Ressourcenschonend und effizient

Nachhaltiger Messebau

Nicht nur in der Modeindustrie wächst das Bewusstsein von Brands und Produzenten, dass sich dringend etwas ändern muss. uniplan Covestro ©Thomas Wiuf Schwartz

Autorin: Katja Vaders
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sind aus der Textil- und Modeindustrie nicht mehr wegzudenken. Aber wie geht man in der Messebranche mit diesen Themen um? FT sprach mit Jörg Lelgemann, Geschäftsführer von sechsmeter Messebau, sowie Johanna Soboll, Sustainability Manager, und Petra Dinter, Creative Director von uniplan.  

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Recycling, Zero Waste, CO2-Neutralität und eine vermehrte Besinnung auf die Natur und unseren Planeten, dessen Ressourcen zusehends schwinden: Nicht nur in der Modeindustrie wächst das Bewusstsein von Brands und Produzenten, dass sich dringend etwas ändern muss. Dementsprechend finden bei vielen Unternehmen auch außerhalb der Branche ein Umdenken sowie eine verstärkte Auseinandersetzung mit ECO-Themen statt.  

Aber wie ist der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit, wenn es um die Messepräsenz von Unternehmen geht? Melden sich die großen und etablierten Veranstaltungen nach drei Jahren Coronapause überhaupt wieder vollumfänglich mit ihren alten Konzepten zurück? Oder musste sich die Branche komplett neu aufstellen?  

Wie ist der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit, wenn es um die Messepräsenz von Unternehmen geht? ©Thomas Wiuf Schwartz

„Die Veränderungen der Pandemie waren sehr tiefgreifend und haben gerade im Bereich der Live Communication zu verschiedenen Learnings geführt. Es gibt durchaus Formate, die auch rein digital funktionieren beziehungsweise bei denen digitale Elemente Live-Formate unterstützen“, so Johanna Soboll, Sustainability Manager, und Petra Dinter, Creative Director bei uniplan, einer inhabergeführten und unabhängigen Agentur für Brand Experience mit 400 Mitarbeitern, acht Standorten und mehr als 60 Jahren Erfahrung in der Branche. Man ist sich hier sicher, dass digitale Tools oder Formate helfen, die Reichweite eines Auftritts zu vergrößern, sich nach der Pandemie die meisten Austellenden sowie Besucherinnen und Besucher aber vor allem die physischen Formate zurückwünschen. Für die gelte es daher, Zielsetzungen zu definieren oder neu zu justieren. „Die Relevanz des Formats (der Show) muss für das Publikum ersichtlich sein genauso wie die Relevanz dessen, was man als Aussteller kommunizieren will“, so Johanna Soboll und Petra Dinter. Messen behielten weiterhin einen hohen Stellenwert fürs Marketing. „Denn: Authentische Kommunikation auf Augenhöhe mit den Zielgruppen gewinnt“, sind sich Soboll und Dinter sicher.   

Jörg Lelgemann, Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens sechsmeter Messebau mit Sitz in Düsseldorf, sieht in diesem Zusammenhang Unterschiede bei der Entwicklung von Messeformaten in den verschiedenen Branchen. „In der Modebranche setzt man meiner Meinung nach inzwischen eher auf andere Veranstaltungen oder präsentiert sich in seinen Showrooms. Natürlich gibt es noch Messen, aber die finden mit kleineren Ständen in einem moderneren Umfeld wie in einer Fabrikhalle statt und nicht mehr in großen Messehallen. Dafür präsentieren sich völlig neue Branchen, wie zum Beispiel Formate zu veganer Ernährung. Auch für den IT-Bereich gibt es immer wieder neue Veranstaltungen und Kongresse. Das Medium Messe ist also nach wie vor sehr gefragt“, so Jörg Lelgemann.   

Greenwashing keine Option ©Thomas Wiuf Schwartz

Egal welche Branche: Für uniplan ist vor allem eine authentische Kommunikation mit den Kunden extrem wichtig, auch oder gerade, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Greenwashing sei hier keine Option. „Zur Schaffung nachhaltiger Markeninszenierungen muss Nachhaltigkeit von Beginn an ein integraler Bestandteil des Kreationsprozesses sein“, so Johanna Soboll und Petra Dinter. Dazu gehöre, viele Prozesse, von der Kreation bis zur Produktion mit Schreinerei und Grafik-Werkstatt, im eigenen Haus zu haben, auch, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Nachhaltigkeit im Messebau ist bei uniplan fester Bestandteil der Unternehmensphilosophie: Schon in den 1970er-Jahren erfand Hans Brühe, Gründer der Agentur, den Miet-Systemstand und machte ihn populär. Dementsprechend unterstütze man auch die Kunden dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele im Bereich der Markeninszenierung zu erreichen, und stelle fest, dass diese vermehrt Nachhaltigkeit im Messestand nachfragten.  

