Sportlicher Wandel

Studie

„Blicken wir voraus, glauben wir, dass die erfolgreichsten Akteure innovativ sein müssen, um sich mit den sich wandelnden Verbraucheranforderungen auseinanderzusetzen, die Komplexität der Lieferketten zu bewältigen, die Betriebsabläufe zu optimieren und Chancen in aufstrebenden Märkten und Ökosystemen zu nutzen." (aus „Sporting Goods 2024 – Zeit zu handeln“) ©Alexander Fox | PlaNet Fox from Pixabay

Autor: Markus Oess
Nach einem durchwachsenen Jahr 2023 bläst den Sportartikelunternehmen weltweit weiterhin harter Gegenwind ins Gesicht. Die globale Weltwirtschaft ist geschwächt, der Wettbewerb intensiviert sich und die Menschen verabschieden sich ganz allgemein zusehends von körperlicher Aktivität. Trotz dieser Herausforderungen sagen jedoch viele Führungskräfte der Sportartikelbranche, dass sie optimistischer seien als in den letzten Jahren. Ein Grund für den positiveren Ausblick ist, dass sich bestimmte Vorlieben der Verbraucher herauskristallisieren, die der Branche in die Hände spielen. Mehr Menschen wählen Sportarten, die schneller zu erlernen sind, weniger Engagement erfordern und sozialer sind – Pickleball, Laufen und Off-Course-Golf verzeichnen steigende Engagement-Levels. Überdies ist Sport gerade bei älteren Menschen beliebter denn je. Das schafft einen Markt, in dem Teilnahme genauso wichtig ist wie die Leistung.

WERBUNG

Die operativen Prioritäten in der Branche ändern sich. Nach den Marktstörungen im Zuge der Pandemie wenden sich Unternehmen nun einer „integrierten Geschäftsplanung“ und „fortgeschrittenen Analytik“ zu, um wenigstens etwas Planungssicherheit nach den Unwägbarkeiten der jüngeren Vergangenheit zu schaffen. Kurzum sollen Analyse- und Prognosetools helfen, durch die volatilen Zeiten zu navigieren. Gleichzeitig liefern Sport-Ökosysteme und Nachhaltigkeitsanforderungen neue Chancen zur Innovation und Profilierung. Dies sind Aspekte, die in dem Report „Sporting Goods 2024 – Zeit zu handeln“, dem inzwischen vierten jährlichen Branchenbericht des Weltverbandes der Sportartikelindustrie (WFSGI) und McKinsey & Company, behandelt werden. Basierend auf Forschung, Verbraucherumfragen und Interviews mit einigen der führenden Entscheidungsträgern der Branche, hebt der Bericht die wichtigsten Herausforderungen für Sportartikelunternehmen und die Trends hervor, die in den nächsten zwölf Monaten die großen Entscheidungen prägen werden.

„Der Bericht zeichnet einen verbesserten Branchenausblick“, sagt Emma Zwiebler, Interims-CEO des WFSGI. „Trotz der herausfordernden wirtschaftlichen und unternehmerischen Bedingungen hat die Sportartikelindustrie 2023 ihre Widerstandsfähigkeit demonstriert, wobei sich auch Chancen auf nachhaltiges Wachstum im Jahr 2024 eröffnen.“ In einem hyperkompetitiven Markt schafft es nur eine Minderheit der Sportartikelunternehmen, ihre Umsätze kontinuierlich zu steigern und ihre Margen auszubauen. Diese Elitegruppe ist gut positioniert, aber viele andere im Markt stehen doch einer unsicheren Zukunft gegenüber. „Während das kommende Jahr von Unsicherheiten geprägt sein wird, wird es auch Chancen bieten”, sagt Alexander Thiel, Partner bei McKinsey & Company, der auf die Besonderheiten des deutschsprachigen Marktes im FT-Interview gesondert eingeht. „Da die globale Bevölkerung weiter wächst und immer mehr Menschen gesündere und aktivere Lebensweisen annehmen, haben Marken, Einzelhändler und Hersteller Chancen zu wachsen. Diese Chancen sollten jedoch in die weiterhin politischen und wirtschaftlichen Unvorhersehbarkeiten eingeordnet werden, die sich in fast jeder Region weltweit abzeichnen.”

