„Yoga ist wie ein Schweizer Taschenmesser!“

IKARUS

„Die Mehrzahl der Käufer sind Männer, aber wir stellen mehr und mehr fest, dass Frauen IKARUS als Geheimtipp weitergeben", sagt Co-Founder Claudio Heinzmann. alle Bilder ©Thomas Sawer

Yogawear für Männer

Autorin: Tays Jennifer Köper-Kelemen
Yoga für Männer? Aber klar! IKARUS zieht seit 2020 Männer für die Yogaklasse an. Dabei kommt es der Kölner Marke auf schlichte, zweckmäßige Designs an. Klischee-Gedanken hat man bewusst über Bord geworfen. FASHION TODAY hat mit CEO Claudio Heinzmann über das aktuelle Männerbild und Reaktionen gesprochen. 

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Ein Shirt mit plakativem Buddha-Motiv auf der Front war die Initialzündung. Im Jahr 2020 gründeten die Kölner Freunde Daniel Hoffmann (37 Jahre) und Claudio Heinzmann (41 Jahre) gemeinsam ihre Brand IKARUS, um der Männerwelt Sportbekleidung abseits gängiger Yoga-Klischees bieten zu können. Vor allem aber auch, um Männern überhaupt ein Angebot an Yogawear zu schaffen, meist noch dominiert von Modellen für Frauen. Aktuell umfasst die Kollektion mit dem Titel „Prometheus“ jeweils zwei Yoga Pants, Shirts, Hoodies und Shorts. Eine neue Range namens „Phoenix“ ist aktuell in Arbeit. Die Produktion erfolgt nachhaltig in Portugal. Es werden möglichst ressourcenschonende Materialien rund um das Produkt ausgewählt. Der Vertrieb findet ausschließlich online statt.

Hoffmann und Heinzmann verfolgen für ihre Kollektionen ein vielmehr zweckmäßiges Design, das Funktionalität mit einer schlichten Ästhetik verbindet. Sie möchten über ihr Label mit einer Philosophie inspirieren, die Achtsamkeit und Selbstentwicklung in den Vordergrund stellt. „Fall to Fly“ lautet ihr Motto. FASHION TODAY hat CEO Heinzmann gefragt, wie der Mann von heute zu sehen ist und wie Männer generell auf das Thema Yogawear reagieren.

„Unser Fokus liegt vor allem auf einem schlichten Design, qualitativ hochwertigen Stoffen und Funktionalität, dies spiegelt sich ebenso in unseren Looks wider.“ Claudio Heinzmann, Co-Founder

FT: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Yoga-Label für Männer zu schaffen?
Claudio Heinzmann: „Das ist eine sehr gute Frage. Weil es einfach immer noch ein Nischen-Thema für Männer ist. Einer unserer Mitbegründer hat damals von seiner Ex-Freundin ein Yoga-Outfit geschenkt bekommen – ziemlich auffällig, mit einem Buddha auf der Brust. Die Auswahl an Männeroutfits war seinerzeit recht speziell … (nicht falsch verstehen, ich bin eigentlich ein großer Buddha-Fan). Allerdings dachten alle Teilnehmer der Klasse, er sei der neue Yogalehrer. Er hat sich in dieser besagten Yogastunde ziemlich unwohl gefühlt. Danach kamen wir auf die Idee, ein Yoga-Outfit zu entwerfen, das etwas schlichter, cleaner und funktionaler ausfällt – damit sich der Mann auch wohlfühlt. Das war damals unsere Kernidee, die das Ganze angestoßen hat.“

Worauf legt ihr in puncto Design besonders viel Wert?
„Unser Fokus liegt vor allem auf einem schlichten Design, qualitativ hochwertigen Stoffen und Funktionalität, dies spiegelt sich ebenso in unseren Looks wider. Oft stehen Männer mit ihren Gym- oder Fußballklamotten in der Yogaklasse. Bei einigen Positionen sind diese Sachen dann aber etwas unvorteilhaft. Da passiert es Leuten mit normalen Shirts häufig, dass die Oberteile nach unten verrutschen, besonders bei Positionen wie dem Down Dog – eine Figur, bei der der Oberkörper nach unten geneigt ist. Derartige Probleme möchten wir mit unseren Designs vermeiden.“

Wie seht ihr den Mann von heute?
„Über diese Frage könnten wir stundenlang philosophieren. Wir bemerken alle, dass sich die Gesellschaft verändert. Durch die Digitalisierung verändern sich gesellschaftliche Strukturen, Ansprüche und Erwartungen, Leistungsdruck und vieles, vieles mehr. Es ist eine Frage, die uns oft beschäftigt – was bedeutet es heute, ein Mann zu sein? Und es ist wichtig, darüber nachzudenken, weil es den Blick in uns selbst fördert. Und hier kommen wir zum Punkt. IKARUS ist nicht nur eine Kleiderbrand – es ist eine Idee. Eine Brand, die sich darauf ausgerichtet hat, Themen wie Achtsamkeit und Selbstentwicklung nach außen zu tragen. Wir wollen mit unserer Philosophie inspirieren und vielleicht einen kleinen Perspektiven-Shift anstoßen. Wir leben in einer Welt, in der es um Leistung, Schnelligkeit und oft Oberflächlichkeiten geht. Dabei verstärkt sich die Angst davor, Fehler zu machen, nicht perfekt zu sein oder den erwarteten Leistungen nicht zu entsprechen.

