Autor: Andreas GrüterEine eingeschworene Sammlergemeinde, trendsichere Szeneshops, aufwendig gestaltete Magazine, liebevoll kuratierte Ausstellungen und Fachmessen sowie Wachstumsraten, von denen der Rest der Modebranche nur träumen konnte – lange Zeit kannte der Sneakermarkt nur eine Richtung: nach oben. Doch seit einigen Jahren hat sich der Wind deutlich gedreht und der Hype, so scheint es, ist erst einmal vorbei. Im Gespräch mit Philipp Khodaverdi, Betreiber des Kölner Coziness-Sneakerstores, machen wir uns an eine vorläufige Bestandsaufnahme.
FASHION TODAY: Philipp, du hast Coziness 2018 als Online-Store für ausgesuchte Streetwear und rare Sneakermodelle gegründet und bist im April 2024 den Schritt hin zum stationären Handel mit einem 120 Quadratmeter großen Shop mitten in Kölns Belgischem Viertel gegangen. Was fasziniert dich am Turnschuh-Thema?
Philipp Khodaverdi: „Ich bin durch Skaten und Hip-Hop zum Sneaker und zur Streetwear gekommen. Irgendwann gab es diesen Riesenhype um die New Yorker von Supreme. Jeder wollte die Klamotten haben, die jedoch kaum zu bekommen waren. Also habe ich mich als damals 16-Jähriger in den Zug gesetzt, bin zum Shoppen zum Pariser Supreme Store gefahren und habe die Ware dann zu Hause mit Gewinn weiterverkauft. Danach ging es für mich auf der Suche nach Limited Editions kreuz und quer durch Europa. 2018 ging Coziness als Online-Shop für ausgesuchte Sneaker und Streetwear offiziell an den Start. Da war ich 20 Jahre. Sechs Jahre später stehe ich hinter der Verkaufstheke meines eigenen Ladens.“
In den vergangenen Jahren hat sich die Sneakerszene stark verändert. Läden und Magazine haben dichtgemacht und Schlangen vor Shops sieht man auch nur noch in Ausnahmefällen und für sehr exklusive Drops. Was ist passiert?
„Der Hype ist ein Stück weit vorbei und das liegt zum einen daran, dass es heute dank spezialisierter Online-Marktplätze viel einfacher ist, den Schuh der Wahl zu finden, und zum anderen daran, dass die Sneakerlabels den Markt mit Releases regelrecht geflutet haben, was zu einer massiven Übersättigung geführt hat. Ehemals exklusive Schuhe waren plötzlich nicht mehr exklusiv, sondern beliebig. Zudem sind viele Leute in die Szene gekommen, die ein gutes Geschäft witterten, aber zu den Produkten selbst überhaupt keinen Bezug hatten. Viele eingefleischte Sammler und Sneakerheads haben daraufhin ein Stück weit das Interesse verloren oder sich gleich ganz zurückgezogen.“
Die Labels haben dem Hype-Momentum ein Stück weit selbst den Stecker gezogen?
„Ja, das kann man wohl so sehen. Sie haben das, was sie über die Jahre mit Künstler-Kollaborationen und Zusammenarbeiten mit Modedesignern mit viel marketingtechnischem Fingerspitzengefühl und Liebe zum Detail aufgebaut haben, mit teuren, aber pseudoexklusiven Produkt-Overkills wieder eingerissen. Das war kurzfristig sicherlich gut für den Umsatz, aber meiner Meinung nach auf lange Sicht nicht sonderlich clever. Hier das Rad wieder zurückzudrehen, dürfte schwierig bis unmöglich sein.“
Trotzdem hast du dich dazu entschlossen, einen Laden zu eröffnen …
„… in einer Zeit, in der viele Sneakerläden dichtgemacht haben. Stimmt, denn auch wenn die durchschnittlichen Margen in den letzten Jahren ordentlich gesunken sind, ist der Markt doch immer noch groß. Wir bieten handverlesene Schuhe und Pieces von Marken, die es eben nicht bei snipes und Co gibt, und ich denke, auch unser kuratiertes Rahmenprogramm mit verschiedensten Ausstellungen, Lesungen, DJ-Sessions und Konzerten macht hier den entscheidenden Unterschied. Wir sprechen dabei ganz bewusst nicht nur eine, sondern viele Bubbles und Nischen an.“
Der Shop als offener Art Space?
„Ganz genau. Hinzu kommt, dass wir Pop-up-Flächen für angesagte Modelabels wie RAVANI BERLIN oder MOREMONEY MORELOVE aus Düsseldorf anbieten, die ansonsten ausschließlich auf ihren eigenen Online-Plattformen und in den sozialen Netzwerken aktiv sind. Das ist für die Brands und für uns und unsere Kunden natürlich richtig spannend. Grundsätzlich setzen wir auch eher auf neuere Labels, die noch unter dem Radar des Mainstreams laufen.“
Lass uns noch einmal zurück zum Sneakermarkt kommen. Wie wird sich deiner Meinung nach die Szene weiterentwickeln? Geht es zurück zu einer eher kleinen Core-Gemeinschaft?
„Die enge Sammler-Community mit Fokus auf bestimmte Modelle, Styles und Marken, die es früher gab, wird so meiner Meinung nach leider nicht mehr zurückkommen. Stattdessen sind Kundschaft und Interessen heute wesentlich breiter gefächert und die Trends ändern sich dabei alle paar Monate. Interessanterweise scheint das Überangebot der großen Marken derzeit dazu zu führen, dass Kunden wieder bewusster und selektiver einkaufen und sich nicht den x-ten Colourway als Must-have aufschwätzen lassen. Da kann das eine Paar, für das man sich entscheidet, dann aber gerne auch mal etwas teurer sein. Ich sehe hier übrigens auch große Chancen für kleinere Marken, sich zukunftsweisend zu positionieren. FLOWERS FOR SOCIETY aus Hamburg machen das mit ihren veganen Sneakern ja beispielsweise aktuell ganz hervorragend.“