Baden durch die Jahrhunderte – Part 2

Der Männer-Bikini von Fernando Cozendey. © Fernando Cozendey, Model: Leandro Quaresma, Fotografin: Marcia Otto

Autor: Markus Oess
Das BikiniARTmuseum in Bad Rappenau zeichnet die Geschichte der Bademode nach – vom biederen Badekostüm aus Wolle Ende des 19. Jahrhunderts bis zum ausgebufften Zweiteiler für den Mann in heutigen Zeiten. Wir haben das Museum gebeten, mit uns auf eine Zeitreise zu gehen. 

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1950 

Obgleich sich der Bikini auch in den 1950er-Jahren noch nicht etablieren kann, zeichnet sich das Jahrzehnt durch verspielt-innovative und feminine Bademode aus. Taillierte Schnitte, florale Muster und brustformende Funktionen ziehen ihre Spuren durch die Modelinien zahlreicher zeitgenössischer Designerinnen und Designer sowie Labels wie Elsa Schiaparelli, Rose Marie Reid oder auch das deutsche Kultlabel Benger Ribana. Mode- und Stilikonen der Dekade wie Brigitte Bardot und Marilyn Monroe ebnen dem Bikini den Weg, indem sie sein revolutionäres Potenzial früh erkennen und ihn bereits in den 1950er-Jahren zu Filmfestspielen und Fotoshootings tragen. 

Florale Muster sowie feminin geschnittene Bademode prägen die 1950er-Jahre, wie dieser Badeanzug des US-amerikanischen Labels JANTZEN aus jener Ära zeigt.  © BikiniARTmuseum

 

 

Brigitte Bardot im Bikini in Cannes vor dem Carlton Hotel. © AURIMAGES

1960 

Im Laufe des Jahrzehnts kann sich der provokante Zweiteiler auch in der breiten Bevölkerung etablieren und wird von einer Vielzahl von Frauen als Symbol der Emanzipation zelebriert. Vorangetrieben wird dieser Prozess etwa durch Ursula Andress’ legendären Bikini-Auftritt im James-Bond-Film „007 jagt Dr. No“ (1962). Wenngleich sich der Bikini immer mehr in der Gesellschaft behauptet, gilt im Passauer Pschütt-Bad bis 1971 das letzte Bikini-Verbot in Deutschland. 

In den 1960er-Jahren wird die Dreiecksbadehose der Männer zum Renner in der ehemaligen DDR und erobert auch den sportlichen Wettkampf. Bis in die Mitte der 1970er-Jahre verschwindet die Dreiecksbadehose jedoch wieder aus den Regalen der Geschäfte. 

Ursula Andress im ikonischen elfenbeinfarbenen Bikini im Bond-Klassiker „007 jagt Dr. No“, 1962 © Aurimages

Die Dreiecksbadehose wird im Laufe der 1960er-Jahre zum Verkaufsschlager in der ehemaligen DDR. © BikiniARTmuseum 

Das brasilianische Model Rose di Primo in Bademode des Labels „Blue Man“ aus dem Jahr 1973 © BikiniARTmuseum

1970

Von Rio de Janeiro aus beginnt die knappste Bademode ihren Weg um die Welt. Zu Beginn der Siebzigerjahre findet mit dem Tanga die Tendenz zu immer noch weniger Stoff ihren Ausdruck. Ab jetzt gibt es für das Unterteil nur noch einen vorderen und einen hinteren Teil, verbunden mit einer Schnur. Schließlich wird auch noch der hintere Teil des Unterteils durch eine Schnur ersetzt und es entsteht der „Fio Dental“ (deutsch: Zahnseiden-Bikini), der als Höhepunkt der Stoffverknappung in der Bademode gilt.

„Orchidee“-Prospekt des deutschen Bademodenherstellers Heinzelmann, 1971  © BikiniARTmuseum 

1980

Triumph, 1988 © Pedro Volkert, BikiniARTmuseum

Typisch für die Schnittführung der Badeanzüge der 1980er-Jahre sind die hüfthohen, athletisch wirkenden Beinausschnitte. Bikinis sind häufig als zweiteiliges Sportlertrikot getarnt, die mit ebenso hohen Beinausschnitten und Figur formenden Materialien wie Lycra oder Elasthan den Gesamteindruck von Langbeinigkeit vermitteln. Mit Beginn der 1980er-Jahre kommt auch das Oben-ohne-Baden zunehmend in Mode. Parallel zu dieser freizügigen Entwicklung wird immer öfter auf Badeanzugmodelle vorhergehender Jahrzehnte mit Schößchen oder Volants zurückgegriffen.

In den ereignislosen 1980er-Jahren wird Neopren gelegentlich für die Herstellung von Badebekleidung für Männer verwendet, wobei die Badehose das beliebteste Kleidungsstück ist. Die 1980er-Jahre fördern einen auffälligen Stil, und die Besessenheit von körperlicher Fitness und Bodybuilding der Männer kommt wieder auf. Enge Lycra-Schwimmslips werden in dieser Zeit populär, um den männlichen Körperbau zu ergänzen.