Im vergangenen Jahr entwickelte sich die globale Sportbranche regional unterschiedlich stark. Unternehmen in Westeuropa verzeichneten ein Wachstum von 8 Prozent nach einem Rückgang um 3 Prozent im Vorjahr. Die Branche in der asiatisch-pazifischen Region legte gar um 11 Prozent zu nach einem Rückgang um 4 Prozent im Jahr 2022. Das Wachstum der nordamerikanischen Unternehmen verlangsamte sich hingegen von 6 Prozent im Jahr zuvor auf noch 2 Prozent. Lateinamerika entpuppte sich hingegen als wahrer Performer mit einem Wachstum von 22 Prozent nach einem Zuwachs von 20 Prozent im Vorjahr. Die Gewinner der Branche hielten ihr Momentum im Jahr 2023 aufrecht, indem sie den Markt mit Konzentration auf attraktive Kategorien und intelligente Vermarktungsstrategien angingen. Es gab auch bemerkenswerte Variationen in der Wettbewerbslandschaft. In China beispielsweise intensivierte sich der Wettbewerb, wobei globale Größen ihren Vorsprung gegenüber lokalen Akteuren verloren, die immerhin einen Marktanteil von etwa 60 Prozent unter den Top-20-Marken hatten. In Lateinamerika hingegen dominierten globale Akteure weiterhin, mit einem Anteil von etwa 90 Prozent – und mit einem klaren Fokus auf Fußball und Tennis.

Während die Welt sich im vergangenen Jahr sehr ungleich entwickelte, sah sich die Sportartikelindustrie mit altvertrauten Herausforderungen konfrontiert. Wirtschaftlicher Gegenwind, anhaltende Inflation und regionale Konflikte untergruben das Verbrauchervertrauen. Unternehmen kämpften immer noch mit Beständen, weil die tatsächliche Nachfrage hinter der erhofften zurückblieb. Dennoch zeigte sich die Branche widerstandsfähiger als erwartet. Das globale Umsatzwachstum im Jahr 2023 betrug 6 Prozent, verglichen mit 2 Prozent im Jahr 2022. Für das Jahr 2024 zeichnet sich laut Report sogar ein gewisser Optimismus unter den Branchenführern ab. Allerdings dürfte immer noch die Inflation ihren Teil dazu beigetragen haben. Das Marktumfeld jedenfalls hellt sich auf und mehr Menschen wählen Sportarten, die schnell zu erlernen und geselliger sind, auch weniger Engagement erfordern, anstatt organisierte Sportarten mit festen Zeitverpflichtungen, Teams oder hohen Anforderungen. Die Teilnahme als Treiber ist ebenso wichtig geworden wie die Leistung.

Zahlen bitte

Etwa 90 Prozent der Führungskräfte im Sportartikelbereich erwarten stabile oder sogar verbesserte Umsätze und Margen. Dennoch sind die Branchenführer nicht durch die Bank optimistisch. Sie haben auch Bedenken hinsichtlich Inflation und Überbeständen. 81 Prozent der Befragten in der diesjährigen Umfrage geben an, dass Inflation und Bestandsniveaus/Kapitalkosten eine kontinuierliche Herausforderung darstellen, und 50 Prozent machen sich Sorgen über den Mangel an Nachwuchstalenten sowie die dringende Notwendigkeit, nachhaltiger zu werden. Darüber hinaus rechnen die Manager mit einem anhaltenden wirtschaftlichen Gegenwind. In China gab es zum Beispiel 2023 eine Erholung von einem schwierigen Jahr 2022, trotzdem dürften viele chinesische Verbraucher im Jahr 2024 angesichts der immer noch unsicheren Zeiten eher zurückhaltend sein.

Veränderte Verbraucherpräferenzen

Der Report macht verschiedene Handlungsfelder aus, die über die Zukunft der Unternehmen mitentscheiden. Das Verbrauchervertrauen bleibt grundsätzlich gedämpft, dennoch hat der Sportartikelbereich gezeigt, dass er widerstandsfähig sein kann und viele Unternehmen sogar relativ immun gegen Downtrading sind. So verschieben sich die Verbraucherpräferenzen, gerade bei den einzelnen Generationen. Dabei nimmt die Markenloyalität ab. Auch das Verbraucherverhalten verändert sich weg von straffer organisierten Sportarten hin zu zugänglicheren Optionen. Diese Verlagerung eröffnet neue Wachstumspfade, insbesondere in Trendsportarten wie Pickleball/Padel-Tennis (plus 159 Prozent Wachstum von 2019 bis 2022) und Off-Course-Golf (plus 57 Prozent Wachstum von 2019 bis 2022), die einen wahren Popularitätsschub erlebt haben. Darüber hinaus findet ein generationsspezifischer Wandel statt, wobei einige ältere Menschen mehr Zeit und Geld für ihre Lieblingssportarten und Hobbys aufwenden. Diese Entwicklungen variieren jedoch je nach Region, was darauf hinweist, dass Marken altersinklusive Strategien ausarbeiten sollten, um ihre Zielgruppen zu bedienen.

