
Autorin: Katja VadersIm letzten Monat sprachen wir mit Dr. Mario Galgano, Redakteur bei Vatican News, über die Bedeutung von klerikaler Mode für Geistliche und die katholische Kirche. Nach dem Interview empfahl er uns, mit Filippo Sorcinelli Kontakt aufzunehmen, um mehr zum Thema zu erfahren. Dieser betreibt nämlich ein Atelier in Rom und fertigt seit einigen Jahren unter anderem Gewänder für Bischöfe, Kardinäle, Priester und kleidet mit Leo XIV. bereits den dritten Papst ein. Zudem ist er Organist, Parfümeur für hochwertige Nischendüfte und inszeniert sich sehr gerne auf seinem Instagram-Account, der immerhin 100.000 Followerinnen und Follower hat. In einem Interview sprach er mit uns über seine Beweggründe, klerikale Mode zu designen, ihre Symbolik und seine ganz persönliche Inspiration.
FASHION TODAY: Filippo, wie kamen Sie dazu, Schneider zu werden? Und wie lange arbeiten Sie schon für den Vatikan?
Filippo Sorcinelli: „Meine Arbeit als Schneider begann als Ausdruck einer inneren Berufung. Ich fand im liturgischen Stoff die Möglichkeit, einer Berufung Gestalt zu geben, die weit über das Handwerkliche hinausgeht und zu einem Akt des Glaubens wird. Mehr als 20 Jahre lang haben meine Hände der Kirche gedient, an der Seite von Generationen von Kardinälen, Bischöfen und Priestern, während der Pontifikate von Benedikt XVI. und Franziskus und jetzt in den ersten Tagen von Leo XIV. Immer mit dem gleichen Ziel: Gewänder zu schaffen, die das Mysterium bewahren und es dem Ritus mit Diskretion und Präzision darbieten, indem sie ehren, was der Ewigkeit gehört. Jeder Stich, jeder Faden, jeder gewählte Stoff wird zu einem stillen Gebet, zu einer Geste der Liebe gegenüber dem Unsichtbaren, die im Werk unserer Hände Gestalt annimmt.“
Was verbirgt sich hinter der klerikalen Mode für Priester und insbesondere für Bischöfe, Kardinäle und den Papst?
„Sakrale Gewänder sind mehr als nur funktionale Kleidungsstücke; sie sind eine präzise Sprache, die über die Zeit hinausgeht und durch ihre Schönheit die Heiligkeit einer verantwortungsvollen Rolle vermittelt. Hinter jeder Form, jeder Stickerei, jeder Farbe steckt eine höhere Absicht, die in der Lage ist, die Präsenz des Heiligen im Alltag zu offenbaren und dem Amtsträger ein Gewand zu bieten, das nicht schmückt, sondern ihn zu seinem Wesen, seiner Berufung zurückführt. Jedes Mal, wenn ich ein Gewand für einen Vertreter der Kirche entwerfe, verspüre ich das dringende Bedürfnis, Schönheit und Wahrheit zu vereinen, der Liturgie ihre formale Würde zurückzugeben, damit auch die Materie den geistlichen Akt mit Anmut und Kohärenz begleiten kann.“
Wird die Kleidung von Bischöfen, Kardinälen und dem Papst von Modetrends oder dem Zeitgeist beeinflusst oder sind sie keinerlei Moden, sondern vielmehr gewissen Regeln unterworfen?
„Die liturgische Kleidung lebt in einem Raum, in dem sich Tradition und Gegenwart in einem stillen Gespräch begegnen, in dem der Geist der Zeit auf die Erinnerung trifft, ohne dass sich ihr Kern jemals verändert. Jede Entwicklung, sei es in Form, Farbe oder Stoff, findet innerhalb einer heiligen Grammatik statt, die aus Symbolen und kodifizierten Formen besteht, aus Materialien, die für sich selbst sprechen und gleichzeitig im Dialog mit der Tradition bleiben. Das liturgische Gewand folgt keinen Trends, sondern atmet mit dem Ritus, passt sich seinem Kontext und seinem spirituellen Rhythmus an und bewahrt dabei die Feierlichkeit und Klarheit, die die historische Sprache der Kirche verlangt.“
Was trägt der hohe Klerus in seinen privaten Momenten?
