Der unendliche Kleiderschrank der Zukunft

Mietplattformen

„Mietmodelle werden sich weiterentwickeln, Resale-Plattformen sollten bis 2030 größer sein als Fast Fashion." Boris Planer, Chefanalyst bei der Trendberatung WGSN ©Gabriela Alatorre

Autorin: Silke Lambers
Zwischen dem wachsenden Wunsch nach nachhaltiger Mode und schrumpfenden Budgets durch die zunehmende Inflation überdenken Verbraucher ihr Konsumverhalten. Wirtschaftlicher Druck, kombiniert mit dem Niedergang formaler Dresscodes im Business-Bereich, verändert den Modemarkt. Was erst mal wie eine schlechte Nachricht für den Handel klingt, birgt auch den Nährboden für zeitgemäße Modelle wie Mietplattformen. Wir haben uns mit zwei Pionieren in dem Bereich Mode auf Zeit und einem Retail-Experten über Chancen und Risiken in diesem jungen Markt unterhalten.

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Lena Schröder geht es vor allem darum, schon bestehende Textilien so lange wie möglich im Kreislauf zu halten ©Anna Maria Langer Fotografie

„Junge Verbraucher verlangen nach mehr Nachhaltigkeit. Das ist für Leute zunehmend wichtiger, als dass jedes Produkt neu sein muss“, erklärt uns Boris Planer, Chefanalyst bei der Trendberatung WGSN in Deutschland. In dem Zusammenhang sieht er ernsthafte Veränderungen auf den Markt zukommen: „Mietmodelle werden sich weiterentwickeln, Resale-Plattformen sollten bis 2030 größer sein als Fast Fashion. Dieses Segment sollte man ernst nehmen und wichtige Modemarken investieren bereits. Hochwertige Kleidungsstücke und Accessoires zu mieten, wird vor allem bei privaten Anlässen gefragt sein. Statt alles zu kaufen, wird Mode auf Zeit populärer werden.“ Auch für den Bereich Luxusartikel sieht Planer hier neue Chancen: „Die Sicherheit, dass man gebrauchte Luxusartikel vermieten oder wieder verkaufen kann, kann den Luxusmarkt verstärkt für junge Verbraucher öffnen, die dann ohne großes wirtschaftliches Risiko einkaufen können.“ Zu diesen spannenden Zukunftsaussichten haben wir mit der erfolgreichen Fashion-Sharing-Pionierin Lena Schröder, Geschäftsführerin von Kleiderei, die gerade ihren neuesten Laden in Berlin eröffnet hat, zu ihrer Erfahrungen aus der Praxis befragt.

FT: Wie funktioniert euer Konzept in kurzen Worten?
Lena Schröder: „In unseren Kleiderei-Stores gibt es eine bunte Auswahl an Vintage, Fair Fashion und Secondhand-Kleidung, die gekauft und gemietet werden kann. Für einen monatlichen Beitrag von 29 Euro können Mitglieder vier Teile ausleihen und diese so lange behalten, wie sie möchten – oder ganz flexibel austauschen. Unser Angebot kann jederzeit pausiert werden und ist so die perfekte Ergänzung zum eigenen Kleiderschrank. Fehlkäufe sind Geschichte.“

Wie ist die Idee zur Gründung eures Unternehmens entstanden?
Schröder:
„Die Kleiderei-Reise hat schon 2012 begonnen. Die Grundidee einer Kleiderei ist bei einem Glas Wein in den schlauen Köpfen von Thekla Wilkening und Pola Fendel entstanden. Nach einem aufregenden Wirbelwind-Start und großem nationalen Interesse haben die beiden Gründerinnen schon 2014 den ersten deutschlandweiten Online-Verleih gelauncht. Das Projekt war absoluter Vorreiter, wenn es um Fashion Sharing allgemein geht.“

Was waren eure wichtigsten Erkenntnisse aus den ersten Tagen?
Schröder: „Das Mindset in den Köpfen der Konsumentinnen und Konsumenten zu verändern, braucht viel Zeit!“

„Das Mindset in den Köpfen der Konsumentinnen und Konsumenten zu verändern, braucht viel Zeit!“ Kleiderei ©Anna-Maria Langer Fotografie

Wie seid ihr das Projekt Fashion Sharing angegangen? Gab es Vorbilder?
Schröder:
„Ehrlich gesagt, gab es ganz lange nichts Ähnliches. Wir haben uns alles selbst erarbeitet. Wir können aber ja auch nicht behaupten, dass wir schnell wachsen. Darum geht es uns auch überhaupt nicht und ich wage mal zu behaupten: Auch wer heute noch ein Fashion-Sharing-Modell startet, um damit schnell reich zu werden, wird enttäuscht. Uns ging es von Anfang an um den Spaß an Mode für die Kundinnen und Kunden und darum, eine echte Konsumalternative zu bieten.“