„Das Ambitionsniveau und die Motivation sind jedoch sehr unterschiedlich. Zum einen treiben regulatorische Anforderungen immer mehr Unternehmen dazu an, sich mit der Nachhaltigkeit ihrer Lieferanten und Dienstleister zu beschäftigen. Das Thema Nachhaltigkeit ist dann jedoch teilweise mit der Überprüfung der Nachhaltigkeit unseres Agenturbetriebs abgearbeitet und hat bei der eigentlichen Projektentwicklung weniger Relevanz für den Kunden.“ Hinzu kämen gesellschaftliche Anforderungen zum Thema, auf die die Unternehmen mit einer entsprechenden Außendarstellung, zum Beispiel mit einem nachhaltigen Messestand, reagierten.  

Auch für Jörg Lelgemann ist Nachhaltigkeit inzwischen fester Bestandteil seiner Arbeit – und das nicht erst, seit es Trendthema ist. „Wir produzieren immer wieder viele Elemente, die sich anschließend noch einmal an anderer Stelle einsetzen lassen. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern spart allen Beteiligten beim nächsten Messeauftritt Kosten. Dass wir so gleichzeitig noch Ressourcen schonen, ist ein absolut positiver Nebenaspekt“, erklärt er.  

Module, die immer wieder einsetzbar sind. ©Andreas Keller Fotografie

Das ist allerdings nicht bei allen verwendeten Materialien so. „Auf einem Messestand gibt es verschiedene Bereiche, angefangen beim Bodenbelag. Bei einer einfachen Ausführung eines Standes ist das meist Teppich, ein Produkt, das nur für wenige Tage eingesetzt wird, danach wird es entsorgt – weil der Teppich dreckig ist, speziell zugeschnitten wurde und ihn daher keiner mehr verwenden kann und möchte. Das ist nicht gerade ressourcenschonend.“ Inzwischen gebe es aber wiederverwertbare Teppichböden, die nach der Messe granuliert und anschließend als sogenannter Sekundärrohstoff wiederverwertet würden. Was die Konstruktion eines Messestandes angehe, setze man von jeher auf Nachhaltigkeit. „Wir versuchen grundsätzlich, alle Elemente und Module wieder einzusetzen. Ein Messestand besteht oft aus einer Mischbauweise: Neben Wänden und Kabinen bekommt er eine Rückkonstruktion, die für Messebesucherinnen und -besucher unsichtbar ist und die aus immer wieder einsetzbaren Elementen besteht. Dieses Systemmaterial wird jahrelang wiederverwendet, solange es in Ordnung ist und die Statik-Auflagen erfüllt“, erklärt Jörg Lelgemann. Auch Systemböden, die aus Holz bestehen und für eine Erhöhung sorgen, unter der man später Kabel oder sonstige technische Infrastruktur verlegen kann, bestehen aus Modulen, die immer wieder einsetzbar sind. „Das ist schon eine sehr nachhaltige Art zu bauen.“ 

Auch uniplan unterstreicht die Selbstverständlichkeit, die das Thema Nachhaltigkeit in großen Teilen der Branche hat. „Messen haftet der Ruf der Verschwendung, des schnellen Verbrauchs und der Kurzlebigkeit an. Dennoch ist Nachhaltigkeit seit Jahren ein Kommunikationsthema – es werden außergewöhnliche Kampagnen erstellt, um die Nachhaltigkeit eines Produkts zu präsentieren, jedoch ohne dabei auf die Produktion des Messestands überzugreifen“, so Johanna Soboll und Petra Dinter.  

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Dabei finde ein Umdenken statt, das sich in Ressourceneffizienz und dem Einsatz nachhaltiger und recyclingfähiger Materialien niederschlage. Umfassend nachhaltige Messestände seien derzeit vielleicht noch Leuchtturmprojekte, uniplan habe aber bereits gelungene Beispiele umsetzen können, wie die Messeauftritte von Covestro auf der K 2022 oder von Hyundai auf der IAA 2021, die nicht nur kreativ gestaltet waren, sondern auch nachhaltige Innovationen unterstützten (siehe Fotos). Auch Miet-Systemstände seien aufgrund der häufigen Wiederverwendbarkeit eine der nachhaltigsten Möglichkeiten eines Messeauftritts, besonders für kleinere Unternehmen mit weniger Budget.  

Gerade die asiatischen Länder sind laut Johanna Soboll und Petra Dinter sehr an nachhaltigen Lösungen interessiert – nicht zuletzt, weil das Thema auch für deren Märkte deutlich an Relevanz gewinne. uniplan arbeitet daher mit Unternehmen aus Fernost zusammen und berät sie zu Entwicklung und Umsetzung von Projekten.  