„Außerhalb des Altars kleiden sich hohe Geistliche nüchtern, aber im Einklang mit ihrer inneren Identität. Sie wählen Gewänder, die nicht zur Schau gestellt werden, sondern Zeugnis ablegen – ein stiller Abglanz des inneren Gleichgewichts, ein Zeugnis der Diskretion und Präsenz. Die Soutane steht seit jeher für ein Leben abseits von Mode und den vielen Ablenkungen der visuellen Alltagskultur. Die Einfachheit, wenn sie mit Anmut gelebt wird, spricht eine eigene Sprache und bekräftigt eine lebenslange Berufung, einen Weg des Dienens, der auch in der informellen Kleidung Kontinuität findet. Stets gelassen, essenziell und zutiefst kohärent mit der Würde der Rolle.“
Gehört das Gewand, das während der Messe getragen wird, einem einzigen Geistlichen? Oder trägt Leo das auf, was Franziskus einst trug?
„Liturgische Gewänder beruhen nicht auf der Vorstellung von persönlichem Besitz. Sie gehören zu einem kollektiven Gedächtnis, das die Generationen durchläuft und in den Gesten, die sie beleben, in den Körpern, die sie tragen, und in den Riten, die sie heiligen, an Wert gewinnt. Wenn ein Papst ein Gewand trägt, das einst von seinem Vorgänger getragen wurde, vollzieht er einen Akt geistiger Kontinuität und tritt in eine Gemeinschaft ein, die über die Individualität hinausgeht und einer Liturgie dient, die ungebrochen bleibt. Das Gewand bewahrt nicht den Namen seines Trägers, sondern die Erinnerung an den Ritus, den es einst umarmte, und wird so zu einem sichtbaren Archiv des gelebten und weitergegebenen Glaubens.“
Wie sieht es mit persönlicher Kleidung aus? Haben viele Geistliche die Vorliebe für einzigartige Modeartikel – wie zum Beispiel Benedikt für seine roten Schuhe?
„Die persönliche Kleidung innerhalb des Klerus kann persönliche Erinnerungen, Sensibilität und eine kultivierte Ästhetik zum Ausdruck bringen, die aus der individuellen Kultur hervorgeht. Die Geschichte der roten Schuhe von Benedikt XVI. wurde oft durch oberflächliche Interpretationen verzerrt, die das Produkt einer von Äußerlichkeiten besessenen Gesellschaft sind und ihre historischen und symbolischen Wurzeln ignorieren. Gewänder und Accessoires offenbaren weit mehr als ihre äußere Form; sie sind Ausdrucksformen, Symbole, Kommunikationsmittel. Rote Schuhe, wenn sie von einem Pontifex getragen werden, sind weit mehr als eine ästhetische Verzierung. Sie stehen für ein uraltes Symbol, das durch die Geschichte der Kirche geht. Rot ist die Farbe des Martyriums, der spirituellen Souveränität, des Blutes Christi und derer, die ihm in völliger Hingabe folgten. Rote Schuhe zu tragen bedeutet, mit jedem Schritt Zeugnis abzulegen, eine Erinnerung an Opfer und brennende Liebe. Es ist eine stille, aber kraftvolle Geste, die das moderne Papsttum mit dem gekreuzigten Petrus, dem enthaupteten Paulus und den Aposteln verbindet, die Spuren des Feuers auf der Erde des Glaubens hinterlassen haben. Rot ist auch die Farbe der Leidenschaft des Heiligen Geistes, der Flamme, die den Weg des universellen Hirten leitet, bewacht und erleuchtet. Diese Schuhe, die so oft als bloßer persönlicher Geschmack missverstanden werden, werden in Wirklichkeit zu einem beweglichen Altar, einer lebendigen Reliquie, einem sakramentalen Gegenstand, der in der Würde der Ewigkeit wohnt. Jeder Schritt des Papstes wird zu einer Fürbitte, zu einer sichtbaren Verbindung zwischen Himmel und Erde, zu einer Erinnerung daran, dass wahre Macht darin besteht, sich für andere hinzugeben. Wie alle liturgischen Zeichen erfordert auch dieses eine tiefgründige Deutung. Nichts ist nebensächlich in dem, was die Sprache der Tradition spricht. Selbst das, was die Füße bedeckt, kann Theologie sprechen. Die roten Schuhe von Benedikt XVI. waren keine persönliche Exzentrizität, sondern vielmehr eine symbolische Verbindung zur alten Tradition. Einige Prälaten wählen Objekte, die ihre Identität, ihre Hingabe, ihre Geschichte widerspiegeln. Das wahre Maß für Angemessenheit liegt in der Ausgewogenheit, wenn jedes Element seiner Rolle dient, anstatt sie zu überschatten, wenn die Form ein transparentes Vehikel für den Inhalt bleibt. Innere Eleganz wird zur Quelle äußerer Anmut.“
Wo finden Sie Inspiration? Lesen Sie Modemagazine? Und wer ist Ihr Lieblingsdesigner in Italien?