Mit welchen Kompetenzen habt ihr euer Business gestartet? Was habt ihr vorher gemacht?
Schröder:
„Ich habe Modedesign studiert und mich 2007 zunächst mit einem Upcycling-Label selbstständig gemacht. Seit 2008 veranstalte ich mit einer Partnerin nachhaltige Design-Events und von 2010 bis 2017 hatte ich einen Vintage Store mit Online Shop.“

Wie ist euer Produktsortiment aufgebaut?
Schröder:
„Wir möchten jeder Person, die Kleidung leihen möchte, bieten können, was sie sucht. Deswegen sind wir nicht direkt auf einen bestimmten Stil festgelegt. Du findest bei uns das Outfit fürs Vorstellungsgespräch, dein Hochzeitsgastkleid, Party-Outfits, Jogginghose und alles für den Alltag, aber auch einen Skianzug. Leider sind wir noch nicht groß genug, um alles anzubieten, was wir gerne würden, vor allem, was die Größenauswahl angeht.“

„Ein großer finanzieller Vorteil ist die Vermeidung von Fehlkäufen, weil man jedes Kleidungsstück erst einmal ,Probe tragen‘ kann. Aber auch die Abwechslung ist ein klarer Vorteil. Wer sich sonst nur vier Teile im Jahr kauft, spart natürlich weniger.“

Welche Marken werden wir in eurem Shop finden?
Schröder: „Prinzipiell gibt es fast alles bei uns. Von Fair-Fashion-Brands wie zum Beispiel LANA, ARMEDANGELS oder LANIUS kann Kleidung geliehen werden. Von FAIX, pinqponq oder KLEIDERLY. haben wir auch Accessoires. Es geht uns vor allem darum, schon bestehende Textilien so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Deswegen gibt es auch eine riesige Auswahl Secondhand – von Acne Studios bis ZARA – bei uns. Abgerundet wird das Sortiment durch originale Vintage Pieces, aber auch Designerteile von Maison Margiela oder BURBERRY.“

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Probieren Kunden ein Produkt schneller aus, wenn sie es mieten, als wenn sie es kaufen?
Schröder:
„Definitiv. Es ist schon so, dass wir mit Kleiderei die Welt wieder ein bisschen bunter machen, denn bei bunten, ausgefallenen Kleidungsstücken sind viele beim Kauf zu Recht zögerlich, weil genau diese Teile viel mehr im Schrank hängen, als getragen zu werden. Durch das Kleiderei-Konzept können sie einfach durchgängig jemandem Spaß bereiten und sind viel mehr unterwegs!“

„Unsere Vision ist es, dass es in Zukunft überall lokal möglich ist, Mode zu leihen.“ Kleiderei ©Anna-Maria Langer Fotografie

Wie groß ist eure Community heute?
Schröder:
„Kleiderei gibt es mittlerweile in Köln, Freiburg und Berlin mit insgesamt über 500 dauerhaft aktiven Mitgliedern. Zu unseren Kleidertausch-Events, die zweimal jährlich stattfinden, kommen regelmäßig über 1.000 Besucherinnen und Besucher.“

Welche Vorteile hat es, Kleidung zu leihen, anstatt sie zu kaufen? Ökologisch und auch finanziell?
Schröder:
„Durch die gemeinschaftliche Nutzung wird ein Kleidungsstück einfach viel länger im Kreislauf behalten plus mehr genutzt, als nur im Schrank zu liegen. Ein großer finanzieller Vorteil ist die Vermeidung von Fehlkäufen, weil man jedes Kleidungsstück erst einmal ,Probe tragen‘ kann. Aber auch die Abwechslung ist ein klarer Vorteil. Wer sich sonst nur vier Teile im Jahr kauft, spart natürlich weniger.“

Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Schröder: „Wir haben gerade nach Berlin expandiert und schon weitere Städte im Blick. Aktuell suchen wir Partnerinnen und Partner in Stuttgart, Hamburg, Frankfurt und Leipzig. Wir möchten Gründerinnen und Gründer mit unserem Know-how dabei unterstützen, in die Selbständigkeit zu starten und einfach und schnell eine Kleiderei in ihrer Stadt aufzubauen. Unsere Vision ist es, dass es in Zukunft überall lokal möglich ist, Mode zu leihen.“

Wir bedanken uns herzlich bei Lena Schröder von der Kleiderei.