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Werbeanzeige Oui Sportif im PLAYBOY-Magazin, 1985

 

1990 

Simona Patrucco, © BikiniARTmuseum

Die Bademode der 1990er-Jahre ist so innovativ wie nie zuvor: Bikinis und Badeanzüge werden in allen erdenklichen Farben, Mustern und Formen getragen. Kreative Zweiteiler aus Gras oder Kuchenformen treffen in der Haute Couture auf mit Diamanten und Gold besetzte Bikinis. Die Grenze zwischen Bade- und Alltagskleidung verschwindet zunehmend, da Bikinioberteile und BHs nun auch zur Jeans oder auch über dem T-Shirt getragen werden. Ende der 1990er-Jahre scheinen die Bikiniunterteile so knapp wie nie. 

In den 1990er-Jahren kommen locker sitzende Surfboardshorts auf den Markt, zusammen mit der steigenden Popularität des Surfens als Sportart. Ebenfalls in den 1990er-Jahren erobern die Boxershorts von Calvin Klein die Modewelt im Sturm und werden zur Grundlage für glatte, sportliche Bademodendesigns für Männer.

Exponate aus den 1990er-Jahren des Global Players Triumph im BikiniARTmuseum © BikiniARTmuseum, Florian Busch

2000 

Anfang der 2000er-Jahre steht der Bauch wieder im Mittelpunkt der Bademodendesigns. Raffinierte Quer- und Längsstreifen verbinden Ober- und Unterteile und unkonventionelle Trägerkreationen strukturieren Hals und Hüfte. Traditionelle Materialien wie Wolle werden neu interpretiert und mit synthetischen Stoffen kombiniert. Auch die klassischen Bikini-Dreiecke werden erstmals durch markante Vierecke ersetzt. Kurvige Stars und Sternchen wie die US-amerikanische Sängerin Beyoncé Knowles bringen die Sanduhrfigur in Mode, weshalb weibliche Rundungen auch in der Bademode wieder gekonnt in Szene gesetzt werden.

Kollektion „Gianne Albertoni“ 2003 ©Cristina Granato, BikiniARTmuseum

2010 bis heute 

Nachhaltige Bademode des Liechtensteiner Bademodenlabels LANASIA aus „A Sisters Collection“, 2020 © LANASIA

Der Bikini ist nicht mehr nur den Frauen vorbehalten! Designer Fernando Cozendey aus Rio de Janeiro, der sich seit jeher mit gesellschaftspolitischen Themen wie Gender, Sexualität, Rasse und Schönheitsstandards auseinandergesetzt hat, steht für gewagte Modelle und ungewöhnliche Textilexperimente – eine Melange aus Strandmode und Haute Couture. Der hochinnovative „Männer-Bikini“ bricht radikal mit Normen geschlechtsspezifischer Bademode und spiegelt die zunehmende Verwischung gesellschaftlicher Geschlechtergrenzen wider.  

Auch zeitgemäße, gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität bestimmen die gegenwärtige Bademode. Die Bademode wendet sich sukzessive einer positiveren Körperwahrnehmung zu: Ziel ist das Loslösen von der Idee, dass nur Figurtypen, die dem Schönheitsideal entsprechen, als attraktiv gelten können. 

 

Der Männer-Bikini von Fernando Cozendey  © Fernando Cozendey, Model: Leandro Quaresma, Fotografin: Marcia Otto

 

Baden an der Autobahn

Das BikiniARTmuseum in Bad Rappenau zeichnet die Geschichte der Bademode nach – vom biederen Badekostüm aus Wolle zum ausgebufften Zweiteiler für den Mann. Bunt aufbereitet, zeigt das Museum seit Juli 2020 auf rund 1.500 Quadratmeter Fläche, wie sich die Mode für den Badespaß seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelt hat.

Der Name Bikini entstand am 5. Juli 1946 in Paris. Damals steckte der Ingenieur und Designer Louis Réard ein Model in einen Zweiteiler. Er nannte ihn Bikini in Anlehnung an das Atoll im Pazifischen Ozean, das zum Schauplatz der ersten Atomtests wurde. Zu dieser Zeit galten die Atomenergie und auch die verheerende Waffenproduktion damit für Fortschritt.

Das Museum steht übrigens nicht ganz ohne Grund an einer Autobahnausfahrt. Gegründet und finanziert hat es der Regensburger Unternehmer Alexander Ruscheinsky. Der wiederum wurde mit 24 Autohöfen reich, die er 1997 gegründet hatte. Mehr als fünf Jahre lang recherchierte er zusammen mit seinem Team dafür. Neben Bademode bietet das Museum auch multimediale Shows, Kunstwerke, Plakate oder Sonderausstellungen wie über die jung verstorbene Sängerin Amy Winehouse.