„Inspiration kommt, wenn die Stille zu sprechen beginnt, wenn Licht auf einen verlassenen Stoff fällt, wenn Erinnerungen eine vergessene Geste wachrufen, ein Kleidungsstück, das durch die Falten der Zeit hindurch sichtbar wird, ein Kirchenschiff, durch das ein heiliger, duftender Wind weht. Modemagazine bieten natürlich Anregungen, aber was meine kreative Vision wirklich nährt, sind Geschichte, Liturgie, Musik, der Duft von Weihrauch, der nicht als Nostalgie, sondern als Offenbarung zurückkehrt. All dies läuft auf einen einzigen Wunsch hinaus: Schönheit zu vermitteln, die einzige Kraft, die in der Lage ist, die menschliche Unwissenheit zu überwinden und durch unsere eigenen Gaben etwas zu offenbaren, das weit über uns hinausgeht. Unter den italienischen Designern bewundere ich besonders diejenigen, die das Drama der Kühnheit mit einer Ästhetik verbinden, die ideologische oder politische Botschaften ablehnen, diejenigen, die Material wie eine Sprache behandeln, die Kleidungsstücke entwerfen, die ohne Erklärung Geschichten erzählen und es dem Körper ermöglichen, Präsenz statt Ornament zu werden. Im Laufe der Modegeschichte haben sich viele Kreative von der sakralen Kunst inspirieren lassen, da sie wissen, dass diese weitaus stärkere ästhetische Botschaften vermittelt. Heute jedoch liegen die kreativen Richtungen in den Händen eines kleinen Kreises von Personen, die in einem Modesystem eingebettet sind, das sich mehr auf Monetarisierung als auf Emotionen konzentriert. Dieselben vier oder fünf Namen rotieren nun zwischen multinationalen Unternehmen und entziehen dem künstlerischen Gefüge seine Seele. Es ähnelt eher dem Schatten einer Modediktatur als einem leuchtenden Tempel der Wunder.“
Vielen Dank für das Gespräch!
Im Auftrag des Herrn
Filippo Sorcinelli gründete im Jahr 2001 sein Atelier LAVS – Laboratorio Atelier Vesti Sacre (Atelier für liturgische Gewänder) mit Sitz in Santarcangelo di Romagna. Hier befasst er sich mit dem Entwerfen und der Produktion liturgischer Gewänder sowie von Einrichtungsgegenständen und Accessoires für die katholische Liturgie.
LAVS arbeitet international, aber vor allem eng mit dem Amt für liturgische Feiern des Papstes zusammen. Weltweite Aufmerksamkeit erlangte Sorcinelli insbesondere für die Gewänder, die er für Papst Benedikt XVI. und nicht zuletzt für die Messe zu Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus im Jahr 2013 anfertigte. Die Arbeiten des Designers werden jedoch auch in Museen ausgestellt, wenn er von ihm genähte Gewänder aus Gemälden präsentiert.
Filippo Sorcinelli wurde im Jahr 1975 in Mondolfo in der italienischen Provinz Pesaro-Urbino geboren. Seine Faszination für das Religiöse entdeckte er bereits als Kind in seiner Dorfkirche, wo er sich sowohl von den dort aufbewahrten kirchlichen Gewändern als auch vom Klang der Kirchenorgel angezogen fühlte. Nach seinem Kunststudium und seiner Ausbildung zum Kunstlehrer absolvierte er das Rossini-Konservatorium in Pesaro, studierte am Päpstlichen Institut für Kirchenmusik in Rom und wurde schließlich zum Hauptorganisten der Kathedralen von Fano, Rimini und San Benedetto del Tronto.
Insbesondere für seine Improvisationskünste auf der Orgel erhielt er internationale Anerkennung.
Filippo Sorcinelli erlernte die Kunst des Schneiderns und des Stickens von seiner Tante und seiner Schwester. Als er beschloss, die Verpackungen, in denen die liturgischen Gewänder verschickt werden, zu parfümieren, gründete er 2013 seine künstlerische Parfümmarke FILIPPO SORCINELLI. Neben dem LAVS-Atelier in Santarcangelo di Romagna verfügt LAVS über zwei Geschäfte, eines in der Nähe des Vatikans in Roms Borgo Vittorio und ein weiteres in Assisi.