Vom Narrativ wegkommen, dass Nachhaltigkeit teurer ist. ©Andreas Keller Fotografie

Auch Jörg Lelgemann unterstützt seine Kunden dabei, sich individuell, aber auch nachhaltig bei einer Messe zu präsentieren – was auch mit einem Systemstand wunderbar funktionieren kann. „Natürlich wollen sich unsere Kunden in ihrer Präsentation von den anderen Ständen unterscheiden. Es gibt mittlerweile sehr attraktive Systeme, mit denen man individuell bauen und die man immer wieder verwerten kann. Das sieht dann auch nicht nach einem 08/15-Basic-Messestand aus, sondern man kann schöne und vor allem individuelle Konzepte entwerfen und umsetzen.“  

Aktuell setze man häufig Rahmensysteme aus Aluminium ein, die mit Stoffen bespannt würden. „Diese Stoffe bestehen zwar häufig aus PVC, das natürlich nicht recycelbar ist. Trotzdem kann man sie immer wieder verwenden, wenn sie mit einem neutralen Motiv bedruckt sind. Das System, Stoffe einzuspannen, gibt es dementsprechend in unzähligen verschiedenen Formen: als Banner über dem Stand, an der Rückwand, als Deckenwürfel et cetera. Sollte sich das Motiv ändern, so kann man diese Stoffe immer wieder austauschen, ohne die gesamte Rückkonstruktion auszuwechseln – was nicht nur nachhaltig ist, sondern letztendlich für die Kunden Kosten einspart“, erzählt Jörg Lelgemann.  

Auch Johanna Soboll und Petra Dinter möchten von dem Narrativ wegkommen, dass Nachhaltigkeit teurer ist. „Nachhaltiger Messebau bedeutet nicht, lediglich Materialien auszutauschen, die teurer sind. Nachhaltiger Messebau erfordert die Bereitschaft zu hinterfragen, wie ein Markenauftritt aussieht, der wirtschaftlich effizient, sozial gerecht und ökonomisch tragfähig ist. Modulare Lösungen, die vielfach einsetzbar sind und sich aufgrund der Skalierbarkeit an sich ändernde Bedingungen und Umgebungen anpassen lassen, sind langfristig gesehen auch kosteneffizient. Hochwertige und nachhaltige Materialien sind entsprechend teurer, können dafür aber über verschiedene Messen und andere Formate eingesetzt werden. Nicht zuletzt sind die Klimafolgekosten, für die ein Unternehmen bei nicht nachhaltigem Handeln verantwortlich ist, um ein Vielfaches höher.“ 

Das Material ist also ein wichtiger Faktor für uniplan. Dementsprechend achtet man bei der Auswahl darauf, dass es zu einem möglichst hohen Anteil aus recycelten Stoffen besteht und im besten Fall dem Kreislauf ohne Wertverlust wieder zugeführt werden kann – hierauf wird schon bei der Konzeption geachtet. Vor dem Recycling stehe jedoch der effiziente Einsatz hochwertiger Materialien, die für einen vielfachen Einsatz geeignet seien.  

Nachhaltigkeit ist für große wie mittelständische Messebauer und -planer längst eine Selbstverständlichkeit. ©Andreas Keller Fotografie

Das sieht auch Jörg Lelgemann so: „Wir verwenden inzwischen immer häufiger recycelte oder recycelbare Stoffe und Materialien. Es passiert immer mehr in diese Richtung, gerade, was Bannerstoffe oder Verpackungsmaterial angeht. Das ist auf Messen leider ein großes Thema: Beim Aufbau entsteht unheimlich viel Müll! Auch hier nutzen wir, wenn möglich, recyceltes Material, zum Beispiel bei Folien, die wir zur Abdeckung von Böden benötigen. Auch den Restmüll darf man nicht einfach in einer Mischtonne entsorgen, die Messeveranstalter achten sehr auf Mülltrennung. Natürlich schauen wir immer zuerst, was man noch einmal verwenden kann, und das wird dann eingelagert. Holzzuschnitte nutzt man dann etwa für eine Rück- oder Unterkonstruktion eines neuen Standes – so bekommen sie sozusagen noch einmal ein neues Leben“, freut sich Jörg Lelgemann.  

Auch bei uniplan wird wiederverwertet, was möglich ist. „Der Miet-Systemstand wird größtenteils in unserem Lager eingelagert und wartet dort auf seinen nächsten Einsatz. Vielfach wiederverwendete Materialien, wie beispielswiese Wände, unterliegen einer strengen, kontinuierlichen Qualitätskontrolle vor jedem Einsatz. Jene, die durch Abnutzung nicht wieder im Systemstand verwendet werden können, werden als Verpackungen oder Bodenschutz eingesetzt, bevor sie dem Recycling zugeführt werden. Für modulare Systeme unserer Kunden haben wir ebenfalls eigene Lagerflächen. Alle weiteren Materialien, die nicht wieder auf Messen eingesetzt werden, werden soweit möglich sortiert und dem Recycling zugeführt.“ 

Fazit: Das Thema Nachhaltigkeit ist für große wie mittelständische Messebauer und -planer längst eine Selbstverständlichkeit. Und das Tolle ist, dass neben den natürlichen Ressourcen durch Recycling und Wiederverwertung offenbar auch die wirtschaftlichen Ressourcen aller Beteiligten geschont werden.