WERBUNG

Analyse und Planung

Ein weiterer zentraler Schlüsselfaktor sind die Analyse und die Planung. Das Bestandsmanagement bleibt eine drängende Herausforderung, da Unternehmen mit Überbeständen und Nachfrageschwankungen kämpfen, die eher ab- als zunehmen. Die steigenden Kapitalkosten erschweren die Aussichten zusätzlich und zwingen Unternehmen dazu, ihre Planungsprozesse neu zu bewerten. Der Schlüssel zur Vorbereitung liegt in der integrierten Geschäftsplanung, die die Koordination erheblich verbessern und Überraschungen reduzieren kann. Dennoch erfordert eine effektive Umsetzung neue Governance-Ansätze und fachübergreifende Ausrichtungen sowie standardisierte Daten. Unternehmen können diese mit fortgeschrittener Analytik und KI/ML kombinieren, um präzisere End-to-End-Planung und -Prognosen zu generieren.

Von Nachhaltigkeitszielen zu konkreten Aktionen

Die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit beschleunigt sich, befördert durch Regulierung und unternehmerisches Handeln zur Festlegung und Erreichung von Nachhaltigkeitszielen. In China, den USA und der EU gibt es zunehmende staatliche Unterstützung, aber auch Vorgaben, die den Übergang zur Energiewende vorantreiben werden. Viele, wenn auch nicht alle Sportartikelmarken, einschließlich kleinerer Unternehmen, machen sich daher auf den Weg in Richtung Nachhaltigkeit, um soziale und Governance-Probleme in ihren Betriebsabläufen und Lieferketten anzugehen. Diese Schritte spiegeln aber auch den steigenden Verbraucherwunsch nach nachhaltigeren Angeboten wider. So schätzen Konsumenten zunehmend Produkte aus organischen oder nachhaltigen Rohstoffen – und sie sind zusehends bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen.

Ökosysteme

Schließlich schwingt das Pendel wieder weg von D2C-Modellen zu Großhandelspartnerschaften, was das Verständnis widerspiegelt, dass Verbraucher es lieben, in Multi-Marken-Umgebungen einzukaufen. Immer mehr Unternehmen gehen einen Schritt weiter und verfolgen explizite Ökosystemstrategien, die ihr Denken über Kanalabdeckung und Produktsortiment hinaus erweitern. Technologischer Fortschritt und Gesundheitstrends sorgen in der Verbrauchernachfrage für eine Verschiebung von einzelnen Produkten zugunsten umfassender Gesundheits- und Aktivitätslösungen. Unternehmen können nicht allein alle Verbraucherbedürfnisse erfüllen. Aber sie können dies durch Netzwerke von Firmen tun, die bestimmte Elemente bedienen – von der Anleitung über Planung und Vorbereitung, Teilnahme und Reisen. Kunden schätzen es, ähnlich gesinnte Menschen zu treffen, wenn die Produkte nach ihren spezifischen Bedürfnissen gestaltet werden und sie bei ihren Aktivitäten, inklusive Urlaub, unterstützt werden. Solche Ökosysteme ermöglichen es Unternehmen, diesen veränderten Anforderungen gerecht zu werden.

„Das vergangene Jahr markierte eine Phase der Neuausrichtung für die Sportartikelindustrie, mit ungleichmäßigen Erholungen und anhaltenden Herausforderungen. Blicken wir voraus, glauben wir, dass die erfolgreichsten Akteure innovativ sein müssen, um sich mit den sich wandelnden Verbraucheranforderungen auseinanderzusetzen, die Komplexität der Lieferketten zu bewältigen, die Betriebsabläufe zu optimieren und Chancen in aufstrebenden Märkten und Ökosystemen zu nutzen. Durch Anstrengungen in diesen Bereichen und einen klaren Fokus auf die Umsetzung wird die Branche gut positioniert sein, um ihre positive Entwicklung fortzusetzen“, heißt es abschließend in dem Report.