„Meistens hören wir: ‚Yes! Endlich mal was für Männer! Megaidee!‘.

Im Handstand-Kurs lernst du in einer allerersten Lektion, wie man fällt. Man lernt das Fallen, um keine Angst davor zu entwickeln. Bevor jemand einen guten Handstand kann, wird er oft fallen, das ist ganz normal. Jedoch wird uns in unserer Gesellschaft nicht beigebracht, wie man fällt und damit umgeht. Und dass es völlig normal ist, Fehler zu machen. Im Gegenteil. Die Tendenz neigt zum Credo ‚höher, schneller, weiter‘. Daher auch IKARUS. Eine Geschichte der griechischen Mythologie besagt, dass Ikarus zu nah an die Sonne herangeflogen und dadurch ins Meer gestürzt ist. Unser kommender Slogan soll unsere Philosophie untermalen: ‚FALL TO FLY‘. Um fliegen zu können, musst du manchmal fallen. Du lernst aus deinen Fehlern und machst Erfahrungen, um in deinem Leben voranzukommen.

Bis heute halten sich insbesondere bei Männern gewisse Glaubenssätze, zum Beispiel sollen sie keine Emotionen zeigen. Sie sollen Gedanken und Sorgen bei sich behalten. Stress und Leistungsdruck als ganz normal empfinden. Es gilt, ‚Blut zu schwitzen‘, um Stolz zu fühlen. Unsere Mission ist es aufzuzeigen, dass es okay ist, nicht perfekt zu sein. Weil es schlichtweg nicht möglich ist. Es ist okay, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Yoga, Meditation, Achtsamkeit und viele andere Tools wie Breathwork sind hilfreiche Methoden, um einen kleinen Schritt näher zu sich zu kommen. Und diese Tools möchten wir gerne mehr Menschen an die Hand geben.“

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Wie reagieren Männer auf eure Kollektionen?
„Meistens hören wir: ‚Yes! Endlich mal was für Männer! Megaidee!‘. Das Feedback ist superpositiv. Man nimmt Notiz davon, dass wir uns Gedanken über das Design machen, da die Schnitte wirklich sehr funktional und explizit auf Yoga- oder Movement-Übungen zugeschnitten sind. Ich hatte im Gym aber auch schon Aussagen wie: ‚Nee, ich mache doch kein Yoga, ich esse Fleisch!‘ Da musste ich schon etwas schmunzeln, weil so viele Klischees in dieser Aussage stecken.“

Kaufen mehr noch Männer bei euch ein oder etwa Frauen für ihre Männer?
„Tatsächlich sind es auch häufig Frauen, die für ihren Freund ein Geschenk bei uns kaufen. Die Mehrzahl der Käufer sind Männer, aber wir stellen mehr und mehr fest, dass Frauen IKARUS als Geheimtipp weitergeben. Sie mögen die Sachen unter anderem selber tragen, weil es einfach so comfy ist.“

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für euer Label?
„Nachhaltigkeit ist ein großes Thema für uns. Wir versuchen, uns in diesem Bereich ständig weiterzuentwickeln. Wir produzieren in Portugal und wählen Ressourcen aus, die nachhaltig sind. Wir versuchen, auch bei der Verpackung und in weiteren Aspekten den Gedanken der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen und zu integrieren. Es sollte einfach selbstverständlich sein, dass man ein Bewusstsein dafür entwickelt – gerade als Brand. Aber wir wollen ganz ehrlich sein: Am nachhaltigsten wäre es wohl, gar kein neues Label zu gründen. Ich habe mir sehr häufig den Kopf darüber zerbrochen. Ich denke, es kann aber auch nachhaltig sein, Menschen eine Philosophie zur Achtsamkeit weiterzugeben. Nachhaltigkeit beginnt doch bei einem selbst.“

Was sagt ihr Männern, die behaupten, Yoga sei nur etwas für Frauen?
„Ganz einfach – ‚Google es!‘. Mit anderen Worten: Yoga ist eine philosophische Lehre aus Indien. Hauptsächlich wurde diese Philosophie in der Geschichte von Männern praktiziert und weitergegeben. Wir sehen aber auch heute, beispielsweise im Profisport bei Fußball oder Eishockey, dass die Trainer Yoga in ihr Trainingsprogramm aufnehmen. Yoga ist eine umfassende, komplementäre ‚Sportart‘. Sie hilft bei Active Recovery, beugt Verletzungen vor und fördert Aspekte der mentalen Vorbereitung, Stichwort Sportpsychologie. Man muss keine Mantras singen oder jeden Tag Räucherstäbchen im Zimmer anzünden, um Yoga zu praktizieren. Yoga kann im Breiten- und Profisport unfassbar hilfreich sein. Yoga ist wie ein Schweizer Taschenmesser. Du kannst es für viele verschiedene Anwendungen brauchen, es überall einsetzen, es ist effizient. Und das habe ich jetzt nicht nur gesagt, weil ich Schweizer bin! :-)“

www.ikarusyoga.com