheit steht im Fokus des Grünen Knopfes. © Michael Gottschalk/photothek.net

Kathrin Krause begrüßt die Nachbesserungen, weist aber darauf hin, dass das Thema damit längst noch nicht abgeschlossen ist und das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen ein dynamischer Prozess bleibt. „Die Weiterentwicklung zum Grünen Knopf 2.0 zeigt, wie langwierig Veränderungen in globalen Lieferketten zu erreichen sind. Die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten durch Unternehmen in den Produktionsländern sind sehr ‚dicke Bretter‘. Aus Verbraucherschutzperspektive darf nicht der falsche Eindruck entstehen, durch den Kauf eines T-Shirts mit dem Grünen Knopf die Garantie zu haben, dass die Menschen in der Lieferkette anständig bezahlt wurden und Kinderarbeit ausgeschlossen ist. Vielmehr sind es erste wichtige Schritte in Richtung nachhaltiger Textilproduktion. Grüner-Knopf-Unternehmen unterscheiden sich hierbei klar von ihren Mitbewerbern, die das Siegel nicht tragen. Damit die Glaubwürdigkeit des Siegels weiterhin hoch ist, muss ehrlich kommuniziert werden, welche Produktionsschritte wie Waschen und Färben der Grüne Knopf bereits abdeckt und wo noch nachgebessert werden muss.“

Auffällig ist, dass sich zwar viele traditionelle Marken wie trigema, Jack Wolfskin oder ESPRIT sowie große Handelsketten wie Tchibo, ALDI, LiDL oder REWE für die Teilnahme am Grünen Knopf entschieden haben, auf der Liste der zertifizierten (Textil-)Unternehmen aber keine einzige der großen Fast-Fashion-Ketten zu finden ist. Woran liegt das und vor allem: Was wird getan, um auch Fast-Fashion-Unternehmen für den Grünen Knopf zu gewinnen?

„Die Entscheidung, den Lizenzierungsprozess zu durchlaufen, liegt allein bei den Unternehmen. Wir können daher keine Aussage dazu machen, warum sich einzelne Unternehmen derzeit noch nicht für die Lizenzierung entschieden haben. Wir wissen aber, dass global agierende Textilmarken mitunter eine stärkere Internationalisierung des Siegels fordern, an der das BMZ arbeitet. Schon jetzt entspricht der Grüne Knopf EU- und WTO-Recht und die englische Variante Green Button kann auch im Ausland genutzt werden“, so der Sprecher des BMZ.

Fragt man direkt bei dem Fast-Fashion-Unternehmen PRIMARK nach, warum man sich gegen die Teilnahme am Grünen Knopf entschieden hat, fällt die Antwort eindeutig aus. PRIMARK ist es wichtig, Brancheninitiativen zu unterstützen und mit Partnern zusammenzuarbeiten, die Kundinnen und Kunden dabei helfen, nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen – und das zu Preisen, die sie sich leisten können. Dazu zählen beispielsweise internationale Zertifizierungen wie OEKO-TEX® Standard 100, Cradle to Cradle und Partnerschaften mit der Ellen MacArthur Foundation und REPREVE. Da PRIMARK derzeit in 14 Märkten tätig ist, planen wir nicht, dem deutschen Siegel ‚Grüner Knopf‘ beizutreten. Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, unseren Kundinnen und Kunden durch unser Primark-Cares-Sortiment nachhaltigere Produkte anzubieten“, so eine Sprecherin des Konzerns. Man setzt also schon auf das Trendthema Nachhaltigkeit, möchte sich aber nicht dem derzeit noch rein deutschen Siegel Grüner Knopf verpflichten.

Siegel mit Schwächen

Auch das deutsche Unternehmen C&A hat sich bisher noch nicht für das BMZ-Siegel zertifizieren lassen und kann einen eindeutigen Grund benennen: „Unsere Einschätzung zum ‚Grünen Knopf‘ bleibt insbesondere mit Blick auf die fehlende Internationalität des Siegels unverändert. Als international tätiges Unternehmen nutzen wir global gültige Zertifizierungen wie GOTS. Eine Umsetzung nationaler Initiativen wie im Falle des Grünen Knopfes ist für uns wenig praktikabel. Auch bei den Änderungen hin zu ‚Grüner Knopf 2.0‘ handelt es sich weiterhin um ein rein deutsches und kein internationales Siegel. Viele der Veränderungen in der 2.0-Version werden auch durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz von Unternehmen wie C&A gefordert und wir erfüllen diese Vorgaben bereits, wie zum Beispiel eine jährliche Risikoanalyse der Lieferkette“, erklärt Michael Reidick, Head of Social and Environmental Stewardship bei C&A.

Nachhaltigkeit also ja, Grüner Knopf, zumindest derzeit noch, nein. Warten wir ab, was das Lieferkettengesetz ab Januar 2023 bewirken wird, um nachprüfbare Fair Fashion zu gewährleisten. Vielleicht ist aber auch eine Internationalisierung des Grünen Knopfes das richtige Mittel, endlich auch die Fast-Fashion-Unternehmen ins Boot zu holen?

Eins ist unabhängig davon jedenfalls sicher: Der Weg zu einer konsequenten Umsetzung fairer Produktions- und Arbeitsprozesse in der Textilbranche ist noch lang. Das sieht auch Kathrin Krause so: „Dass Fast-Fashion-Unternehmen wie H&M, ZARA oder PRIMARK den Grünen Knopf noch nicht tragen, ist bedauerlich. Nachhaltige Textilproduktion scheint noch nicht im Mainstream angekommen zu sein. Dadurch müssen Verbraucherinnen und Verbraucher weiter nach sozial-ökologisch produzierten Textilien im Markt suchen, was nachhaltigen Konsum erschwert. Es bleibt zu hoffen, dass die Anforderungen, die das deutsche Lieferkettengesetz mit sich bringt, hier zu einer Veränderung im Massenmarkt beitragen.“